Nachdem sich die Einsetzung eines NSA-Untersuchungsausschusses zunächst verzögert hatte, weil es zwei unterschiedliche Anträge von Regierungs- und Oppositionsfraktion gab, wird es heute zur Abstimmung kommen. Als Zusatzpunkt 5 auf der Tagesordnung der heutigen Bundestagssitzung steht die Beratung eines gemeinsamen Antrages zur Einsetzung des Gremiums, das Unklarheiten in Bezug auf die NSA-Affäre aufklären soll. Vor allem die Rolle, die Deutschland dabei einnimmt. Der Antrag wird vermutlich angenommen werden und in diesem Fall könnte sich der U-Ausschuss Anfang April konstituieren und die Arbeit aufnehmen.
Letzte Woche gab es bereits einen Leak in der Süddeutschen Zeitung über die Ausgestaltung des gemeinsamen Kompromissantrages von Regierung und Opposition. Mittlerweile liegt auch das entsprechende offizielle Dokument vor. Der gemeinsame Vorschlag stimmt zunächst einmal recht zuversichtlich. Das lässt auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU, Michael Grosse-Brömer, verlauten:
Wir begrüßen es sehr, dass es gelungen ist, mit der Opposition einen gemeinsamen Antrag zum NSA-Untersuchungsausschuss zu vereinbaren. Das stärkt den parlamentarischen Untersuchungsauftrag und ist auch mit Blick auf den Schutz von Bürgerrechten in Deutschland ein gutes Signal.
Einigkeit herrscht hier sogar mit der Opposition, denn auch auf grüner Seite ist man zufrieden mit der Formulierung des Antrags. Man habe alle wichtigen Punkte durchsetzen können, „so dass der Untersuchungsausschuss nun alle relevanten Fragen rund um die Ausspäh- und Überwachungsaffäre in Angriff nehmen kann“.
Was nicht ganz so optimistisch stimmt ist die Besetzung des U-Ausschusses: Vier Mitglieder kommen von CDU/CSU, zwei von der SPD. Das spiegelt zum einen die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag, zum anderen aber auch die Wichtigkeit, die die SPD dem Thema zumisst. Denn die hätte sich, wäre ihr daran gelegen gewesen, für eine 3/3-Aufteilung im Ausschuss engagieren können. Denn die Aufteilung – wie auch in anderen Ausschüssen – ist nicht exakt an die Mehrheitsverhältnisse gebunden und kann von den Parteien verhandelt werden.
Vorsitzender des Ausschusses wird Clemens Binninger von der CDU/CSU-Fraktion. Der ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Geheimdienstkontrolle zuständig ist, und Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss. Ob das eine gute Kombination ist, lässt sich an diesem Punkt noch nicht sagen. Es wird wesentlich davon abhängen, wie transparent und öffentlich der NSA-Ausschuss arbeiten wird und ob er es schaffen wird und will, die verborgene Arbeit des PKGr transparenter zu machen. Reformwillen hatte Binninger zumindest im Vorfeld schon angekündigt:
Wir wollen Tempo in den Reformprozess bekommen […] Wir haben genug Instrumente zur Kontrolle, nur konnten wir diese mangels personeller und zeitlicher Ressourcen bisher nicht richtig nutzen.
Was in diesem Zusammenhang interessant ist: Angeblich soll der NSA-Ausschuss „im Unterschied zum PKG […] in der Regel öffentlich tagen“. Das widerspricht den Aussagen, die wir im Zusammenhang mit dem Digitalausschuss #btada erhalten haben, denn sogar dort findet die Arbeit hinter verschlossenen Türen statt. Und zwar unter Berufung auf § 69, Abs. 1, Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages: “Die Beratungen der Ausschüsse sind grundsätzlich nicht öffentlich.” Es muss sich also noch zeigen, wie öffentlich die Tagungen des U-Ausschusses wirklich sein werden.
Obmann der CDU/CSU-Fraktion wird Patrick Sensburg. Weitere Besetzungen der Union sind bisher nicht bekannt. SPD-Obmann wird Christian Flisek werden. Er ist Anwalt und unter anderem auf IT-Sicherheitsrecht spezialisiert. Zweites Mitglied für die Sozialdemokraten ist Hans-Ulrich Krüger. Als Vertreter sind Susanne Mittag und Burkhard Lischka aufgestellt. Flisek stellte gegenüber der dpa klar:
Ich werde mich widersetzen, wenn es nur darum gehen sollte, Zeugenbefragungen medienwirksam zu inszenieren.
Über potentielle Zeugen wolle er deshalb noch nicht spekulieren. Damit dürfte er sich vor allem auf Forderungen beziehen, Edward Snowden anzuhören. Konstantin von Notz, der von den Grünen entsandt wird forderte, den Whistleblower anzuhören und ihm dafür sicheren Aufenthalt in Deutschland zu gewähren. Christian Ströbele, sein Stellvertreter, will auch Kanzlerin Angela Merkel als Zeugin laden. Ebenso stehen der ehemalige Geheimdienst-Koordinator Pofalla, der die Affäre bereits beendet erklärt hatte, bevor sie richtig losging und Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich zur Diskussion.
Die Auswahl der Zeugen wird maßgeblich für den Erfolg des Ausschusses sein, es ist jedoch zu erwarten, dass diejenigen, die auf britischer und amerikanischer Seite in die Spähaffäre involviert sind, sich kaum dazu herablassen werden, in Berlin auszusagen. Denn bereits bei den Befragungen des EU-Parlaments zum Thema gab es viele Absagen, beispielsweise von dem NSA-Direktor Keith Alexander, GCHQ-Direktor Iain Lobban und Gerhard Schindler, dem Chef des Bundesnachrichtendienstes. Man wird also zunächst primär auf deutsche Politiker und Geheimdienstvertreter zurückgreifen müssen.
Die Linke entsendet die Abgeordnete Martina Renner. Sie äußerte sich uns gegenüber optimistisch:
Mit der Einigung auf einen gemeinsamen Untersuchungsauftrag für den NSA-Untersuchungsausschuss haben die Oppositionsparteien erfolgreich durchgesetzt, dass die Geheimdienste ihre gesamte Überwachungs-Praxis auf den Tisch legen müssen. Damit können wir auch die Beteiligung des BND an Grundrechteverletzungen unter die Lupe nehmen.
Renner erwartet jedoch auch Widerstand, wenn es um lückenlose Aufklärung geht. „Es ist absehbar“, so Renner, „dass die Rechte der Opposition umkämpft bleiben werden – vor allem, wenn es darum geht, die Arbeit des Ausschusses auf einem regierungskritischen Kurs zu halten.“
Obmann der CDU/CSU-Fraktion wird Patrick Sensburg.
Ach herrje, ein ausgewiesener Fan anlassloser Überwachung und all der bekannten Instrumente wie Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung, etc., der auch mal mit weiteren bekannten „Argumenten“ um sich wirft wie „Kinderschutz steht jedenfalls über dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung“.
Große Freude.