Gestern hatten wir darüber berichtet, dass die Deutsche Telekom im moment den Spin versucht, eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität würde Internet teurer und langsamer machen und dafür die Niederlande als Beweis heran führte.
Wir hatten Montag Morgen eine Mail mit einer neugierigen Nachfrage bezüglich Fakten an die Telekom-Pressestelle geschickt, die wohl verschüttet gegangen ist. Nach unserem gestrigen Blogpost erhielten wir gestern Abend eine Mail von der Pressestelle mit „Belegen“ für die These.
Und die erstaunte uns sehr: Die Deutsche Telekom schickte uns Artikel aus der Fachpresse, wonach die Mobilfunkanbieter KPN, Vodafone und T-Mobile bei der Ratifizierung des Gesetzes in den Niederlanden aus Protest per Pressemitteilung Preiserhöhungen verkündet haben. Da weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn man als Beweis für einen Spin der Öffentlichkeitsarbeit einen Verweis auf einen anderen Spin erhält, der womöglich nur ein paar Tische weiter in derselben PR-Abteilung, auf jeden Fall im selben Konzern, entstanden ist.
Wir haben trotzdem mal hinterher recherchiert, was da dran ist. Als erstes geht es um die These, ob das Internet langsamer geworden ist. Hier bietet Akamai mit dem „State of the internet“-Report einen Quartals-Vergleich der Durchschnittsgeschwindigkeit unterschiedlicher Länder. Wir haben die Niederlande mal mit Deutschland und als weiteren Vergleichsstaat Belgien hinzugezogen. Was auffällt: Das Internet ist sowohl in den Niederlanden als auch in Belgien schneller als in Deutschland. Es gibt einen kurzen Knick Anfang 2012 in den Niederlanden, der aber genauso in Belgien zu finden ist. Und Belgien hat kein Netzneutralitätsgesetz.
Die Beantwortung der Frage, ob das Internet teurer geworden ist, ist etwas komplizierter. Es gibt Festnetz-Internet und mobiles Internet. Und ganz andere Player als in Deutschland.
Im mobilen Internet haben wir uns die vier Unternehmen XS4ALL, Vodafone, KPN und T-Mobile angeschaut. Große Überraschung: Die Preise bei KPN und Vodafone sind pro Volumen-Paket gleich geblieben, die Geschwindigkeit ist sogar gestiegen!
Am auffälligsten ist die Preispolitik von XS4ALL. Besonders der teuerste Tarif ist im Vergleich zum Jahr 2011 deutlich günstiger geworden. Heute müssen für ein monatlichen Volumen von 2GB 30€ bezahlt werden, wo 2011 noch 39,95€ fällig wurden. Einhergegangen ist diese Preissenkung mit einer Steigerung der angebotenen Geschwindigkeit. Musste man sich 2011 noch mit 768 kbit/s bei einem monatlichen Volumen von 1GB und 1,8 Mbit/s bei 2Gb begnügen, bietet XS4ALL heute 14,4 Mbit/s über beide Tarifmodelle hinweg an. Es muss also festgehalten werden, dass die Preise nicht nur gesunken sind, sondern im Gegenzug die Geschwindigkeiten sogar gestiegen sind – jedenfalls bei XS4ALL. Was machen aber die großen Player in den Niederlanden?
Zu sehen ist, dass die Preise bei Vodafone in den Niederlanden nahezu konstant geblieben sind. Eigentlich wurde jeweils nur auf den nächstgrößeren ganzen Betrag aufgerundet. Was im ersten Moment nach Stagnation klingt sieht schon ein wenig anders aus, wenn man sich die Entwicklung der angebotenen Geschwindigkeiten anguckt. Im Jahr 2011 bot Vodafone über alle Verträge für mobiles Internet hindurch eine Geschwindigkeit von 7,2 Mbit/s im Download an. Heute werden 7,2 Mbit/s nur noch im kleinsten Tarif mit einem monatlichen Volumen von 500MB. Bei einem Volumen von 2GB stehen einem bereits 14,4 Mbit/s zur Verfügung und bei einem Volumen von 7GB stolze 28,8 Mbit/s. Kunden von Vodafone haben also im Gegensatz zu 2011 für den selben Preis eine höhere Leistung bekommen.
Ein ähnliches Bild wie bei Vodafone zeigt sich auch beim niederländischen Provider KPN. So haben sich die Preise für den kleinsten Tarif (500 MB Volumen pro Monat) und den größten Tarif (5GB pro Monat) zwischen 2011 und heute nicht verändert. Der damalige Tarif mit einem Volumen von 2GB zu einem Preis von 30€ ist durch einen neuen Tarif mit einem Volumen von 2,5GB pro Monat ersetzt worden, welcher mit 35€ zu Buche schlägt. Auch hier kann von einer Preissteigerung keine Rede sein. Und auch bei KPN sind die angebotenen Geschwindigkeiten im mobilen Internet seit 2011 gestiegen. Waren es 2011 noch 3,6 Mbit/s im kleinsten Tarif und ansonsten 7,2 Mbit/s, beginnt heute der kleinste Tarif mit 14,4 Mbit/s und der größte endet bei 50 Mbit/s. Auch bei KPN kriegt man heute dementsprechend für das selbe Geld mehr Leistung als noch 2011.
Einziger Beleg für die These „Internet ist teurer geworden“ ist übrigens T-Mobile. Überraschung!
Die Preise bei T-Mobile sind nicht enorm gestiegen, aber doch erkenntlich. Besonders erkenntlich wird dieses im oberen Preisbereich. Hat man 2011 für 50€ noch 15GB an Download-Volumen pro Monat erhalten, sind es heute für 47,50€ nur noch 10GB. Festgehalten werden muss aber, dass T-Mobile ihr Preissystem in den Niederlanden deutlich umgekrempelt hat und die einzelnen Tarife von damals nur schwer mit heutigen zu vergleichen sind. Dennoch ist eine tendenzielle Preissteigerung zu erkennen. Erwähnt werden soll aber dennoch, dass auch bei T-Mobile die angebotenen Geschwindigkeiten im Vergleich zu 2011 gestiegen sind. Mit 14,4 Mbit/s über alle Tarife hinweg liegen sie zwar teils deutlich unter den Geschwindigkeiten anderer Provider, aber ebenso deutlich über den Geschwindigkeiten ihrer 2011er Verträge mit 3,6 Mbit/s (500MB Volumen pro Monat) oder 7,2 Mbit/s (2GB).
Das Internet ist in den Niederlanden teurer und langsamer geworden? Wir sind zwar parteiisch, aber uns fehlen da immer noch die Beweise für diese These. Wenn da nichts mehr kommt, kann man davon ausgehen, dass da nicht soviel dran ist.
Übrigens bietet der Provider KPN in den Niederlanden 500 MBit/s Up- und Download für 88 Euro im Monat inklusive Telefon und digitalem HD-TV. Davon träumen in Deutschland Telekom-Kunden.
Die Niederlande und Deutschland lassen sich schlecht vergleichen, alleine schon wegen der Fläche und den Ballungsräumen. Da die Telekom selber mit diesem Vergleich gekommen ist, habe ich kein Mitleid, dass sie das jetzt ausbaden müssen. Wenn der Telekom wirklich was am Netzausbau in Deutschland liegen würde, würden sie man mit konkreten Zahlen kommen, was ein Anschluß im einzelnen kostet. Also legen, unterhalten und der Traffic. Aber ich habe die Vermutung, wenn die Telekom Zahlen nennen würde, dann wäre die Bundesnetzagentur dazu verpflichtet die Pauschale, die ein Anbieter zahlt wenn er die letzte Meile bei der Telekom mietet, drastisch zu reduzieren.
So ein bisschen (nur ein bisschen) stimmt die Aussage „Das Internet wird langsamer“ schon:
Es geht hier um die „gefühlte“ Geschwindigkeit des einzelnen Anschlusses, nicht auf die durchschnittliche Leistungsfähigkeit der Verbindungen. Klar werden die Leitungen nicht schlechter durch Netzneutralität. Was aber bei den Provider passiert, ist dass zur Zeit bestimmte Dienste gedrosselt werden, um die verfügbare Bandbreite für andere Dienste (z.B. für’s Surfen) zu verbessern.
Fällt das aufgrund der Netzneutralität weg, fühlt sich die Verbindung für den Otto-normal-Anwender langsamer an. Insofern ist etwas Wahres an der Aussage dran.
Um dem entgegenzuwirken müssten die Provider Geld investieren, um ihre Kapazitäten auszubauen. Durch schnellere Leitungen und mehr Bandbreite läuft’s dann auch besser.
Weil sich das dann natürlich auf den Kunden auswirkt, stimmt dann auch „es wird teurer“.
Insofern ist die Aussage nicht ganz verkehrt (auch wenn sie sehr plump ist). Aber nur, weil die Provider im Moment auf der faulen Haut liegen und unseren Traffic einfach beeinflussen, statt weiter auszubauen :(
Übrigens bietet der Provider KPN in den Niederlanden 500 MBit/s Up- und Download für 88 Euro im Monat inklusive Telefon und digitalem HD-TV.
Nur ne‘ Randfrage: Warum stört euch hier nicht, dass mit der Priorisierung von Telephon und Fernsehen die Netzneutralität verletzt wird?
Priorisieren, sprich QoS, ist etwas komplett anderes, als bloßes drosseln gewisser Dienste.
Was man wüsste, wäre man auf dem aktuellen Stand der Diskussion.
Wer sich jenseits der PR der Telekom für Fakten interessiert, der kann feststellen, dass sogar das Gegenteil zutreffen kann: Regulierung von Netzneutralität bedeutet, dass Netzbetreiber nicht Knappheit vermarkten können. Und also gezwungen sind, die bestmögliche Bandbreite zum bestmöglichen Preis an den Endkunden zu verkaufen. Schnelleres Internet zum besseren Preis – dank gesetzlicher Festschreibung der Netzneutralität.
Quelle: Net neutrality and investment incentives, Jay Pil Choi and Byung-Cheol Kim, The RAND Journal of Economics, Vol. 41, No. 3 (Autumn 2010), pp. 446-471
Am besten um auch redlicher als der Gilb zu sein, auch mal die Orginalquelldaten veröffentlichen. Macht sich besser so und es gibt mehr Möglichkeiten für alle. Oder ist dies rechtlich nicht möglich?
Schade, um das ganze abzurunden wäre eine Tabelle der Kundenzahlen interessant gewesen. Hätte mich wirklich interessiert wie die Kunden auf die Preistreiberei der Drosselkom in den NL reagieren.
Selbst wenn dem so wäre, fehlt doch immer noch jeglicher Beleg, dass das Ganze mit dem Festschreiben der Netzneutralität in NL zusammenhängt.