Evgeny Morozov hat heute im Feuilleton der FAZ über das eigentliche Problem, das durch Snowden aufgedeckt wurde, geschrieben: Dass wir Daten als Ware sehen, die – bisher ohne jegliche ethischen und moralischen Überlegungen – frei gehandelt wird. Morozov, der in Belarus geboren wurde und nun in den USA lebt, startet mit der Erkenntnis, dass die USA „Big Data süchtig“ sind und dies auch auf absehbare zeit bleiben werden. Im Laufe des lesenswerten Artikels wirft er dann einige Fragen auf, die die Kurzsichtigkeit der jetzigen Debatte der Politiker entlarvt. Es geht nicht um strengere Gesetze für Geheimdienste, bessere Überwachung der Datenschnüffler und die eigene Cloud für Europa.
Unsere gegenwärtigen Probleme beginnen auf der ideologischen Ebene, nicht bei untauglichen Gesetzen oder unzureichender Kontrolle… Der Umstand, dass alles, selbst unser Körper, mit einem Sensor plus Internetanschluss ausgestattet werden kann, führt letztlich dazu, dass alles kommerzialisiert wird und die beim Gebrauch generierten Daten verkauft werden können. Sensoren und umfassende Konnektivität schaffen neue, flexible Datenmärkte, so dass Selbstüberwachung zu Geld gemacht werden kann.
Dieses Kommerzialisieren der Daten unterstützt letztlich jeder von uns, der Google mit seinen Daten bezahlt, um GMail nutzen zu können. Oder der Kauf eines vergünstigten Amazon Kindle, in dem Werbung eingeblendet werden darf. Um nur zwei Beispiele zu nennen.
Politiker irren, wenn sie glauben, die Kommerzialisierung von Daten durch Gesetze verhindern zu können. Kommerzialisierung geschieht ja nicht gegen die Wünsche der Bürger, sondern, weil sie es so haben wollen. Niemand wird gezwungen, Googles E-Mail und Amazons Kindle zu nutzen.
Morozov, den wir vor einiger Zeit auch im Podcast und der re:publica hatten, zieht hier Vergleiche zur Umweltbewegung, die es im Laufe der Jahre auch geschafft hatte, moralische Überlegungen in einen zuvor völlig rationalen Markt einzubringen. Mittlerweile entscheiden sich Menschen ganz bewusst für das sparsamere Auto, Fair Trade Kaffee, u.ä. nicht, weil es billiger ist, sondern weil sie wissen, dass dahinter auch eine moralische Komponente steht.
Wir brauchen ein schärferes, eindringlicheres Bild von der Datenapokalypse, die uns in einer Welt erwartet, in der persönliche Daten wie Kaffee oder jede andere Ware gehandelt werden.
Letztlich argumentiert Evgeny Morozov völlig richtig, dass Snowden und der „NSA-Skandal“ eigentlich eine viel größere Debatte anstoßen. In einer Welt, in der so vieles messbar und quantifizierbar geworden ist, Informationsflüsse in Echtzeit geschehen und Rechenkraft immer günstiger wird, werden Daten und Informationen als Rohstoff betrachtet. Wir alle produzieren diesen Rohstoff unweigerlich – bisher ohne jegliches Hinterfragen. Das sollte sich vielleicht ändern.
Der Datenkonsum ist, genau wie der Energieverbrauch, eine sehr viel größere Bedrohung für die Demokratie als die NSA.
Danke für die Zusammenfassung des langen originalen Beitrags.
Wenn Big Data die Welt zum Internet der Dinge macht, können wir uns dem Internet körperlich nicht mehr entziehen.
Klar, das Projekt wird durch Konsumverhalten mitfinanziert. Doch da gibt es auch Elena, die digitale Gesundheitskarte, etc. seitens der Regierungen. Auch die Privatisierung des öffentlichen Raums sehe ich kritisch.
Was Morozov sagt, ist, dass das Sichtbarwerden der Verdatunng jeden interessieren muss. Auch, wenn die Vorstellbarkeit vieler Zusammenhänge die Bevölkerung noch nicht erreicht hat.
Sparsamere Autos, Fair Trade Kaffee etc muss übrigens nicht irrational sein. Es kommt viel mehr auf den Betrachtungshorizont an. Langfristig ist nichts mehr rationaler als nachhaltig zu konsumieren/produzieren.
Diskutabel, solange der sparsame Mensch Nachteile (zB. höherer Preis) in Kauf nehmen muß. Darum ist der Gesetzgeber gefragt, um Externalisierung dieser Kosten zu verhindern.
War der Text im Orgninal auf Englisch? Wer kann, sollte das auch im dt. Text verlinkte Orginal(?) lesen, es liest sich etwas besser.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ueberwachung/information-consumerism-the-price-of-hypocrisy-12292374.html
Anosten haben Umwelt- und Datenschutz eine Menge gemeisam, man muss nur sehen das man keine dummen Beispiele nimmt. Verstecke Kosten und Ressourcen Missbrauch sowie Verschleierung sind aber sicherlich ein guter Ansatz.
Ich finde das Thema hätte man mal nach dem NSA Skandal behandeln sollen.
Da versuchen wir gerade die Leute zu verschlüsselten Mails zu bringen, da macht er ein neues Fass auf. Dabei sind die meisten schon von verschlüsselten Mails nicht begeistert, weil sie schon das Überwachungsproblem nicht sehen.
Kleinere Schritte helfen beim Laufen lernen.
Inhaltlich macht er da einen genialen Punkt. Der steht natürlich auch mit der Überwachung in engem Zusammenhang. Aber ich denke, dass vielen Leuten der Grips fehlt, das zu verstehen :( Das macht durchaus Sorge.
@anon: sehe ich ähnlich, wobei im Gegensatz zum Spiegel-Interview der Autor in seiner Einleitung besonders betont hat, dass die Aufarbeitung der Leaks jetzt Priorität hat.
Diese Debatten sind halt längst überfallig, zudem gibt es gerade unüberschaubar viele digitale Entwicklungen, die in den Schlagzeilen sind.
Was die Verschlüsselung betrifft: heute wurde hier veröffentlicht, dass je nach Provider die Mails an bestimmten Zwischenstationen unverschlüsselt weitergeleitet werden. Und dann muss ja auch das Windows-Problem betrachtet werden.. oder nicht?
Das Land heißt auf Deutsch für gewöhnlich Weißrußland ;-)
Eigentlich müsste man doch auf Grund des Copyrights nun die Geheimdienste verklagen können, weil sie ohne Zustimmung des Rechteinhabers Dinge „klauen“… oder?
Oder hat „man“ keine Rechte an selbsterstellten Daten,
selbsterstellt auch wenn diese von Computern erstellt werden oder erhoben bzw. gespeichert,
denn ohne mich könnten solche Computer die persönlichen Daten nicht erheben…
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