Bundesregierung fordert von der EU „steuerliche Anreize“ für die Entwicklung einer europäischen Drohne

Keine Atempause bei der Beschaffung von Militärdrohnen: Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière und sein französischer Amtskollege Jean-Yves Le Drian forderten letzte Woche, die Zulassung unbemannter Flugzeuge europaweit einheitlich zu regeln. Das berichten mehrere Medien mit Bezug auf die Nachrichtenagentur DPA. Frankreich und Deutschland kündigten bereits letzten Herbst an, im Bereich militärisch genutzter Drohnen eng zu kooperieren. Die Absicht wurde vor zehn Tagen erneuert.

Dahinter steckt der mittlerweile nicht mehr verhohlene Wunsch der Bundesregierung, mit der Drohnen-Industrie Israels und der USA Schritt zu halten. Die Rede ist von der neu aufgewärmten Drohne „Future European MALE“ (FEMALE). Für dessen Vorgänger, den früheren „Talarion“, hatte der Rüstungskonzern EADS bereits jahrelang geworben, um endlich mit einer Serienproduktion zu beginnen. Bislang fand sich aber keine Regierung, die eine Abnahme garantieren wollte. EADS kündigte daher vor über einem Jahr an, die Entwicklung einzustellen.

Das war allerdings eine Mogelpackung, denn hinter den Kulissen warb die Firma insbesondere bei der Bundesregierung um zukünftige Käufer. Laut dem Staatssekretär Stéphane Beemelmans habe EADS „sehr intensiv bei uns lobbyiert oder geworben für das Projekt“. Zu den ebenfalls anvisierten Partnern der „Talarion“ gehörten Frankreich, Spanien, Italien und die Türkei. Mit der Firma Turkish Aerospace Industries (TAI), die selbst die Drohne ANKA baut, wurde eine enge Zusammenarbeit mit beträchtlichen Investitionen vereinbart. Die Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens erfolgte in Gegenwart von Staatssekretären beider Länder. In einer darauf folgenden Pressemitteilung bewarb EADS die „Talarion“ zur „Bekämpfung der Piraterie und Kontrolle des Drogenhandels“. Die Drohne sei demnach bestens für den Grenzschutz sowie die „Bewältigung von Umwelt- und Naturkatastrophen“ geeignet.

Mehrere Vier Augen-Gespräche mit dem Verteidigungsminister

Im Untersuchungsausschuss kam nun heraus, dass sich auch der Verteidigungsminister seit geraumer Zeit mit dem FEMALE befasst. Letztes Jahr warb de Maizière, „eine europäische Drohne zu entwickeln, die hoffentlich in den Jahren nach 2020 auch einsatzfähig verfügbar ist“. Mehrfach traf sich der Minister mit den Vorstandsvorsitzenden von EADS und deren Ableger Cassidian. Stets sei es darum gegangen, der noch zu entwickelnden europäischen Drohne den Weg zu ebnen. Zu einem Vier Augen-Gespräch von de Maizière und Cassidian-Chef Bernhard Gerwert berichtete der Staatssekretär Beemelmans im Untersuchungsausschuss:

Das Hauptthema war überhaupt: Wie kann man ein European MALE realisieren? Was heißt das in Richtung der Budgetzwänge? Was heißt das in Richtung der Entwicklungszeiträume? Was heißt das in Richtung potenzieller Partner? Das war der Hauptpunkt.

Mittlerweile ist das FEMALE sogar im Rennen, um die US-Drohne „Euro Hawk“ (den Träger des Signalerfassungssystems ISIS) durch ein europäisches Produkt zu ersetzen. Damit drängt sich auf, dass der Verzicht auf den „Euro Hawk“ die Folge einer erfolgreichen Lobbypolitik von EADS gewesen ist. Das Verhältnis der in der „Euro Hawk“ zusammengeschlossenen Firmen EADS und Northrop Grumman galt ohnehin als „zerrüttet“. Das war bei der Bundeswehr scheinbar weit früher bekannt als im Verteidigungsministerium. Darauf jedenfalls lassen Vermerke aus den Akten schließen, die im Untersuchungsausschuss vorgetragen wurden. Denn vor über einem Jahr gab das Militär eine Studie in Auftrag, um alternative Trägersysteme für das ISIS zu suchen. Obwohl die EADS-Drohne nicht in Ansätzen existiert, wurde sie in der Studie berücksichtigt und gelangte unter die drei besten Alternativen.

Vorteilhaft sei laut der für die Studie verantwortlichen Firma IABG, dass eine Zulassung für den zivilen Luftraum bereits zu Beginn der Entwicklung des FEMALE berücksichtigt würde. Die entsprechenden Teile der Studie durfte Cassidian allerdings selbst schreiben, der Konzern erhielt dafür einen „Unterauftrag“ von der IABG.

Grüne und SPD: Spionagesystem ISIS mit anderem Träger in die Luft befördern

Die jetzige Initiative der deutschen und französischen Außenminister richtet sich an das Treffen des Europäischen Rates im Dezember. Unterzeichnet wurde das Schreiben auch von Außenminister Guido Westerwelle und seinem französischen Kollegen, Laurent Fabius. Die Rede ist von „steuerlichen Anreizen“, also Finanzspritzen für die Hersteller. Um welche es sich dabei handelt, ist derzeit nebulös. EADS meldete jedenfalls, die Firmen Dassault Aviation (Frankreich) und Alenia Aermacchi (Italien) als Partner gewonnen zu haben.

Laut eigener Aussage im Untersuchungsausschuss hatte sich der deutsche Verteidigungsminister schon früher mit Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien und den USA zur Entwicklung einer europäischen Drohne getroffen. Gespräche führte er überdies mit der Europäischen Verteidigungsagentur, dem Auswärtigen Dienst und der EU-Kommission. Im Ergebnis kündigte die EU an, Fragen der luftfahrtrechtlichen Zulassung zivil und militärisch genutzter Drohnen zukünftig gemeinsam zu betreiben.

Auch in Deutschland mündete die zivil-militärische Nutzung des Luftraums in eine Neuordnung des Zulassungswesens: Als Ausweg aus dem Drohnen-Skandal vom Frühjahr befahl de Maizière die Einrichtung einer militärischen Luftfahrtbehörde, die eng mit ihrem zivilen Pendant zusammenarbeiten soll.

VerteidigungspolitikerInnen von SPD und Bündnis 90 wollen inzwischen einen raschen Ersatz für den „Euro Hawk“, um das Spionagesystem ISIS möglichst bald in die Luft zu schicken. Das melden die Berliner Zeitung und die Frankfurter Rundschau in ihrem gemeinsamen Mantel. Die Abgeordneten Hans-Peter Bartels und Katja Keul fordern, das Verteidigungsministerium solle „auf bestehende Fluggeräte setzen“ und sich „davon verabschieden, immer nur das Modernste haben zu wollen“.

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1 Ergänzungen

  1. Ich schätzte, dass es mind 15 bis 20 Jahre dauert, bis unbemannte Flugzeuge überhaupt für den regulären Betrieb über Europa genehmigt werden können. So lange dauert das halt, bis alles sicher geklärt ist. Ist vergleichbar mit unbemannten Autos, bei LKWs zB wäre das ein großer Vorteil, wenn der Fahrer das von der Zentrale aus lenken könnte, kann sich aber heute niemand vorstellen, unbemannte Flugzeuge sind da noch heikler. Die Kosten für die Entwicklung des Verfahrens für eine reguläre Zulassung unbemannter Flugzeuge werden sich sicher im vielstelligen Milliardenbereich bewegen.

    Also, mit einer Zulassung ist noch lange nicht zu rechnen, daher kann man die Vermutung, das Argument mit der fehlenden regulären Zulassung des Eurohawks sei nur vorgeschoben, unterstreichen.

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