Indien baut mit einem gewaltigem Aufwand eine Datenbank, um alle 1,2 Milliarden Einwohner zu identifizieren. Jede Person im zweitbevölkerungsreichsten Land der Erde soll drei verschiedene biometrische Merkmale abgeben und eine eindeutige Nummer bekommen. Datenschützer kritisieren das Mammut-Projekt.
Melderegister und Identifikationsnummer
Genauer gesagt gibt es zwei Initiativen: Das nationale Melderegister (National Population Register, NPR) und die eindeutige Identifikationsnummer Aadhaar (Unique Identification Authority number, UID).
Das Melderegister ist Teil der aktuellen Volkszählung in Indien. Alle in Indien lebenden Menschen, also auch Ausländer, müssen sich dafür registrieren lassen. Parallel dazu soll jeder Bürger eine 12-stellige eindeutige Identifikationsnummer erhalten. Neben ein paar personenbezogenen Daten (Name, Adresse, Geschlecht) sollen drei biometrische Merkmale vermessen werden: Gesichtsbild, Fingerabdrücke und Iris. Diese Daten werden, verknüpft mit der eindeutigen Nummer, in einer zentralen staatlichen Datenbank gespeichert. Die beiden Datenbanken konkurrieren miteinander, werden aber im Endeffekt zusammen geführt.
Dafür wird ein gewaltiger Aufwand betrieben. 36.000 Registrierungsstellen sind aktiv dabei, die Daten zu erheben. In weniger als einem Jahr sind bereits 170 Millionen Menschen erfasst worden, bis 2017 sollen alle 1,2 Milliarden Menschen in der Datenbank sein. Also jeder siebte Mensch auf der Erde.
Insgesamt sollen irgendwo zwischen 2,6 und 21,7 Milliarden Euro ausgegeben werden.
Begründung: Sozialhilfe und Terrorismus
Tatsächlich gibt es in Indien viele Menschen, die kein Ausweisdokument besitzen. Das bringt Probleme bei Polizeikontrollen und Bewerbungen. Daher freuen sich manche Menschen über die Ausweiskarte, die man im Gegenzug erhält. Auch der Zugang zu einem Bankkonto soll damit vereinfacht werden, womit Menschen einfacher Kredite und Sozialleistungen erhalten können. Aus diesen Gründen wird die vor allem die soziale Perspektive des E-Government-Projekts gepriesen.
Auf der anderen Seite soll damit aber auch die illegale Einwanderung bekämpft werden. Und natürlich der Terrorismus. So kam die Idee im letzten Indisch-Pakistanischen Krieg 1999 auf. Seit den Anschlägen in Mumbai 2008 werden die Daten endgültig auch für die „nationale Sicherheit“ verwendet.
Kritik
In letzter Zeit wird vermehrt Kritik am Projekt geäußert. Professor Ram Ramakumar bemängelt:
- Das Projekt verletzt zwangsläufig die Privatsphäre und die bürgerlichen Freiheiten der Menschen.
- Biometrische Daten in einer Datenbank mit über einer Milliarde Einträge werden zu viele Fehler produzieren, da sie nicht eindeutig sind. Zudem ist die Qualität der Fingerabdrücke in Indien nicht erforscht genug.
- Es gab bisher keine Kosten-Nutzen-Analyse oder Machbarkeitsstudie für das Projekt.
- Die angeblichen Vorteile des Projekts sind weitgehend illusorisch.
Damit erinnern diese Punkte sehr an die Einführung des Fingerabdrucks im Reisepass hierzulande.
Die Arbeit, die der CCC damals hier leistete, hat nun das Centre for Internet and Society (CIS) in Bangalore gemacht. In einer Serie an offenen Briefen wurden der biometrische Standard, Finanzen und Sicherheit, zusätzliche Kosten, Fehler im Design, Datenübertragung und Deduplizierung auseinander genommen. Sunil Abraham vom CIS führt weiterhin aus, dass biometrische Daten nicht erneuert werden können, wenn sie einmal kompromittiert sind. Was auch unbemerkt passieren kann.
Rebecca Bowe von der EFF weist darauf hin, dass Indien noch gar kein Datenschutzgesetz hat. Die Schriftstellerin und Aktivistin bezeichnet das ganze Projekt gleich als „ein administratives Werkzeug in den Händen eines Polizeistaats.“
und wir haben Angst das der Mist bei uns zuerst passiert.
Dann warten wir mal auf die Meldungen „Ja wieso….die in Indien haben das doch auch und das klappt da hervorragend“
Bin schon gespannt auf die ersten Pannen und Whistleblower.
Interessant, dass das jetzt Thema wird. Als ich zum Start von Aadhaar darüber berichtete, fanden es viele Leser obskur, das Thema. Dabei war es schon 2010 das größte Biometrie-Projekt der Welt
http://heise.de/-1083721
Zumindest Aadhaar läuft ziemlich reibungslos seitdem, das räumen auch die Kritiker von Niradhaar ein. Eine Kosten/Nutzen-Analyse hat es aber nie gegeben. –Detlef
Nach „Bollywood“ der nächste Exportschlager aus Indien. Vielleicht kann man die Darsteller dazu bewegen, werbewirksam singend und tanzend ihre Daten abzugeben? Dazu kleine Biomemtrie-Gadgets als Merchandise. Here’s my finger, here’s my face. Blink, dudel, alles nicht so schlimm.
Ist doch toll, die Daten der Geischtserkennung kann man dann mit allen Digitalen Überwachungskameras vernetzen und dann kann man das Verhalten von Personen und deren Bewegungen jederzeit ganz genau tracken.
Nie mehr Anonym !
Zumindest Aadhaar läuft ziemlich reibungslos seitdem, das räumen auch die Kritiker von Niradhaar ein.