Gestern Abend lud der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco zum „polITalk“ in Berlin. Es ging um die „Digitale Mentalität“, Geschäftsmodelle im Internet und digitale Inhalte als Kultur- und Wirtschaftsgut in Deutschland und Europa. Die Diskussion verlief durchaus kontrovers.
Lawrence Lessig schreibt in seinem großartigen Buch „The Future of Ideas“, „The commitment of a society open to innovation must be to let the old die young.“ Dieser Satz hätte als Motto für die Diskussion dienen können, die damit begann, dass Hergen Wöbken vom Institut für Strategieentwicklung in seinem Impulsreferat feststellte: „Die wenigsten alten Geschäftsmodelle sind eins zu eins auf das Netz zu übertragen“.
Während Wöbken darauf hinwies, dass das Internet „in fast allen Bereichen der Wertschöpfungskette“ einen Vorteil biete, klagte Silke Springensguth, bei DuMont zuständig für das Internetgeschäft: „Wir kämpfen im Internet mit ganz großen Problemen.“ Denn Nachrichten im Internet lesen sei nicht illegal – sondern ganz normal. Den Verlagen fehle es so an Einnahmequellen.
Die Klage ist altbekannt: „Das Internet ist nicht für lau, aber die, die die Inhalte erstellen, verdienen nichts.“ Bezahlen würden die Kunden für die Transportwege, daher müsse man sich anschauen, wie man auf dem Weg zum Konsumenten Geld verdienen können. Diese Haltung der Verlage, sich „an jemanden dranzuknüpfen“, kritisierte Johnny Haeusler von Spreeblick dagegen vehement: Mal sei es Google, dass ja ohne die Inhalte der Verlage kein Geld verdienen könne, mal die Provider. Springensguth widersprach allerdings: Man wolle nicht von den Providern Geld erhalten.
Dass es aber durchaus Begehrlichkeiten mit Blick auf die Internetanbieter gibt, wurde später deutlich. Christian Sommer von Warner Bros. erklärte, wenn man von neuen Geschäftsmodellen wie Video-on-Demand rede, müsse man auch auf das Thema Netzneutralität zu sprechen kommen. Die Netzkapazität sei schließlich beschränkt.
Dieser recht unverhohlene Versuch, Stimmung gegen Netzneutralität zu machen, wurde allerdings gleich abgeschmettert: Johnny Haeusler verwies darauf, dass sich Anfang der ’90er Anbieter wie AOL und Compuserve öffnen musste. Er warnte davor, jetzt wieder in Zeiten beschränkten Zugangs zurückzuverfallen: „Wenn wir anfangen, Internet für Arme und für Reiche anzubieten, kriegen wir richtige Probleme.“ Und Rudolf W. Strohmeier, Kabinettchef der EU-Komissarin Viviane Reding, versicherte: Die Diskussion in Europa werde in die andere Richtung gehen. Es werde eher öffentliche Mittel für den Netzausbau geben.
Strohmeier hatte sich schon vorher klar dagegen gewandt, alte Geschäftsmodelle zu schützen. So kritisierte er, Raubkopieren als Diebstahl zu bezeichnen sei juristisch nachvollziehbar, aus politischer Sicht aber „Unsinn“. Denn ein bestimmtes Verhalten sei Ausdruck bestimmter Geschäftsmodelle: „Ein wesentlicher Teil dieses Phänomens liegt darin begründet, dass ein Großteil der Geschäftsmodelle im Medienbereich heute veraltet sind.“
Darin erhielt er Schützenhilfe von Peter von Ondarza, Managing Director bei CLA, einer „Content Lizenz Agentur“. Das Unternehmen bietet Services rund um die Lizenzierung von Filmen für Video-on-Demand. Von Ondarza klagt, Anbieter von Video-on-Demand kämen gar nicht an Inhalte. Die Folge sei, das die Endkunden überhaupt kein Angebot an Filmen im legalen Bereich hätten.
Es sei gar nicht primär die Angst vor Raubkopien, die dazu geführt habe. Vielmehr habe man sich das „gute alte Geschäft mit der DVD“ nicht kaputt machen wollen. „Die Geschädigten der Raubkopien im Filmbereich sind die Mitverursacher“, warf von Ondarza daher den Medienkonzernen vor.
Johnny Haeusler blies ins selbe Horn – und lobte, dass er nun erstmals via iTunes legal einen Film ausleihen könne: „Es hat 10, 15 Jahre gedauert, bis Firmen mal anfangen mir was zu bieten, wo ich bezahlen kann!“ Haeusler sieht auch bei den Musiklabels eine Neupositionierung. Die hätten bisher das Problem gehabt, dass sie nur an dem Verkauf von Tonträgern verdienten, nicht aber an Konzerten. Wegbrechende CD-Verkäufe stellen da ein Problem dar. Jetzt hätten die Labels begriffen, dass sie eigentlich Künstleragenturen seien.
Weniger bereit, sich von alten Geschäftsmodellen zu lösen, schien dagegen Frau Springensguth von DuMont: Irgendwann werde man wieder dahin zurückkommen, dass der Kunde sich zurücklehnen und das Vertrauen haben wolle, dass stimmt, was da steht. Dieser Lobgesang auf den „Qualitätsjournalismus“ wurde von Johnny Haeusler entsprechend gekontert: „Diese Mär von dem Journalisten, bei dem immer alles wahr ist, ist eine Lüge“.
In Deutschland gehört der Kulturstaatssektretär Bernd Neumann zu denen, die das Geschäftsmodell der Zeitungen auf Biegen und Brechen erhalten wollen. Rudolf Strohmeier erregte sich allerdings über dessen „kulturelle“ Argumentation: Der Punkt sei ein ökonomischer. Wenn bestimmte Geschäftsmodelle veraltet seien, müsse man die Frage stellen, ob bisherige rechtliche Rahmen noch angemessen seien.
Die Debatte um Google Books habe gezeigt, dass das nicht mehr der Fall sei. Viviane Reding setze sich daher für Rechtsvereinheitlichungen auf europäischer Ebene ein. „Bottlenecks“ müssten dabei beseitigt werden. Das könne allerdings „die Dimension eines kleinen Kulturkampfes“ annehmen, „weil die Contentindustrie sich an ihre alten Geschäftsmodelle klammert“.
Nur weil man über Rechte redet, die sich historisch entwickelt haben, könne man nicht von der Schaffung einer Balance zwischen verschiedenen Interessen absehen. Die Diskussion darüber sei leider im Europäischen Parlament stärker vorhanden als auf nationaler Ebene, „weil die Beharrungskräfte der Festhaltenden die Diskussion dominieren“. Strohmeier richtete deshalb einen eindringlichen Appell an die Anwesenden: „Wir müssen alle anhören und nicht bloß die, die am lautesten schreien!“
Lawrence Lessig hat vor kurzem diese äußerst interessante Präsentation veröffentlicht (englisch):
‚It is About Time: Getting Our Values Around Copyright‘
http://blip.tv/file/2827842
Enjoy!
Niemand zwingt DuMont, seine Inhalte im Netz zu veröffentlichen.
Wenn sie das Spiel nicht kennen, sollen sie die Finger davon lassen.