Wikipedia in Grossbritanien zensiert

Die praktische Anwendung von Internet-Filtern im Kampf gegen Kinderpornographie kann man gerade wieder in Grossbritanien bewundern. Dort wurde die Wikipedia Opfer eines Kollateralschadens. Schuld sind die Scorpions, die 1976 ein Album-Cover veröffentlichten, was ein fast nackte junge Frau zeigte. Nun könnte man meinen, das ist lange her. Allerdings gibt es das Album-Cover im dazugehörigen Scorpions-Artikel zu betrachten. Und so landete die Wikipedia irgendwie auf einer Blacklist der Internet Watch Foundation, die 95% der britischen ISPs nutzen. Eigentlich sollte nur das Bild zensiert werden, aber das gibt es immer noch in Grossbritanien zu sehen. Durch die Verwendung eines Proxy-Servers fiel allerdings die ganze Wikipedia in das Raster und damit aus dem Netz der britischen Provider Virgin Media, Be/O2/Telefonica, EasyNet/UK Online, PlusNet, Demon und TalkTalk (Opal Telecom).

Nun bleibt die große Frage: Wann wird Amazon.com zensiert, wo laut Guardian das Album-Cover immer noch zu sehen ist: Amazon US under threat as internet watchdog reconsiders Scorpions censorship.

Bei Rabenhorst gibts schon den passenden Kommentar: Die Wikipedia trifft auf die Net Nannies.

Der Punkt ist, dass man sich nicht nur darüber streiten kann, wo die nötige Bekämpfung von Kinderpornografie (oder Terrorismus) anfängt und aufzuhören hat, was bereits mit der Frage beginnt, was alles als „terroristisch“ oder „kinderpornografisch“ zu definieren ist, sondern dass man es mit nicht transparenten Konstellation aus Herstellern für Filterprogramme und -listen, sich selbst kontrollierenden oder unter staatlichem Einfluß stehenden Internetkontrollinstanzen und Providern zu tun hat, die von ihren Kunden unbemerkt oder nicht nachvollziehbar den Zugang zu Informationen steuern und blockieren.

Die Pressemitteilung der Wikimedia Foundation findet sich hier: Censorship in the United Kingdom disenfranchises tens of thousands of Wikipedia editors.

“We have no reason to believe the article, or the image contained in the article, has been held to be illegal in any jurisdiction anywhere in the world,” said the Wikimedia Foundation’s General Counsel, Mike Godwin. “We believe it’s worth noting that the image is currently visible on Amazon, where the album can be freely purchased by UK residents. It is available on thousands of websites that are accessible to the UK public.” “The IWF didn’t just block the image; it blocked access to the article itself, which discusses the image in a neutral, encyclopedic fashion,” said Sue Gardner, Executive Director of the Wikimedia Foundation. “The IWF says its goal is to protect UK citizens, but I can’t see how this action helps to achieve that – and meanwhile, it deprives UK internet users of the ability to access information which should be freely available to everyone. I urge the IWF to remove Wikipedia from its blacklist.”

Eine FAQ der Wikimedia Foundation beantwortet die wichtigsten Fragen und Antworten.

BoingBoing hat ein FlowChart
, was zeigt, wie die Internetfilterung in Grossbritanien funktioniert.

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