Schäuble vs. Hirsch vs. Zypries

Wolfgang Schäuble gab dem Handelsblatt ein Interview zum Bürgerrechtsabbau: „Fingerabdrücke auch bei Passämtern hinterlegen“.

Wo sind denn die Grenzen?

Die Grenzen gibt die Verfassung vor. Kein Mensch will die Verfassung verletzen. Es muss auch klar sein, dass solche Informationen auch nur dann verwertet werden dürfen, wenn sie ein Richter daraufhin vorher überprüft hat, ob sie nicht den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung verletzen . An der Umsetzung dieser Vorgaben arbeiten wir jetzt und die Aufregung darüber ist völlig aufgeblasen. Der Verfassungsstaat hat eben die Aufgabe den Bürgern im Rahmen der Gesetze Sicherheit zu leisten.
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Können sie die Kritik nachvollziehen, dass sich die Innenminister immer mehr Kontrollmöglichkeiten zu Lasten der Bürgerrechte verschaffen?

Diese Sicht ist naiv. Den schlimmsten Angriff auf die Persönlichkeitsrechte erfährt man durch einen Anschlag gegen Leib und Leben, oder wenn jemand die Daten und die Identität eines unbescholtenen Bürgers für kriminelle Zwecke missbraucht. Es ist doch meine Aufgabe, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen. Die große Mehrheit der Bevölkerung sieht das übrigens auch so.

Ich sehe das nicht so und bin wohl auch tierisch naiv. Der ehemalige Innenminister Burkhard Hirsch sieht das auch nicht so und ist dann auch naiv. Er schreibt heute in der SZ, dass „Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Rechtsordnung dieses Landes verteidigen will, indem er sie abschafft“. Der Artikel heisst „Der Staat als Herrschaftsmaschine“ und kommt hoffentlich nochist online.

Die Zeit freundlicher Kritik und ständiger Mahnung, bei der Terrorismusbekämpfung Augenmaß zu wahren, geht zu Ende. Nun ist Widerstand geboten. Unter der neuen „Sicherheitsarchitektur“, die der Innenminister Schäuble plant, verbirgt sich die Verwandlung der Bundesrepublik in einen Überwachungsstaat.

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Egon Bahr hat geschrieben, Staatsräson gehe vor Menschenwürde. Das ist falsch. Ohne Achtung vor der Menschenwürde verliert der Staat jede Räson. Er wird zur Herrschaftsmaschine, die man fürchten muss, aber nicht mehr achten kann. Wir, die Bürger dieses Landes, haben Anspruch auf ein Parlament, das der Regierung nicht blindlings gehorcht, sondern sie kontrolliert. Wir haben Anspruch darauf, dass unsere Verfassung nicht als Steinbruch zur gefälligen Benutzung freigegeben und nur ihre Belastbarkeit erprobt wird, anstatt sie zu verteidigen und zu achten. Wir haben Anspruch darauf, dass unsere Repräsentanten begreifen: Sie sind keine Obrigkeit, die das Recht hätte, uns in bester Absicht zu entmündigen. Wir erwarten von den Mitgliedern der Bundesregierung, dass sie in derselben Weise Haltung, Verstand und Augenmaß bewahren, wie die Richter des Bundesverfassungsgerichts es gezeigt haben. Unsere Bürgerrechte sind kein lästiger Bremsklotz, sondern der Kern unserer Rechtsordnung. Die Stärke eines Staates besteht nicht darin, dass der Bürger ihn fürchtet, sondern dass er ihn als seinen Staat begreift und darum bereit ist, in ihm Verantwortung zu übernehmen und ihn zu verteidigen. Niemand wird einen Staat achten und verteidigen, der ihn als potentiellen Straftäter behandelt. Wir, die wir so denken, lassen uns nicht als liberale Restposten aus diesem Staat von denen herausdrängen, die ihre Sicherheit mit unserer Freiheit bezahlen wollen. „Man bekämpft die Feinde des Rechtsstaats nicht mit dessen Abbau, und man verteidigt die Freiheit nicht mit deren Einschränkung“, hieß es in einem Aufruf der Humanistischen Union von 1978. So ist es, und so bleibt es.

Brigitte Zypries verweist dann auch darauf, dass Schäuble etwas zuw eit geht. Mal schauen, ob das der Wiefelpütz von der SPD auch so sieht.

Spiegel-Online: Zypries weist Schäuble in die Schranken.

Man solle den Menschen nicht „vorgaukeln, dass es diesen absoluten Schutz doch geben könnte, wenn man nur immer weiter die Gesetze verschärfe“. Zugleich wies sie Schäuble in die Schranken. „Die akustische Wohnraumüberwachung zur Strafverfolgung fällt in meine Zuständigkeit und nicht in die des Bundesinnenministeriums.“ Zypries sieht keinen Grund, die bestehenden Möglichkeiten zur Wohnraumüberwachung zu erweitern. Die Nutzung von gespeicherten Fingerabdrücken aller Bundesbürger zur Gefahrenabwehr wäre aus ihrer Sicht „verfassungsrechtlich höchst bedenklich“. Sie warnte davor, „öffentlich Debatten zu führen, die den Menschen Angst machen und die in die Irre führen“.

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