Dem geschätzten Kollegen Stefan Tomik ist bei seinem Stück über die Defizite bei der Löschung kinderpornographischer Angebote in Internet (netzpolitik.org berichtete) ein unschöner Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Tomik schrieb am Sonntag in der FAS:
Seit Anfang Juni leitet das BKA seine Hinweise auf Kinderpornos im Ausland auch an Inhope weiter. Trotzdem zeigt eine interne Statistik, dass im Juni noch 65 Prozent der Seiten nach einer Woche online waren, im Juli 63 Prozent. Deshalb hält das BKA Internetsperren weiterhin für nötig.
Richtig ist, dass im Juli 63 Prozent der vom BKA gemeldeten Inhalte gelöscht werden konnten. Heise Online bestätigt heute, was Christian Rath bereits am Montag bei der taz schrieb:
Die FAZ* meldete gar, dass im Juli sogar 63 Prozent der gemeldeten Kinderpornoseiten nach einer Woche noch verfügbar waren. Die Zahl sei aber falsch, heißt es aus Regierungskreisen. Tatsächlich seien 63 Prozent der Seiten gelöscht gewesen […]
Moment, bedeutet das nicht, dass die Zusammenarbeit mit INHOPE zu einer schlagartigen Verbesserung der Erfolgsquote geführt hat? Sorry, nein. Das geben die Zahlen einfach nicht her.
Im Gegensatz zu Heise Online, wo man dem BKA einen „wachsenden Erfolg beim Löschen von Kinderpornos“ attestiert, oder bei Christian Rath, der die Löschquote als konstant bezeichnet, bin ich der Meinung, dass die „internen Zahlen“ des BKA bestenfalls Momentaufnahmen sind.
Werfen wir dazu kurz einen Blick auf eine Tabelle aus der „internen Studie“, die Anfang Juli der Bundesregierung präsentiert wurde:
Wir sehen, dass die „Erfolgsquote“ und die Zahl der Mitteilungen stark schwanken (Ja, einen Milliardenmarkt hatte ich mir auch anders vorgestellt). Konnte das BKA im Januar bei überraschenden 86% der Fälle eine erfolgreiche Löschung verbuchen, waren im März nach einer Woche noch 70% der (weiter-)gemeldeten Inhalte online. Abgesehen von April und Mai – mit einer Erfolgsquote um 60% – sind Sprünge um 30 Prozentpunkte von einem Monat auf den anderen der Regelfall.
Hinzu kommen stetige Veränderungen beim Reporting/Meldeverfahren (Eine direkte Weiterleitung an die Hotlinenetze n von NCMEC/INHOPE wurde zum Teil erst im Mai/Juni diesen Jahres etabliert, s.a. Tomik). Wenn man dann noch bedenkt, dass allein der Weg durch die behördlichen Hierarchien schon bis zu einer Woche dauert, könnte man eigentlich auch gleich würfeln.
Oder, um es mit den Worten des BKA zu sagen:
Die festgestellten Werte sind angesichts des Umstandes, dass die Evaluation auf einen Zeitraum von einem Jahr angesetzt ist, vorläufiger Natur.
*FAZ, FAS, FAZ.net? Eigentlich ist das gar nicht so kompliziert. Das eine ist die Tageszeitung (FAZ), das andere ist die Sonntagszeitung (FAS). Und dann gibt es noch das FAZ.net, die Onliner (Wenn Stefan Krempl bei Heise von der FASZ schreibt, meint er die FAS). Stefan Tomik z.B. war bis vor kurzem Onliner und ist im Juli zur Sonntagszeitung gewechselt. Trotz gemeinsamer Nutzung redaktioneller Ressourcen, wie die Wikipedia so schön schreibt, sind die drei Säulen weitgehend eigenständig.
„Im Gegensatz zu Heise Online, wo man dem BKA einen “wachsenden Erfolg beim Löschen von Kinderpornos” attestiert, oder bei Christian Rath, der die Löschquote als konstant bezeichnet, bin ich der Meinung, dass die “internen Zahlen” des BKA bestenfalls Momentaufnahmen sind.“
ist das jetzt wichtig, oder ist es nicht wichtiger zu erwähnen, dass qualitätsjournalist tomik msit verzapft?
@Jorokide: Ja. Ohne oder.
Es macht wenig Sinn, aus den BKA-Zahlen eine Entwicklung abzuleiten. Christian Rath und Stefan Krempl bleiben trotzdem Kollegen, die ich sehr schätze.
@Jörg-Olaf Schäfers
das kann ich nachvollziehen.
trotzdem ist der gute herr tomik ja nun schon öfters aufgefallen mit seiner vehementen zensur-verteidung und -forderung.
dagegen wehre ich micht. ganz einfach. wenn ich so etwas aber als journalist mit falschen daten publiziere, braucht sich niemand wundern, wenn demjenigen an den karren gepisst wird.
was ich hiermit getan hab. punkt.
Bitte weist doch nochmal eindeutiger darauf hin das das gute BKA die Zusammenarbeit erst im Mai gestartet hat. Das hat Frau Leutheusser-Schnarrenberger ja in diesem Interview zugegeben: http://www.netzpolitik.org/2010/bka-fordert-weiter-netzzensur/
Da wäre sicherlich noch wesentlich mehr möglich — wenn das BKA denn Interesse daran hätte. Wer Jahrelang praktisch NICHTS tut, dann jammert das er dringend mehr orwellsche Gesetze braucht, ist dann natürlich nicht gerade daran interessiert tolle Zahlen zu präsentieren. Dann gibts ja kein neues Spielzeug.
Auch hier sei auf die Erfolge der Banken wenn es um Phishing geht veriewsen.
Das heisst also, dass die Zahl „Verfügbarkeit nach einer Woche“ die gelöschten Sites bezeichnet?
Und ganz egal, ob man Trends ableiten kann oder nicht… Wenn die Anzahl der verfügbaren Seiten nach einer Woche über 10% bzw. die Anzahl der gelöschten Seiten unter 90% liegt, wird irgendwas falsch gemacht. Und das ist in jedem Monat der Fall.
Hier werden doch offenen Auges versucht, die eckigen Bauklötzchen durch das runde Loch zu hämmern. Das ist Versagen auf ganzer Linie, da muss sich dringend was ändern! Sonst stellen sich bald alle hin und sagen: „Löschen klappt nicht, her mit der Zensur“
@Felix: Darüber, dass noch wesentlich mehr möglich ist, sind wir uns vermutlich einig. Ansonsten ist das Thema durchaus komplex.
Die von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger angesprochene Zusammenarbeit betrifft NCMEC (eine Organisation, die als belastbare Quelle auch nur bedingt taugt), nicht die Kooperation mit den USA generell (Über deren Qualität wir nur wenig wissen).
Ebenso überraschend fand ich den Hinweis, dass INHOPE erst seit Juni Meldungen via jugendschutz.net erhalte, obwohl es bereits seit 2007 eine Kooperation mit „Hotlines“ (Ja mei, gibt es da noch andere? Und nun komm‘ mir bitte keine mit Naiin und Co) und der BPjM geben soll …
Ich hätte vermutlich sogar gewettet, dass man spätestens seit 2000/2001 miteinander spricht …
Kurz: Wenn ich sowas behaupte, muss ich es belegen können. Grundsätzlich ist das aber ein schönes Thema für eine kleine Anfrage o.ä. – Mal schauen, was da geht.
Wie auch immer, heute in 2 Wochen gibt ein Update ,)
@_Flin_ #5
„Das ist Versagen auf ganzer Linie, da muss sich dringend was ändern! Sonst stellen sich bald alle hin und sagen: “Löschen klappt nicht, her mit der Zensur”“
Genau dies beabsichtigen Tomik, Uhl und Konsorten (fast auschließlich der CDU/CSU- Fraktion angehörend) mit ihren Artikeln/ Pressemitteilungen, die die Realität nach ihren Wünschen auslegen und von der eigentlichen Problematik ablenken. Wer da nicht ausreichend tief in die Thematik eingearbeitet ist, kann sich so schnell vom falschen Weg überzeugen lassen:
http://guedesweiler.wordpress.com/2010/08/17/sommerloch-2010/
Was ich nicht verstehe: in den relevanten Ländern wie den USA, Holland oder gar Schweden ist die KiPo verboten. Da klemmt sicher eine ganz andere Säge. Das BKA sollte doch sogar eine anonyme Anzeige in diesen Ländern den Staatsanwaltschaften dort zukommen lassen können, die MÜSSTEN dann automatisch tätig werden. Oder nicht?
Felix‘ Schlussfolgerung drängt sich auch mir förmlich auf: man torpediert den möglichen Erfolg aus taktischen Gründen.
@_Flin_: Ich kürze mal ab: Ja, das Problem ist der Dienstweg. Immer noch. Ich bin gespannt, ob sich die Kooperationsvereinbarungen mit INHOPE und die INHOPE internen Verbesserungen sich als Trend in der Statistik niederschlagen. Um entsprechende Aussagen treffen zu können, bräuchte es aber eine deutlich differenziertere Evaluation.
Wenn das ineffizient gehandhabt wird, dann hat das den Anschein, als sei dem BKA das Löschen von Missbrauchsbildern im Internet weniger wichtig als das hoheitliche Tätigwerden und die Befolgung bürokratischer Vorgaben (wenn man mal die Verschwörungstheorien weglässt, die sich einem hier aber förmlich aufdrängen).
Eine reine Information an die Provider darf ja lt. wissenschaftlichem Dienst des Bundestages auf erfolgen.
Eine Evaluation ohne das Werkzeug Informationmail an Provider zu evaluieren ist allerdings nur ein schlechter Scherz.
Oder sollen da 25-jährige in Uniform mit Stoffhäschen im Arm gelöscht werden?
@_Flin_ #5
richtig, so sehe ich es auch.
hinzu kommt, dass ich dem hugenotten im innenministerium, wie der gesamten partei, keinen mm über den weg traue.
der wird bald seine „kaffekränzchen mit netzaktiviste“-maske fallen lassen und 4% schanrrenberger gründlch über den tisch ziehen.
da kommt noch einiges. herr vosskuhle sollte sich schon mal warmlesen.
„Zuammenarbeit mit Organisationen“.
Es ist ein Armutszeugnis für das BKA, dass es nicht in der Lage scheint, schlicht Abuse-Complaints zu verschicken, bevor man die grosse Keule rausholt und den politischen Weg beschreitet.
Tomiks Zensur-Werbeartikel sind da nur noch das Abschlusssteinchen in der Mischung aus Dummheit und Machtgeilheit.
Oft sind die beiden Motive ja kaum auseinanderzuhalten.
Viele Grüsse,
VB.
„Oder sollen da 25-jährige in Uniform mit Stoffhäschen im Arm gelöscht werden?“
darum geht es doch gar nicht. ich wette dass keiner der beteiligten auch nur die definition von kip weiss.
es geht um die installierung einer internetzensur, dafür war das thema idel. zensursula hats doch vorgemacht bei ihren hetzvorträgen, dass die omas weinend aus dem saal gekommnen sind.
wenn das nicht mehr zieht, kommt was anderes, jede wette. die terrornummer ist ja auch schon ausgelutscht und taugt nicht mehr.
@Jorokide:
Sowohl beim BKA, wie auch bei den Hotlines, kannst du entsprechende Expertise voraussetzen.
Interessant wäre allenfalls die Frage, ob routinemäßig erfasste Fälle von Jugendanscheinspornografie und virtueller Kinderpornografie (in den USA nicht strafbar) in die Statistik einfließen. Jugendanscheinspornographie wäre nach dem Zugangserschwerungsgesetz eigentlich aussen vor. Dort geht es lediglich um § 184b, also Kinder unter 14.
Ich kann es mir nicht vorstellen, bin da aber überfragt.
Kleine Anmerkung: Ich habe in der FAZ zum entsprechenden Artikel von Stefan Tomik einen Kommentar verfasst, welcher ohne Begründung zensiert und ausgefiltert wurde. Ich habe Verstöße gegen Richtlinien bewusst vermieden, lediglich der Kommentar war kritisch und hat auf die Pressemeldung von ECO verwiesen.
Das Problem bei der Show ist das Vorgehen des BKA.
Denn wenn die irgendwo anrufen „Wir sind die Deutschen, da verstößt was gegen UNSERE Gesetze, löscht das gefälligst mal!“, dann stellen sich die meisten Länder quer oder lachen uns gleich aus.
Und schon kann das BKA fröhlich verkünden, dass Löschen nicht geht und man deshalb sperren muß.
Die Privatorganisationen hingegen melden den zuständigen Behörden – so, wie es jeder Bürger kann – dass etwas gegen DEREN Gesetze verstößt. Und die reagieren dann und löschen.
Allerdings: damit streichen sie auch den Erfolg ein.
Diesen will das BKA aber für sich selbst verbuchen, weshalb sie solche Fälle nicht einfach an die ausländischen Behörden übergeben wollen.
Dass das BKA nicht viel im Ausland löschen kann, ist einfach eine Frage des EGOs.
Ist das der Qualitätsjournalismus, der das Gegreine nach dem Leistungsschutzrecht begründen soll …?
Noch ein Beispiel für den Qualitätsjournalismus aus diesem Hause:
http://www.bildblog.de/21664/fakten-im-rueckwaertsgang/