Heute fand im Bundestag ein Fachgespräch zum Thema Open Data statt. Der Ausschuss Digitale Agenda hat fünf Sachverständige eingeladen, „um zu diskutieren, welche Vorteile und Risiken die Bereitstellung ‚offener Daten‘ hat.“
Der acht Punkte umfassende, zuvor an die Sachverständigen versandte Fragenkatalog beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen und ökonomischen Potenzialen von Open Data und den notwendigen Maßnahmen, diese weiter zu fördern. Desweiteren sucht man Meinungen zu den Schwierigkeiten und Möglichkeiten bei der Öffnung von Verwaltungsdatenbeständen wie Bundestagsdaten und rechtlichen Aspekten wie Datenschutz und Urheberrecht. Zur konkreten Umsetzung wünscht sich der Ausschuss Hinweise zu rechtlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen, um Open Data „erfolgreich etablieren zu können“ ebenso wie Einschätzungen zur Kostenregelung.
Die geladenen Experten waren Christian Heise von der Open Knowledge Foundation, Ina Schieferdecker von Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme, Mathias Schindler – ehemals Wikimedia Deutschland und nun wissenschaftlicher Mitarbeiter von der EU-Parlamentarierin Julia Reda -, Renate Mitterhuber vom Referat E-Government und IT-Steuerung bei der Finanzbehörde Hamburg und Justus Haucap vom Düsseldorf Institute for Competition Economics und Open Access.
Die Runde der Eingangsstatements eröffnete Schieferdecker und wies darauf hin, dass ihr Institut bereits eine Studie zu „Open Government Data Deutschland“ durchgeführt hat. Sie lobt, dass man „viele erfreuliche Dinge in den letzten Jahren erlebt“ habe, und nennt als Beispiel Fortschritte bei den Nutzungsbedingungen, der Lizenz Deutschland 2.0 und der, auch im späteren wiederholt als positives Beispiel angebrachten Geodatennutzungsverordnung.
Sie mahnt jedoch auch an, dass noch sehr wenig vereinheitlicht oder international abgestimmt sei und schlägt vor, ein Allgemeines Daten- und Informationsgesetzbuch zu verfassen und ein Open Data Institute nach britischem Vorbild zu etablieren. Schieferdecker berichtet dazu später von einem ganz konkreten Beispiel der Arbeit des Instituts. Die Nahe-Echtzeit-Veröffentlichung von Hygienebedingungen und Sterberaten in Krankenhäusern in Großbritannien habe zur Verbesserung der Situation geführt, da Best Practices sichtbar geworden seien und die Kliniken ihre Prozesse verbessern konnten.
Die mangelnde Internationalität wird später auch von Schindler am Beispiel der Lizenz Deutschland 2.0 erwähnt. Es gebe nur den „Stallgeruch“, der deren Nutzung rechtfertige. Besser sei es, vorhandene Strukturen wie Creative Commons zu nutzen, da auch andere Staaten das Lizenzmodell automatisch verstehen können.
Haucap berichtet in seinem Statement aus seiner Sicht als Ökonom und stellt heraus, dass Daten im Vergleich zu anderen Gütern nicht „verbraucht“ werden, also keine Mehrkosten durch mehrere Nutzer entstehen. Sie seien „grenzkostenlos mehrnutzbar“ und sollten nicht aus dem Zweck erhoben werden, um Geld zu machen. Deshalb sollten auch von den Nutzern keine Entgelte verlangt werden.
Das impliziere auch wirtschaftliche Vorteile. Kleine Unternehmen könnten an Informationen kommen, zu denen sie sonst keinen Zugang hätten, Markteintrittsbarrieren für Start-Ups würden verringert und sie bekämen Möglichkeiten, Daten zu analysieren, um Geschäftsvoraussetzungen besser einzuschätzen. Dieter Janecek von den Grünen bezeichnet das im weiteren Verlauf als „Waffengleichheit“, die zwischen Startups, NGOs auf der einen und Marktgiganten wie Google auf der anderen Seite geschaffen werden müsse.
Eines liegt Haucap noch besonders am Herzen: Die Förderung von Open Access in der Wissenschaft, denn hochkarätige Publikationen seien in vielen Fällen nicht öffentlich zugänglich. Und das sei hinderlich, denn wenn Forschung mit öffentlichen Geldern finanziert ist, solle sie auch der Allgemeinheit zur Verfügung stehen können und nicht durch die kommerziellen Interessen von großen Verlegern dieser vorenthalten werden.
Schindler fordert vor allem Rechtssicherheit. Es gebe bereits jetzt veröffentlichte Daten mit weitestgehend unklarer Verfügbarkeits- und Rechtssituation, was den potentiellen Nutzer abschreckt. Er wirbt auch für die Etablierung eines Automatismus entgegengesetz der bisher vorherrschenden Einzelfreigaben.
Christian Heise kritisiert das Kompetenzgerangel von BMI und BMWi bei der Digitalen Agenda, das einer Weiterentwicklung im Weg steht. Er bemängelt, dass die Verwaltung viel zu wenige wertvolle Daten in offenen und maschinenlesbaren Formaten veröffentlicht und bittet zum Abschluss seines Eingangsstatements darum, dass man das Fachgespräch nicht 2016 wiederholen muss.
Damit trifft er einen wunden Punkt. Denn eigentlich sollte jedem klar sein, dass Open Data eine große Bandbreite an Vorteilen mit sich bringt. Wenn es um Hinderungsgründe geht, werden aber von den Öffnungsgegnern immer wieder die entstehenden Mehrkosten zitiert. Dass das wenig sinnvoll ist, zeigt Haucap auf die Nachfrage von Thomas Jarzombek von der CDU, wie man dem Argument „Man hat ja Kosten investiert, da kann man die Daten doch nicht einfach ins Internet stellen“ entgegentreten kann.
Öffentliche Unternehmen sollen einen anderen Zweck erfüllen als private und sind eigentlich gar nicht dazu da, Gewinn zu erwirtschaften. Die Daten werden also nicht erhoben, um Gewinn zu generieren und wenn durch ihre Verfügbarkeit höherer Nutzen als Kosten entstehen, sollte das geschehen.
Beate Lohmann vom Innenministerium führt aus, dass bei der Öffnung von Verwaltungsdaten zunächst ein Kulturwandel geschaffen werden müsse, um die Verwaltung zur Veröffentlichung von mehr Daten zu bewegen. Sie lebe bisher von „Herrschaftswissen“ und den Mitarbeitern müsse erst klar werden, dass sie beim Teilen von Wissen profitieren können. Doch ein „Kulturwandel“ wird nicht von selbst kommen und so fragt Halina Wawzyniack von den Linken, ob man nicht eigentlich ein Gesetz, das zur Transparenz verpflichtet.
Heise entgegnet, man könne die Frage „ganz plump mit Ja beantworten“. Ein Transparenzgesetz sei notwendig, um die proaktive Veröffentlichung von Daten voranzutreiben, im Gegensatz zu Informationsfreiheitsgesetzen, die deren Herausgabe auf Anfrage regeln. Mitterhubers Ausführungen spiegeln ihre diesbezügliche Erfahrung bei der Öffnung von Daten in Hamburg, das durch sein Transparenzgesetz zum Vorreiter wurde. Schon vorher hatte sich die Hansestadt das Thema Open Government zum Schwerpunkt gesetzt und versucht, sein Wissen und seine Erfahrungen weiterzugeben, beispielsweise in Leitfäden und im Informationsaustausch mit anderen Verwaltungen.
Auch Mitterhuber berichtet davon, dass es ohne entsprechendes Gesetz, auf rein freiwilliger Basis, schwierig war, Daten von den Behörden einzusammeln. Eine Verpflichtung habe da geholfen, denn …
… sobald etwas gemacht werden muss, schnurrt die Verwaltung wie ein Kätzchen.
Und mit der stetigen Etablierung des Hamburger Transparenzportals hätten auch die Verwaltungsmitarbeiter Gefallen gefunden, man müsse nicht mehr extra nachfragen und auch die Qualität der Arbeit steige, da man Dinge aufgrund der erhöhten Sichtbarkeit ordentlich ins Transparenzportal hochladen wolle. Das kann auch die Qualität der Daten erhöhen.
Zudem habe es in Hamburg starken Druck von Initiativen von außen gegeben. Mitterhuber kommentiert, man habe gegen den von den Initiativen etablierten Slogan „Transparenz schafft Vertrauen“ nicht vorgehen können und dementsprechend handeln müssen.
Konstantin von Notz will konkrete Vorschläge, was man jetzt schon tun könne. Schindler schlägt ihm vor, immer wieder kleinteilige Fragen zu stellen. Beim Nachfragen werde es eine Reaktion geben, entweder die Daten werden herausgegeben oder es wird mit einer Begründung abgelehnt, die man dann analysieren könne. Heise ergänzt, dass eine bessere Koordinierung notwendig sei und dafür Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen. Außerdem wünsche er sich, dass die Bundestagsverwaltung ihre Daten maschinenlesbar und unter offener Lizenz zur Verfügung stellt, um ihrer Vorreiterrolle gerecht zu werden.
Am Ende des Fachgesprächs könnte man eigentlich voller Freude und Hoffnung sein. Der Gesamteindruck, der sich einstellt, ist, dass doch im Grunde genommen alle das selbe wollen: Offene Daten zum Nutzen aller. Wo liegt also das Problem, warum ist in der Vergangenheit so wenig passiert? Wird nun alles besser?
Darauf hoffen wir, doch es wird noch einige Hindernisse zu überwinden geben. Von Notz merkte provokant an „Man müsste auch Volker Kauder herholen“ und damit hat er Recht, denn das heutige Gespräch müsste vor allem auch die erreichen, die nicht bereits wissen, was eigentlich notwendig wäre.
Weitere Fachgespräche des Ausschusses sind bereits geplant. Am 12. November wird es um „E-Health“ gehen, am 3. Dezember dreht sich die Diskussion um den „Stand der Urheberrechtsreform auf deutscher und internationaler Ebene und weiteres Vorgehen der Bundesregierung in Sachen Leistungsschutzrecht für Presseverlage“.
Auf Twitter wurde der Stream aus dem Ausschuss unter dem Hashtag #btADA begleitet.