Reiten und Mondflüge sind nicht dasselbe: Die Gefahren vereinfachender Überwachungsanalogien

Quelle: windgeist CC BY-NC-SA 2.0

Es ist nicht einfach Analogien zu finden, um neuere Formen von Überwachung zu beschreiben. Analogien helfen, Überwachung in anschaulicher Weise zu erklären und damit die Öffentlichkeit aufzuklären und zu mobilisieren. Wie kann man zum Beispiel elektronisches Tracking darstellen und womit ist es vergleichbar? Dem klassischen Verfolgen mit dem Fernglas? Dieser Analogien bedarf es insbesondere im Rahmen juristischer Verfahren gegen Überwachung. Analogien braucht es in Gerichtsverfahren aus zwei Gründen: Erstens, die meisten geltenden Gesetze sind alt. Sie sind häufig zu einer Zeit erlassen worden, zu der an Internet und andere Technologien, wie etwa das elektronische Tracking, noch nicht zu denken war. Um diese Gesetze anzuwenden auf digitale Überwachung sind Analogien zu Technologien notwendig, die von diesen Gesetzen reguliert werden. Zweitens, es fehlt vielen Jurist*innen und Richter*innen an technischem Wissen. Analogien können helfen komplexe technische Zusammenhänge vereinfachend zu erklären.

Gefahren von Analogien

Analogien beinhalten jedoch die Gefahr einer zu starken Vereinfachung. Privacy International hat einen Beitrag veröffentlicht mit dem Titel „The trap of simplicity: Why anologies for surveillance fail us“. Der Beitrag beschäftigt sich mit eben diesen Gefahren der Vereinfachung. Zwar würden Analogien den Richter*innen helfen ein Gesetz anzuwenden, das noch nicht moderne Formen von Überwachung geregelt hat. Diese Vereinfachungen führten aber häufig dazu, dass Gefahren der digitalen Überwachung nicht im vollen Umfang erkannt werden würden von Richter*innen. Das größte Problem sei, dass die Analogien eine Gemeinsamkeit zwischen neuer und alter Technologie aufzeigten, aber die weiteren Unterschiede außer Acht ließen. Diese Unterschiede würden häufig die größere Gefährlichkeit von neuen Überwachungstechnologien ausmachen. Deswegen hätten die Analogien negative Konsequenzen, da neuere Technologie als zu harmlos eingestuft werden würden.

Die E-Mail – Brief Analogie

Ein Beispiel für die Gefahr von Vereinfachungen und in diesem Fall von Fehlleitung der Öffentlichkeit ist die Aussage des ehemaligen NSA Direktor Michael Hayden zur Sammlung von Metadaten: Hayden vergleicht E-Mails mit Briefen.

Interviewer: „So would it be fair to describe this as, as I’ve seen somebody do, as the meta data program collecting data in a way that is on the outside of an envelope – who you wrote to, what the return address was, but nothing about what’s inside the envelope?“

Hayden: „No, that’s absolutely correct. And that’s almost a perfect analogy. It’s the outside of the envelope. And, by the way, the Supreme Court ruled back in 1979 that that outside of the envelope information, the meta data, is not protected by the Fourth Amendment to the U.S. Constitution. There isn’t a reasonable expectation of privacy when it comes to that information.“

Die Analogie Brief – E-Mail hinkt. Sind Metadaten mit den Informationen auf dem Briefumschlag vergleichbar? Eine IP Adresse ist mehr als die Angabe der Adresse auf dem Briefumschlag. Der Absendeadresse auf einem Briefumschlag bedarf es nicht. Die Empfangsadresse muss nicht den tatsächlichen Aufenthaltsortes der_des Empfänger*in darstellen. Die IP Adresse hingegen gibt Informationen Preis bezüglich des genauen tatsächlichen Aufenthaltsortes an (wenn keine Programme wie Tor verwendet werden). Zudem kann das Wissen der IP Adresse viele Hinweise bezüglich anderer Internetaktivitäten geben. Die Adresse auf einem Briefumschlag gibt keinen Hinweis darauf, welche Suchanfragen die Person gestellt hat oder welche Videos sie sich anschaut. E-Mail Metadaten sind also sehr viel mehr als ein Briefumschlag. (Wir haben über die Aussagefähigkeit von Metadaten u.a. hier berichtet)

Mehr Sorgfalt

Analogien sind nicht per se schlecht, müssen aber sehr sorgfältig ausgewählt werden. Der amerikanische Supreme Court hat die Schwäche von Analogien treffend beschrieben. Als die US Regierung behauptete, die Durchsuchung von Handys sei dasselbe wie das Untersuchen anderer einfacher Gegenstände, wie etwa von Geldbeuteln oder Zigarettenschachteln, entgegnete der Supreme Court (S.17):  „Das ist, als ob man sagen würde, auf einem Pferd zu reiten sei dasselbe wie zum Mond zu fliegen. Beides sind Wege um von A nach B zu kommen, aber wenig anderes rechtfertigt es beide in einen Topf zu werfen.“

13 Ergänzungen

  1. „Richter*innen“ das Sternchen stört den Lesefluss, lässt mich die ganze Zeit nur „Richterinnen“ lesen und zum Schluss kommen, dass wohl ausschließlich weibliche Richter ein Problem haben das Internet und neue Technologien zu verstehen. Das war aber wohl nicht die Intention des Textes.
    Hört bitte einfach auf die deutsche Sprache zu verhuntzen.

    1. Bitte macht weiter damit, eine gegenderte Schriftsprache zu verwenden, egal ob mit Sternchen oder Unterstrich!
      Und @ Stefan H.:
      Keine Sorge, man kann sich schnell daran gewöhnen, das zu überlesen bzw. korrekt zu verstehen.

      1. Gute Idee, damit hinterlässt man einen bleibenden Eindruck in welche Kategorie man die Leute einteilen kann. Der möchtegern Geschlechterkampf ist einfach nur noch lächerlich während die wirklichen Probleme (z.B. „gleiche Arbeit, gleiches Gehalt“) scheinbar deutlich unwichtiger sind als die halluzinierte Tiefenbedeutung von verallgemeinernder Geschlechtsform im Text. Also, das Alex, ich bin dafür das wir alle dann mal sachlich werden in das Internet.

      2. Oder man verwendet gleich Firefox mit dem Addon Binnen-I begone – ich hoffe, daß die letzte Version auch mit den zahlreichen, neuen Schreibweisen umgehen kann. Das Addon hat zwar den Nachteil, daß manche Fälle nicht richtig erkannt werden, aber immerhin hat man dann Ruhe.
        (Ich hab das wegen der oben geschilderten Problematik vor einiger Zeit deinstalliert, aber weil der Unsinn leider auf eurer Seite mittlerweile überhand nimmt, werde ich das Addon wieder installieren. So sehr ich euren Einsatz bei den digitalen Bürgerrechten schätze, aber diese Belästigung mit der sogenannten „geschlechtergerechten“ Schreibweise nervt ungemein.)

      3. „Richter und Richterinnen“ wäre absolut korrektes und auch durchgegendertes Deutsch. Dafür ist dann aber wohl keine Zeit mehr gewesen.

      4. @Stefan H.:
        „“Richter und Richterinnen” wäre absolut korrektes und auch durchgegendertes Deutsch. Dafür ist dann aber wohl keine Zeit mehr gewesen.“

        Auch das macht den Text mühsamer zu lesen und ist nicht notwendig, weil das generische Maskulinum „die Richter“ bereits alle Menschen einschließt, die diesen Beruf ausüben, und zwar völlig unabhängig von ihrem (natürlichen) Geschlecht.
        Es ist im Deutschen eben so, daß grammatisches und natürliches Geschlecht zwei Paar Schuhe sind. (Übrigens sind die nur bei 5% aller deutschen Substantive „deckungsgleich“.)
        Das Addon Binnen-I begone kann übrigens auch die Beidnennung entfernen. (Nur leider wird es mit der Partizipseuche Probleme haben. Auch das haben einige nämlich noch nicht begriffen: Studierende und Studenten sind nicht dasselbe!)

      5. Es verwundert mich ehrlich gesagt, wie viele Netzpolitik-Autoren diese angeblich „geschlechtergerechte“ Sprache übernehmen und teilweise dann bei Widerspruch sogar noch auf Platformen wie hatr verweisen. Bei den oft wirklich guten Artikeln passt eine derart unreflektierte Haltung so gar nicht ins Bild.

        Dass diese Art der Textgestaltung die Lesbarkeit verringert, die Bedeutung verfälscht und noch nicht einmal ein nennenswerter Effekt erzielt wird, scheint egal zu sein. Stattdessen ist man voll und ganz auf den feministischen Zug aufgesprungen, Probleme zu konstruieren und (medienwirksam) zu „lösen“ wo eigentlich keine sind anstatt sich um echte Verbesserungen zu bemühen. Das Pradoxe an der Geschichte: Durch die explizite Nennung beider Geschlechter anstelle der geschlechtsneutralen Form wird das Geschlecht gerade erst zu einem Thema gemacht, wo es eigentlich keines sein sollte.

  2. Wir brauchen simplifizierende Bilder, sonst versteht man uns nicht – so einfach ist die Sache. Wenn ich beim Thema Tracking anfange, HTML- und Flash-Cookies, DOM-Storage und Canvas-Tracking zu erklären, erleidet der normale Internetnutzer nach zwei Minuten Ermüdungsbrüche beider Ohren, nach fünf Minuten liegt er im Koma.
    Wenn ich ihm sage, dass sein Computer verwanzt ist, und das im Normalfall gleich mehrfach, habe ich seine Aufmerksamkeit. Mit Glück.

    1. Klar kann man Analogien verwenden, im Alltag ist das oft praktisch. Gefährlich wirds erst, wenn Politiker oder Richter das unreflektiert für bare Münze nehmen, oder selbst bewusst missbräuchlich zu verwenden.

      1. Wir kommen um Fachrichter und Fachpolitiker nicht herum. Es würde mal Zeit, dass Politiker grundsätzlich Ressorts zugeteilt bekommen von denen sie auch wirklich etwas verstehen und nicht was gute Partei-Taktik ist oder dem einzelnen Politiker an sich nutzt.

  3. „Die IP Adresse hingegen gibt Informationen Preis bezüglich des genauen tatsächlichen Aufenthaltsortes an (wenn keine Programme wie Tor verwendet werden).“

    Das Problem sehe ich noch nicht ganz. Du sagst, dass der Brief nicht den tatsächlichen Aufenthaltsort des Empfängers abbildet. Da der Empfänger irgendwie an den Brief kommen muss, gibt es zwei Möglichkeiten, wie er einen anderen Aufenthaltsort haben könnte:
    – er ist im Urlaub, wohnt aber an der angegebenen Adresse
    – der Brief geht an einen Bekannten und wird abgeholt

    E-Mails gehen doch in fast allen oder sogar allen Fällen auch nicht an den lokalen PC des Empfängers, also auch nicht an dessen IP. Stattdessen gehen sie an die IP-Adresse des Mailanbieters. Daraus lässt sich aber viel weniger über den Aufenthaltsort des Empfängers schließen als aus der Zieladresse eines Briefs. Ich kann einen russischen Mailanbieter nutzen und in den USA leben – wenn jemand eine an mich gesendete E-Mail abfängt, dann wird er erstmal nur an die Zieladresse „Russland“ kommen. Um zu erfahren, dass die Mail an einen US-Bürger ging, muss er zudem noch den IMAP/POP3-Verkehr überwachen.

    1. @Stefan:
      3. Option: Postfach.

      Bezüglich E-Mails: Wenn jemand eine E-Mail abfängt, die du geschrieben hast, kann er aus den Daten im Header deine IP auslesen.

      Schaut dann z.B. so aus:
      Received: from [192.xxx.xxx.xxx] ([217.xxx.xxx.xxx]) by mail.blabla.de

      Die 192er ist dein Rechner in deinem Home-Netzwerk, die 217.x.x.x ist die IP mit der du beim ISP gerade aktiv warst, als du die E-Mail gesendet hast. Außerdem kennt derjenige nun die Email-Adresse des Empfängers und kann mit demjenigen das Spiel entsprechend zu Dir zurück spielen.

      Vielleicht hilft da noch der entsprechende Wikipedia-Artikel weiter: https://de.wikipedia.org/wiki/Header_%28E-Mail%29 bzw. der RFC für SMTP ( https://tools.ietf.org/html/rfc5321 )

      When the SMTP server accepts a message either for relaying or for
      final delivery, it inserts a trace record (also referred to
      interchangeably as a „time stamp line“ or „Received“ line) at the top
      of the mail data. This trace record indicates the identity of the
      host that sent the message, the identity of the host that received
      the message (and is inserting this time stamp), and the date and time
      the message was received. Relayed messages will have multiple time
      stamp lines. Details for formation of these lines, including their
      syntax, is specified in Section 4.4.

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