Sommertheather um Youtube: Lasst die Bundesländer ran!

Wie die Krieg-Rhetorik der grossen Koalitionäre im Moment klingt, erwartet Youtube bald eine Sperrung in Deutschland. Nach SPD-Hardliner Wiefelspütz musste jetzt noch der CDU-„Medienexperte“ Günter Krings seinen Senf in der FRankfurter Rundschau dazugeben: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“.

Wie lässt sich gegen solche Clips denn erfolgreich vorgehen?

In der Bundesrepublik fällt die Kontrolle der Internetinhalte in die Hoheit der Länder. Die Landesregierungen müssen die Kontrollmechanismen stärker nutzen. Wir müssen an die Internet-Community das klare Signal aussenden: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum – das gilt für Urheberrechtsverletzungen wie für Videoclips mit rechtsradikalen Inhalten.

Super Sache. Da kann man eine ganze Kampagne draus entwickeln, wenn jedes einzelne Bundesland Youtube sperren lässt. Und irgendwann werden die Politiker auch verstehen, dass es noch andere Video-Plattformen gibt. Das könnte eine Lebensaufgabe werden…

Grossartiger Kokolores ist auch das folgende Statement:

Internet-Nutzer verweisen auf die Medienfreiheit und das Selbstkorrektiv im Netz, das mit Diskussionsforen eine kritische Öffentlichkeit herstellen würde.

Das ist totaler Kokolores. Das hieße umgekehrt, die ARD könnte rechtsradikale Filme senden, wenn es anschließend nur eine Zuschauerdiskussion dazu gibt. Nein, das Internet ist ein neuartiges, faszinierendes Medium, aber es ist ein Medium, für das die gleichen Rechte und Pflichten gelten, wie für alle anderen Medien auch.

Die Aufgabe der ARD ist zumindest meines Empfinden nach eine andere, als eine Plattform, die von den Usern mit Inhalten gefüllt wird und die zudem nicht mit unseren Geldern aus Deutschland mit einem bestimmten Auftrag sendet. Aber das mag die CDU anders sehen.

Die FR verweist auf den Unterschied zwischen eine Nutzer-bestückten Plattform und einer einzelnen Webseite. Die Antwort:

Auch ein solches Portal ist kein rechtsfreier Raum. Auch da gibt es Organisationen, die dahinterstehen. Selbst wenn es keinen zentralen Server gibt, sind diese Firmen gehalten, das deutsche Strafrecht einzuhalten. Wenn sie das nicht tun, müssen wir dafür sorgen, dass sie abgeschaltet werden.

Das ist Rot-Schwarz in Deutschland 2007. Mit derselben Argumentation wird in Diktaturen das Internet zensiert.

Und nun? Wird Youtube bald in Deutschland zensiert? Die grosse Frage ist ja, ob das eine zeitweilige Sommerlochdebatte ist, oder demnächst die Bundesländer die oben skizzierte Kampagne starten. Was denkt ihr? Welche Bundesland würde anfangen: NRW, Niedersachsen, Baynern oder ein Aussenseiter?

17 Ergänzungen

  1. Ich schließe mich Winni an, nur heiße Luft. YouTube sperren – als ob die Mehrheit dann nicht mehr an ihr Material käme…

  2. Mich stört es eigentlich schon, dass die deutschen Gesetze, die ich größtenteils gut finde, durch das Internet permanent unterlaufen werden können. Bei spock.com und Konsorten würden wir uns Möglichkeiten wünschen dagegen vorgehen zu können und sie vermutlich auch nutzen. Auf der anderen Seite ist Internet-Zensur genau das was wir an Diktaturen kritisieren und wir loben das Internet (als Möglichkeit lokale Gesetze zu umgehen) als demokratisierendes Medium.
    Also wo ziehen wir die Grenze? Gibt es nur entweder totale Freiheit oder aber totale Kontrolle?
    Eine typische Frage für netzpolitik.org ;)

  3. Faschismus läßt sich nicht verbieten. Das einzige Mittel gegen den braunen Sumpf ist die Aufklärung der Menschen über den braunen Sumpf. Aber Bildung wird in D.land seit jeher stiefmütterlich behandelt.

  4. Eine Sperrung von YouTube wird es nicht geben. Aber mit solchen Diskussionen wird der Eindruck verstärkt, das Internet sei in erster Linie ein Ort der Kriminellen, der Terroristen, Amokläufer und Kinderschänder und nicht die wichtigste techn. Entwicklung des letzten Jahrhunderts. Hat sich dieses Bild ersteinmal in den Köpfen der Mehrheit festgesetzt, wird ein staatliches Eingreifen nicht mehr als Zensur sondern als Schutz empfunden.

  5. Am Deutschen Rechtswesen soll die Welt genesen…

    Hmm. Politiker müssen in DE ganz grob die Nebeneinkünfte offenlegen. Ich bin sicher, dass es Länder gibt, wo Politiker diese Auskunft auf den Cent genau geben müssen. Läßt sich der Spieß nicht einfach umdrehen? (Zumal etwaige Äußerungen der Politiker ja auch in dem entsprechenden Land wahrgenommen werden können und man damit dann den Anknüpfungspunkt zum lokalen Recht hätte…)

    Ich glaube, dass ich grade gar nicht so viel Essen kann, wie ich …

  6. Diese Diskussion zeigt :

    (1) hochrangige Politiker verstehen das Medium Internet nichtmal ansatzweise… wie bitte kann man denn YouTube mit der ARD vergleichen?

    (2) Wo immer eine Macht- und Einflussmöglichkeit gewittert wird, wird sie Eingesetzt um den Leuten zu Zeigen: „Hier, wir schützen euch vor rechten/linken/anstössigen/gefährlichen Content. Wir sind die Guten!“.

    Natürlich sollten Faschisten und Rechtsradikale keine möglichkeit haben ihre menschenverachtende Gesinnung zu verbreiten, aber sowas darf einfach nicht mit faschistoiden/totalitären Mitteln geschehen, sonst beisst sich die Katze in den Schwanz.

  7. Ich verstehe den allgemeinen Tenor hier nicht.
    Mal abgesehen davon, dass die beiden Herren Politiker sich
    vermutlich folgenlos profilieren wollen: das internet ist ein neues Medium unterliegt eben auch geltenden Gesetzen.

    Was gibt es denn daran auszusetzen?
    Natürlich ist das Umsetzen teils schwierig bis unmöglich, aber
    ohne eine Zensur?
    Doof ist hier nur, dass die Politik mal wieder HINTERher
    eine Meinung hat…

  8. @11: Das Problem ist einfach, dass das Internet eine globale\weltweite Sache ist, die nicht nach den Landesgrenzen aufhört. Steht ein Server mit Rechtsradikalem\faschistoider Propaganda in Uganda, ist die Verbreitung hier in Deutschland zwar illegal, aber gegen das Angebot selber kann man nichts unternehmen, da es nach Ugandischer Rechtsprechung legal ist (ka, ob das da wirklich so ist, aber Uganda musste jetzt als Beispiel herhalten).

  9. Nimm statt Uganda die USA – sollte passen, denn die Amis sind sehr weitgehend, was free speech angeht.

    Dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist und sein darf, ist IMO klar (zumindest mir [bin Anwalt]), aber: Wieso sollte sich eine US-Firma, deren Produkt als Reflex der technischen Möglichkeiten weltweit abrufbar ist, nach dem strengsten geltenden Recht desjenigen richten zu müssen, der das grade fordert?

    Es gibt wohl Länder, in denen eine derart freie Diskussion wie in den Kommentaren hier, als Landesverrat bestraft werden könnte (zB versteht China da wenig Spaß). Selbst China erdreistet sich aber nicht, DE Vorschriften machen zu wollen, was außerhalb von deren CN-Landesgrenzen im Internet zu finden sein darf.

    Wenn man die Forderung der Politiker konsequent zu Ende denkt, dann dürfte das dazu führen, dass immer das strengste denkbarerweise anwendbare Recht, zu Grunde gelegt werden müßte. Und ich habe absolut gar keine Lust, mich bei dem, was ich im Netz mache, nach dem Recht der weltweit repressivsten Nation richten zu müssen.

  10. Ich kann die im Artikel geäußerte Aufregung nicht nachvollziehen. Diktaturen begründen ihre Internet-Zensur damit, daß sie ihre Gesetze durchsetzen wollen. Na und? Ich bin ziemlich sicher, daß nordkoreanische Atombomben nach den Gesetzen der Mathematik gebaut werden. Sollen wir vielleicht deswegen mit der Mathematik aufhören?

    Die Frage ist doch nicht, ob dieselbe Argumentation auch von bösen Diktaturen benutzt wird. JEDER Staat muß versuchen, seine Gesetze durchzusetzen oder sich wenigstens Gehör zu verschaffen. Ansonsten könnte er sich gleich ganz aufgeben; und jeder Bürger fordert zu Recht, daß der Staat seine Gesetze durchsetzt, sonst wäre das Recht reine Willkür. Der Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie liegt im *Inhalt* der Gesetze; nicht in der Idee, daß diese durchgesetzt werden sollen.

    Natürlich wird’s interessant und kompliziert im Netz. Aber Markus, was sollen die Politiker denn sonst sagen? „Liebe Neonazis, schreibt und sendet im Netz, soviel ihr wollt, denn da kommen wir nicht ran?“

    @10/rm -rf: Sind es totalitäre Mittel, wenn eine kommerzielle Videoplattform öffentlich gebeten wird, bestimmtes menschenverachtendes Material zu entfernen? Ich würde Dir ja zustimmen, wenn diese Videoplattform die einzige Möglichkeit wäre, irgendetwas im Internet zu veröffentlichen; oder wenn intern und heimlich Druck ausgeübt wird, anstatt es öffentlich zu tun. Aber mit diesem Fall habe ich, im Gegensatz zu vielen anderen, wenig Probleme. Demokratische Zensur ist für mich ok, solange sie erstens öffentlich ist, zweitens selber kontrolliert wird und drittens von Zeit zu Zeit durch öffentliche Diskussion geprüft wird.

  11. @kobalt: Vielleicht zur Aufklärung und Auseindersetzung mit diesem Thema die Videos und deren Seiten regelmäßig durch Informationen zur Aufklärung ersetzen oder ergänzen.

  12. „Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass man ein globales Medium mit unserem föderalen System regulieren möchte.“

    Das ist der Knackpunkt. Aber was ist die Lösung?
    Sollen wir unsere Gesetze am besten gleich ganz aufgeben, weil sie über das Internet sowieso unterlaufen werden können?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.