In NRW haben Rot-Grün ihren Koalitionsvertrag präsentiert. Darin finden sich einige positive Punkte wie bessere und unabhängigere Datenschutzaufsicht, OpenGovernment, Bekenntnis zur Privatkopie und Netzneutralität sowie öffentliche WLAN-Zugänge. Den Punkt „Die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer sichern“ könnte man auch so verstehen, dass man den Jugendmedienschutzstaatsvertrag ablehnt, auch wenn das explizit nicht drin steht. Aber wer weiß?
Seite 75: „Wir verbessern den Datenschutz“
Die Datenmissbrauchsskandale, besonders in Wirtschaftsunternehmen und sozialen Netzwerken, offenbaren massive Lücken beim Schutz persönlicher Daten. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hat einen zentralen Stellenwert. Wir wollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Kundinnen und Kunden, insbesondere Kinder und Jugendliche, kurz alle Bürgerinnen und Bürger besser vor Datenmissbrauch schützen. Deshalb sorgen wir dafür, dass die Datenschutzkontrollen mit einer schlagkräftigen Datenschutzaufsicht verbessert werden. Dazu verstärken wir die personelle Ausstattung des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Um die Datenschutzstandards in den Unternehmen zu verbessern, wollen wir den Dialog zwischen Wirtschaft, Behörden und dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Form einer Landesdatenschutzkonferenz organisieren. Wir wollen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur völligen Unabhängigkeit des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit unverzüglich umsetzen. Dafür werden wir seine Organisationsform so ausgestalten, dass er in Verantwortung vor dem Gesetzgeber noch schlagkräftiger agieren kann.
Seite 85: „Breitband-Masterplan für NRW“
„Eine Breitbandversorgung ist für uns wesentlicher Bestandteil öffentlicher Daseinsvorsorge. Zudem wollen wir ein System öffentlicher WLAN-Zugänge in NRW aufbauen.“
Seite 85: „Die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer sichern“
Unsere Vision eines sozial und digital vernetzten Zusammenlebens ist nicht vereinbar mit der Idee eines Überwachungsstaates. Das Recht auf Privatsphäre gilt analog wie digital. Für verbotene Inhalte gilt das Gebot „Löschen statt Sperren“. Wir setzen auf das Internet und wissen: Rechtsstaatlichkeit und auch Rechtsdurchsetzung erfolgen in allen Bereichen unseres Lebens. Das Internet darf nicht zum bürgerrechtsfreien Medium werden! Wir wenden uns gegen jede digitale Bevormundung und gegen jede Form der Zensur. Wir wollen eine datenschutzfreundliche Verbraucherschutzpolitik umsetzen und uns zugleich aktiv an der Weiterentwicklung eines modernen Urheberrechts mit dem Ziel, Urheber zu schützen und zugleich Barrieren für Nutzerinnen und Nutzer abzubauen, beteiligen. Die Netzneutralität sollte gesetzlich festgeschrieben und die Zugangsprovider darüber verpflichtet werden, ihren Kunden Inhalte diskriminierungsfrei durchzuleiten.
Seite 86: „Neues Regieren in NRW“
„Damit aus dem Medienland NRW auch das Medienkompetenzland NRW wird, müssen Landesregierung und Landesverwaltung selbst mit gutem Beispiel voran gehen. Wir werden deshalb eine Open-Government-Initiative starten, die sich an den Leitzielen von Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit ausrichtet und die die kosten- und diskriminierungsfreie Bereitstellung öffentlicher Daten und Informationen ebenso zum Gegenstand hat wie neue und erweiterte digitale Beteiligungsmöglichkeiten der Menschen an öffentlichen Entscheidungsprozessen. Dabei werden wir auf die Sicherheit und Integrität der Daten achten und das Recht der Menschen auf informationelle Selbstbestimmung wahren. Wir werden regelmäßig Wettbewerbe durchführen, bei denen Entwickler unter Verwendung öffentlich bereitgestellter Daten Applikationen erstellen, die zu Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit beitragen. Wir wollen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Chancen der Digitalisierung im Rahmen eines Prozesses „NRW digital“ stärker nutzen.“
Nur ein Thema finde ich nicht: Was ist denn mit Freier Software in die Verwaltung und Förderung dieser? Das haben beide Parteien versprochen und anscheinend ist das rausgefallen (oder ich finde es einfach nicht). Schade!
Wie immer kommt es aber bei so einem Papier darauf an, was man in der Praxis davon auch umsetzen wird. Da lassen wir uns mal überraschen.
Zumindestens sollen Kinder lernen was freie Software ist. Hoffentlich nur von Seiten, die nicht u.U. gemäß Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) geblockt sind. Denn dazu findet sich – im Gegensatz zum Wahlprogramm – auch nichts im Vertrag.
Wir warten mal ab, was da so kommt. Alles kann man in so einem Papier auch nicht festlegen.
Wenn man die üblichen parteitaktischen Spielchen zugrundelegt, wird folgendes passieren: Zunächst wird man den JMStV ablehnen, aber man wird auch Nachverhandlungen vorschlagen. Nun stehen zwischen März 2011 und Feburat 2012 sechs Landtagswahlen an, erst danach ist eine längere Pause. Da in den Bundesländern, die zuerst dran sind (Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bremen und Berkin) nicht mit einem Regierungswechsel zu rechnen ist, könnte es sein, dass man versucht, die Nachverhandlungen nuch in diesem Jahr durchzuziehen. In den fünf genannten Bundesländern würden dann die neu zu wählenden Landtage zustimmen. Nur in Hamburg, wo im Februar 2012 neu gewählt wird, könnte es für eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition nicht reichen, aber da könnte die Bürgerschaft noch vor der Wahl zustimmen.
Das Ergebnis wäre ein JMStV, der in der Substanz dem derzeitigem Entwurf entspricht und nur ein paar kosmetische Änderungen enthält.
Stefan, ich verbeuge mich vor Deinen prophetischen Aussagen, vor denen selbst Paul, der Oktopus blass aussieht. Vor allem, dass Kurt Beck in RLP wieder die absolute Mehrheit schafft, verblüfft mich. Man darf gespannt sein! :)
RE: Was ist denn mit Freier Software …
Nun ja, immerhin gestehen sie ein, dass da noch ein großer Entwicklungsbedarf besteht:
„Vor allem bei Kindern und Jugendlichen müssen Gefahren erklärt, über Datenschutz aufgeklärt und das sachdienliche Nutzen neuer und besonders auch freier Medien und Softwareangebote gelernt werden.“ (S.85)