KW 23Die Woche, in der Merz Statist in einem globalen Popcorn-Moment wurde

Die 23. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 13 neue Texte mit insgesamt 93.423 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

als sich vor den US-Wahlen die große politische Liebe zwischen Elon Musk und Donald Trump entsponn, da ahnten die meisten schon, dass diese innige Beziehung der überdimensionierten Egos nicht ewig halten und irgendwann mit einem großen Knall enden würde.

Am Donnerstagabend war es endlich so weit. Und mittendrin: Friedrich Merz.

Der Bundeskanzler befand sich gerade in diesem unwürdigen Oval-Office-Machtritual, bei dem der US-Präsident seine Gäste vor Goldrahmen und versammelter Presse gerne wahlweise lobhudelt oder abkanzelt. Merz kam gut weg, auch oder gerade weil der Kanzler nicht viel sagte und unfreiwillig zum Statisten des Abends wurde. Denn die Pressemeute war nur an Trumps Haltung zu Elon Musk interessiert. Der hatte Trumps „großes, schönes“ Gesetzespaket seit Tagen attackiert und nun musste Trump reagieren.

Während Merz also leicht deplatziert im Oval Office saß, zeigte sich Trump „sehr enttäuscht“ von seinem Männerfreund mit den großen Raketen, den er doch immer gemocht und so sehr unterstützt hatte. „Ich weiß nicht, ob wir noch eine Beziehung zueinander haben werden“, konstatierte Trump. Das ließ der Raketenmann, der viel und meist impulsiv twittert, nicht auf sich sitzen – und machte kurzerhand Schluss.

Vorbei die Zeiten, in denen Trump das Weiße Haus zum Tesla-Autohaus verwandelt und dem reichsten Mann der Welt unzählige Aufträge zuschustert. Vorbei die Zeiten, in denen Musk mit Sohn auf den Schultern im Oval Office posiert. Vorbei die Zeiten, in denen sich die beiden Erwachsenen mit dem Mindset ungestümer 12-Jähriger so nah sind. Vorbei die Bromance, die doch so schön begonnen hatte.

Stattdessen entfaltete sich ein globaler Popcorn-Moment am Lagerfeuer der sozialen Netzwerke, in dem der reichste und der mächtigste Mann vor den Augen der Welt wütend und unkontrolliert, aber durchaus unterhaltsam aufeinander losgingen.

Es hatte so schön begonnen

Musk twitterte, dass Trump ohne ihn die Wahl verloren hätte, stellte die Umfrage ins Netz, ob er eine neue Partei gründen solle, warf Trump vor, durch ein Körperdouble ersetzt worden zu sein, das sein Wort nicht halte. Trump drohte daraufhin mit dem Entzug von Aufträgen, woraufhin Musk die Stilllegung des Raumschiffs Dragon ankündigte, mit dem die Raumstation ISS versorgt wird. Der Tesla-Kurs rauschte derweil in den Keller.

Musk polterte, dass Trump gerade noch 3,5 Jahre als Präsident habe, er selbst aber mindestens noch 40 Jahre da sei. Dann nannte Trump Musk „verrückt“. Am Ende forderte Musk sogar ein Amtsenthebungsverfahren für Trump und beschuldigte diesen, in den Akten des Sexualstraftäters Epstein aufzutauchen.

Die Bromance ist vorbei und die große Versöhnung vorerst nicht in Sicht. Spannend wird sein, wer von den beiden nun geschädigter vom Platz geht. Ich tippe auf Musk.

Aber wie erklären wir eigentlich jetzt unseren Kindern, was für emotional unkontrollierte, testosterongeschwängerte Typen der mächtigste und der reichste Mann der Welt sind und warum ausgerechnet solche Menschen es ganz nach oben geschafft haben? Das sind doch keine Role Models.

Und Merz? Der hatte noch im Januar Trump als Role Model für seine Politik an den Grenzen genommen. Bleibt also auch die Frage, was der Statist des Abends von diesem Spektakel mit nach Hause nimmt.

Ich wünsche Euch ein Wochenende voller echter Romantik

Markus Reuter

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