DigitalsteuerTech-Konzerne sollen blechen

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer will eine Digitalsteuer in Deutschland einführen. Aber was bedeutet das überhaupt? Und warum fällt der EU die Debatte darüber so schwer?

Ein digital verzerrtes Bild zeigt einen Digitalsteuer-Stempel über einer EU-Flagge
Deutschland bringt die Debatte über die Digitalsteuer zurück – verschwunden ist sie ohnehin nie. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Christian Ohde

Da ist sie wieder, die Digitalsteuer. Letzte Woche hat Kulturstaatsminister Wolfram Weimer eine Digitalabgabe für große Tech-Unternehmen wie Alphabet oder Meta ins Spiel gebracht. Ein Abgabesatz von 10 Prozent sei „moderat und legitim“, sagte der parteilose Konservative dem Magazin Stern. Sein Haus arbeite nun eine Gesetzesvorlage aus, als Vorbild soll eine Regelung aus Österreich dienen.

Für manche in der schwarz-roten Koalition kam der Vorstoß überraschend, abgestimmt war der Vorschlag augenscheinlich nicht. Dabei hatte der Koalitionsvertrag eine Abgabe für Online-Plattformen, die Medieninhalte nutzen, in Aussicht gestellt. Die Erlöse sollen demnach dem Medienstandort zugutekommen.

Indes ist nachvollziehbar, warum so eine Abgabe nicht auf der Prioritätenliste der Bundesregierung steht: Ein Alleingang Deutschlands könnte zur Eskalation des weiterhin ungeklärten Handelsstreits zwischen den USA und der EU beitragen und zugleich Brüssel im Verhandlungs-Poker einen Trumpf entziehen – etwas, was die EU-Kommission tunlichst vermeiden will.

Wiederkehrende Debatte

Dennoch lässt sich die Debatte um eine Digitalsteuer nicht vom Tisch wischen, sie flammt seit Jahren über Parteigrenzen hinweg immer wieder auf. Politisch wie wirtschaftlich lässt sich kaum vermitteln, warum manche Weltkonzerne jedes Quartal Milliardengewinne einstreichen, aber signifikant weniger Steuern zahlen als andere Unternehmen.

Laut Angaben der EU-Kommission aus dem Jahr 2018 zahlen Unternehmen mit traditionellen Geschäftsmodellen im Schnitt rund 23 Prozent Steuern, Digitalunternehmen jedoch nicht einmal 10 Prozent. Es ist schlicht eine Frage der Gerechtigkeit, zumal auf den Kosten, die manche dieser Konzerne verursachen, oft der Rest der Gesellschaft sitzen bleibt.

Sinnvoll wäre eine Lösung auf EU-Ebene, von der Kommission zuletzt im Jahr 2018 vorgeschlagen. Doch im Streit um den Ansatz, auf den sich alle Mitgliedstaaten hätten einigen können, ist die Diskussion schließlich erfolglos versandet. Gebremst hatten vor allem Länder wie Irland, die Konzerne wie Google oder Apple mit großzügigen Steuervorteilen ins Land locken und zuweilen sogar vor Gericht ziehen, um kaum haltbares Steuerdumping betreiben zu können.

Einige Länder haben deshalb kurzerhand eigene Modelle in die Welt gesetzt, darunter Frankreich, Italien und eben auch Österreich. Wie könnte nun eine mögliche Digitalsteuer nach österreichischem Muster aussehen?

Die österreichische „Übergangslösung“

Die dortige Regelung zielt auf Online-Werbung ab. Seit dem Jahr 2020 entfällt auf beispielsweise Bannerwerbung auf Websites oder Suchmaschinen eine fünfprozentige Abgabe. Erfasst werden Unternehmen ab einem weltweiten Umsatz von 750 Millionen Euro und inländischem Umsatz von 25 Millionen Euro pro Jahr.

Als relevante Werbeleistung gelten Anzeigen, die von Geräten mit österreichischer IP-Adresse abgerufen werden und sich an österreichische Nutzer:innen richten. Es handelt sich um eine Selbstberechnungsabgabe, die Unternehmen ermitteln also selbst, was sie zu entrichten haben.

Rund 2,6 Milliarden Euro sollen Berechnungen des Standard zufolge vom Gesetz erfasste Tech-Konzerne im Jahr 2024 mit Werbung in Österreich eingenommen haben. Damit flossen circa 124 Millionen Euro ans österreichische Finanzministerium.

Online-Werbung ist ein rasant wachsender Markt: Einnahmen aus Werbeanzeigen, die früher ein wichtiges Standbein der Medienfinanzierung waren, landen zunehmend bei Google, Facebook & Co. In Österreich haben die Tech-Riesen die traditionelle Verlagsbranche etwa um das Jahr 2022 überflügelt. Letztere konnte im Vorjahr nur rund 2 Milliarden Euro aus Werbebuchungen einnehmen, wie in anderen Ländern sind die Zahlen seit Jahren rückläufig.

Wo die neuen Einnahmen genau landen, ist eine politische Frage. In Österreich gehen davon jährlich nur rund 20 Millionen Euro an einen Fonds zur Förderung der digitalen Transformation, zum Frust österreichischer Fachverbände. Der Fonds soll die Digitalisierung der Medienlandschaft vorantreiben und unterstützt eine Reihe an Digitalisierungsprojekten, darunter auch die Weiterbildung von Journalist:innen – aber nicht reine Online-Medien.

Wie eng sich ein konkreter deutscher Aufschlag letztlich am österreichischen orientieren wird, bleibt offen. In seiner eher vagen Ankündigung hatte Weimer die Tür für weiter reichende Ansätze offen gelassen, ganz abgesehen vom doppelt so hohen Abgabesatz. „Es geht nicht nur um Google-Ads. Es geht generell um Plattform-Betreiber mit Milliardenumsätzen“, sagte der Kulturstaatsminister.

Nicht alle Geschäftsmodelle der Digitalkonzerne bauen auf Online-Werbung auf, bekannte Steuervermeider wie Apple kämen ungeschoren davon. Außerdem wolle Weimer das Gespräch mit den „Plattformbetreibern auf Spitzenebene“ suchen, um „Alternativlösungen zu sondieren“.

Grundsätzlich sieht Österreich das eigene Modell aber weiterhin als „Übergangslösung“, während „auf OECD-Ebene und innerhalb der EU an umfassenden globalen Besteuerungsregeln für die digitale Wirtschaft gearbeitet wird“, wie das Finanzministerium letztes Jahr betonte.

Wackliges OECD-Säulenmodell

Tatsächlich hat sich die letzte, fruchtlos gebliebene EU-Debatte zur OECD hin verschoben, um zumindest einen Mindeststandard bei der Besteuerung insbesondere multinationaler Unternehmen zu schaffen. Diese beschäftigen ganze Heerscharen an Jurist:innen, die mit ausgeklügelten Tricks die Steuerlast der Konzerne so gering wie möglich halten.

Doch selbst die innerhalb der OECD erzielte und nach einigem Tauziehen von der EU bestätigte Einigung, einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent zu schaffen, wackelt, weil einmal mehr Donald Trump reingrätscht und US-amerikanische Unternehmen ungerecht behandelt sieht. Die Folgen für die Abgabengerechtigkeit wären jedoch ohnehin nur „schwach positiv“, auch bei einer relativ umfassenden Umsetzung, führt eine Studie des Centrums für Europäische Politik (CEP) aus.

In dieser aus dem Vorjahr stammenden Studie deklinieren die Autoren zudem weitere möglich Ansätze durch – vom Zwei-Säulen-Modell der OECD über Zölle auf Handel mit Software-Lizenzen bis hin zur sogenannten Datenmaut. Jeder dieser Ansätze bringt seine eigenen Vor- und Nachteile mit, ganz zu schweigen vom Problem der Umsetzbarkeit. Schließlich hat die derzeitige EU-Kommission nicht nur mit dem Trump-Problem zu kämpfen, sondern sich generell Erleichterungen für die europäische Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben. Wirtschaftsverbände warnten denn auch umgehend vor möglichen negativen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit.

EU-Länder lassen sich ungern reinreden

Wie schwierig es ist, Einigkeit über sogar auf den ersten Blick scheinbar unkontroverse Vorhaben zu finden, zeigen etwa die zähen Verhandlungen zur „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“. Über drei Jahre lagen sich die EU-Länder in den Haaren, um sich letztlich auf die Digitalisierung von Meldepflichten oder auf Mehrwertsteuern für Kurzzeitvermietung von Unterkünften zu einigen. Das hat auch damit zu tun, dass die EU selbst nicht direkt Steuern einnehmen kann und sich die Mitgliedstaaten ungern in ihren Hoheitsbereich reinreden lassen.

Auf absehbare Zeit dürften deshalb eher nationale Vorstöße dominieren und dabei Fakten schaffen, die wiederum auf die EU zurückwirken könnten. Einer von der Grünen-Fraktion im EU-Parlament in Auftrag gegebenen Studie des Centre for European Policy Studies (CEPS) lässt sich etwa entnehmen, dass Online-Werbetreibende über die Hälfte des entsprechenden EU-Umsatzes in nur drei Ländern erwirtschaften: Deutschland, Frankreich und Italien. In diesem Trio fehlt also nur mehr Deutschland mit einem eigenen Modell.

Auch diese Studie zeigt die Spannweite des Handlungsrahmens auf, es muss nicht notwendigerweise bei Abgaben auf Online-Werbung bleiben. Frankreich besteuert etwa nicht nur Umsätze im Werbemarkt mit 3 Prozent, sondern ab einem gewissen Umsatz mittlerweile auch Musikstreaming-Dienste mit 1,2 Prozent. Italien und Spanien, zwei weitere EU-Länder mit bereits eingeführten und jeweils dreiprozentigen Steuern auf Online-Werbeumsätze, experimentieren unter anderem mit der Höhe inländischer Umsatzschwellen oder der steuerlichen Erfassung von Schnittstellen, über die personenbezogene Daten übertragen werden.

Vom rückblickend moderat wirkenden Vorschlag aus dem Jahr 2018, Digitalkonzerne mit bescheidenen drei Prozent zu besteuern, scheinen wir inzwischen meilenweit entfernt zu sein.

7 Ergänzungen

  1. „Sinnvoll wäre eine Lösung auf EU-Ebene“

    Ich mag das einfach nie mehr hören oder lesen!
    Selbst nicht mit dem ABER im weiteren Verlauf,denn kommt an wie
    „Sinnvoll wäre es wenn die Bundespolizei die Diebesbande stoppte,also lassen wir die hier laufen weil wir sind ja nur die Landespolizei“

    https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/division-of-competences-within-the-european-union.html
    Da steht eben nirgendwo,etwas von Steuerpolitik.
    Supranationale Organisationen sind dazu genutzt worden nationale Zuständigkeit und somit das Gefühl des einfachen Volkes etwas bewirken zu können,zu zerstören¹ (die fundamentale Ursache des Brexit) weswegen man es nicht auch noch immer wieder reüssieren muss als politischer Journalist.

    Auch wenn dies einfach immer wieder schockierend ist,weil meiner Meinung nach das Level an Staatlichkeit dass die EU mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt hat,eine Volksabstimmung erfordert hätte,die Umgehung von Art. 146 GG durch Art. 23 und die Salamitaktik verfassungswidrig erscheint,vor allem nachdem die Volksabstimmung ja in FR und NL gescheitert war den Vertrag trotzdem als quasi Verfassung einzuführen,so verlangt 23 doch wenigstens noch die Subsidarität als Prinzip der Union und nicht die Unterwerfung unter sie und Aufgabe jedglicher Kompetenz inkl. Umwandlung in einen Zentralstaat,so wie sich das die letzten Jahre entwickelt.

    ¹ qed: https://citizens-initiative.europa.eu/initiatives/details/2023/000006_en
    Nichtmal der Vorsitzende der Sozialisten im multilingualen Belgien (ergo mitsamt der Unterstützung seiner Partei vermutlich,seit letztem Jahr noch Viertgrößte im Parlament) MIT der Unterstützung von Thomas Piketty hat es geschaft auch nur die verdammte Unterschriftenbarriere zu brechen,da 1M mit 7 Länderquoren immer noch zu viel war,selbst 23 noch zum thematisch perfekten Zeitpunk!

    PS:Der WordPressfehler der Kommentare mit unter 2k Zeichen nicht zulässt if > 2k bytes ist extrem nervig.

    1. Im Artikel ist sowohl erwähnt als auch verlinkt, dass „die EU selbst nicht direkt Steuern einnehmen kann“. Der Satz bzw. Absatz bezieht sich entsprechend weniger auf eine Forderung nach mehr Integration, sondern auf den Unterbietungswettlauf von Mitgliedstaaten, dem eine EU-Lösung einen Riegel vorschieben könnte und sollte.

      1. Ja, hab ich gelesen, aber wie ich schrieb man darf den Punkt gar nicht immer aufmachen, das tun die Politker selbst schon seit mittlerweile Jahrzehnten genug.

        Einen Unterbietungswettbewerb haben wir -gerade auch dank kritiklosen EU Befürwortern- seit mindestens 2004 mit dem race to the bottom dank Osterweiterung und Produktionsverlagerung wenn nicht seit 73.
        Ergo kann nicht eine Steuereinführung einen Unterbietungswettbewerb auslösen wenn die Steuer aktuell sowieso 0 ist in Deutschland.
        Und trotzdem bin ich gegen sie denn im Endeffekt müsste sie sowieso nur wieder der kleine Bürger und Konsument zahlen, der sowieso bis über das maximal erträgliche geschröpft ist jetzt schon.

        Als Erstes gehört in dieser Hinsicht die Verhältnismäßigkeitsausnahme für die Einfuhrumsatzsteuerfreie Einfuhr von Waren wieder eingeführt & erhöht auf 50€, die uns der EU geklaut eh „harominisiert“ wurde, ohne dass ein Plan dahinter stand die Produktion wieder hierhin zu verlagen der bekannt oder umgesetzt wäre sowie die Warenverfügbarkeit sehr verschlechtert hat,sich aber alle über die Einnahmen freuen seitdem währenddessen sie Trumps tariffs kritisieren die immer noch 9 % unter ihren eigenen liegen.

        „Auf absehbare Zeit dürften deshalb eher nationale Vorstöße dominieren und dabei Fakten schaffen, die wiederum auf die EU zurückwirken könnten.“

        Genau so sollte es halt mit allem sein und es ist eine Frage die sich kaum außerhalb der breiteren Ungleichheitsdebatte führen lässt.

  2. Frage wäre auch wer dann von dieser Steuer profitieren soll ? Das ist bisher irgendwie unklar, wäre aber essentiell. Wenn man im Gegenzug damit OpenSource fördern und StartUPs entlasten würde dann könnte daraus ja durchaus was sinnvolles entstehen.

    1. Allgemeine Steuern sind keine Gebühren oder zweckgebundene Beiträge, sie gehen wie z.B. die Einkommenssteuer auch in den allgemeinen Haushalt.

      In Deutschland ist die Verteilung der Steueraufkommen in Art.106 GG geregelt von dem man sich wünschte dass ihn sich immer wieder ins Gedächtnis rufen wenn sie durch ein Schlagloch fahren, der ÖPVN zu spät, langsam etc.pp. ist, oder sie sonst wie von mangelden öffentlichen Dienstleistungen betroffen sind, denn die seit 28 nicht erhobene Vermögenssteuer (weil das BVerfG Immobilienvermögen nicht ungleich Geldvermögens besteuert sehen wollte; Sondervotum Böckenförde das Beste an dem Urteil) und lächerlich kleine Erbschaftssteuer die jetzt dann trotz den Befürwortern NUR dieser jetzt den zweiten Vermögensübergang seitdem unterbesteuert lässt, die Grundlage für die Existenz der Länder und Zuweisungen an die Kommunen derselben dient.

      Denn es ist schlicht nicht haltbar dass die nicht Erhebung jemals verfassungskonform war, eine Verteilung des Aufkommens setzt eine Erhebung zwingend voraus, denn sonst gibt es kein Aufkommen. Sonst hätte da eine Kann Regelung gestanden wie Art. 12a .

      1. „Denn es ist schlicht nicht haltbar dass die nicht Erhebung jemals verfassungskonform war, eine Verteilung des Aufkommens setzt eine Erhebung zwingend voraus, denn sonst gibt es kein Aufkommen. Sonst hätte da eine Kann Regelung gestanden wie Art. 12a .“

        Das wundert mich auch. Im Digitalen ist man eben nur auf das Verhindern von Gesetzlosigkeit fixiert. Frage man mich nicht, ob das meistbietend passiert, oder wer im Abendessen im Kanzleramt direkten Zugriff auf die Exekutive hat, o.ä.

    2. Allein die Einführung einer Digitalsteuer könnte eine Förderung für OpenSource bedeuten. Wenn zB Microsoft-Produkte immer teurer würden dann könnte (hoffentlich) auch mal der Leidensdruck der bequemen Bürger doch mal so hoch sein dass man auf Linux/Libre Office o.ä. umsteigt.
      Genauso beim Smartphone – wobei dort sind wir ja noch weit mehr im Rückstand gegenüber Google/Apple.
      Insgesamt wären die Einnahmen wahrscheinlich nicht so hoch dass man damit auch den Ausbau der digitalen Infrastruktur finanzieren könnte. Da würde mir spontan die Einführung einer Alternative zu den amerikanischen Zahlungssystemen einfallen

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