Wahl in RumänienEU-Kommission eröffnet Verfahren gegen Tiktok

Nach Manipulationsvorwürfen wurde die Präsidentschaftswahl in Rumänien abgesagt. Jetzt startet die EU-Kommission deshalb eine Untersuchung der Social-Media-Plattform Tiktok. Sie soll klären, ob im Wahlkampf der Empfehlungsalgorithmus manipuliert wurde und wie die Plattform mit politischer Werbung umging.

Călin Georgescu spricht vor einem dunkeln Hintergrund in Mikrofone.
Călin Georgescu hat Rumänien durcheinandergewürfelt. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Xinhua

Die Europäische Kommission untersucht Tiktok. Grund dafür sind Vorkommnisse rund um die Präsidentschaftswahlen in Rumänien. Eigentlich hätten die Menschen in dem Land vor einigen Wochen einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin wählen sollen. Das oberste rumänische Gericht hatte die Wahl aber nach der ersten von zwei Runden abgesagt.

In der ersten Runde hatte ein bis dahin beinahe unbekannter Kandidat, Călin Georgescu, völlig unerwartet die meisten Stimmen gewonnen. Georgescu ist ein rechtsextremer, prorussischer Verschwörungstheoretiker. Der aktuelle Präsident Rumäniens veröffentlichte kurz darauf Unterlagen des Geheimdienstes. Laut diesen hatte eine massive, von außerhalb des Landes gesteuerte Operation die erste Runde der Wahl beeinflusst.

Wie geht Tiktok mit Werbung um?

Die Kommission untersucht nun zwei verschiedene Dinge: Die Empfehlungssysteme von Tiktok und den Umgang der Plattform mit politischer Werbung. Man habe die Untersuchung wegen der veröffentlichten Dokumente und wegen Hinweisen aus der Zivilgesellschaft und von rumänischen Behörden eröffnet, sagte heute ein Beamter der Kommission.

In beiden Punkten will sie untersuchen, ob Tiktok genug getan hat, um sich auf die besonderen Herausforderungen einer Wahl in Rumänien vorzubereiten – ob die Plattform etwa genug Moderator:innen hat, die Rumänisch sprechen. Außerdem soll geklärt werden, ob automatisierte Accounts, also Bots, die Empfehlungssysteme der Plattform manipuliert haben.

Grundlage für die Untersuchung ist der Digital Services Act (DSA). Mit diesem Gesetz hat die EU großen Online-Plattformen umfangreiche Vorgaben gemacht, wie sie ihre eigenen Regeln auf ihren Plattformen aufrechterhalten müssen.

Tiktok muss Daten aufbewahren

Die Kommission hat wegen der Wahl schon mehrmals Informationen von Tiktok angefragt. Beamt:innen der Kommission reisten außerdem nach Rumänien und trafen sich dort mit Vertreter:innen von rumänischen Geheimdiensten und DSA-Aufsichtsbehörden. Dabei habe die Plattform auch die Möglichkeit gehabt, auf die von den rumänischen Behörden veröffentlichen Dokumente zu reagieren, so der Kommissionsbeamte: „Auf Basis all dieser Dokumente haben wir entschieden, dass unser Verdacht bleibt.“

Die Kommission hat Tiktok außerdem angeordnet, Daten zu Wahlen in der EU aufzubewahren. Die Anordnung gilt vom November bis Ende März des kommenden Jahres – in diesem Zeitraum stehen in der EU auch noch Wahlen in Kroatien und in Deutschland an. Die Kommission ist auch in Kontakt mit den Behörden in diesen Ländern, um sie auf neue Risiken und Bedrohungen vorzubereiten, hieß es gestern aus der Kommission.

Auseinandersetzung im Parlament

Auch das Europäische Parlament hat sich schon mit Tiktok und den Wahlen in Rumänien beschäftigt. Vor zwei Wochen, also vor der Annullierung der ersten Wahlrunde, waren zwei Vertreter:innen der Plattform in den Binnenmarktausschuss des Parlaments geladen.

„Die Integrität von Wahlen ist für Tiktok sehr wichtig“, sagte eine der Vertreter:innen. Tiktok habe mehr als 6.000 Moderator:innen, 95 davon würden Rumänisch sprechen. Dazu kämen 20 Faktenprüfer:innen.

Von Seiten der Abgeordneten gab es teils scharfe Anschuldigungen. „Wie kann Tiktok hier sitzen und so tun, als ob ihm die Integrität von Wahlen wichtig ist?“, so etwa die Grünen-Abgeordnete Kim van Sparrentak. Für sie ist eine große Schwäche des DSA, dass er kein schnelles Eingreifen in Probleme wie in Rumänien ermöglicht.

Schon mehrere Verfahren

Die heutige Untersuchung ist die dritte, die die EU-Kommission gegen Tiktok eröffnet. Im Februar hatte sie angekündigt, zu untersuchen, wie Tiktok Minderjährige auf seiner Plattform schützt.

Im April ging es dann um „Tiktok Lite“, eine neue App, die Tiktok in Frankreich und Spanien gestartet hatte. Manche Features dieser App könnten gegen DSA-Regeln verstoßen, hatte die Kommission damals gewarnt. Tiktok verpflichtete sich freiwillig, diese Features zurückzuziehen. Die Kommission schloss dieses zweite Verfahren daraufhin.

12 Ergänzungen

  1. Ich kann es nicht mehr hören. Welchen IQ haben denn Menschen, die sich bei ihrer Wahlentscheidung von Social media leiten lassen? Man sollte vlt. darüber nachdenken, diese Menschen erst gar nicht mit aktivem Wahlrecht auszustatten. Andererseits würde die Menschheit nichts wesentliches vermissen, wenn es keine Social Media geben würde. Beider sind valide Varianten, um das Problem ein für alle Mal abzustellen.

    1. Genau: ein qualifizierter Bürger, eine Stimme bei der Wahl!

      Ich bin der qualifizierte Bürger, ich habe die Stimme und damit die Wahl. Wenn Sie das ablehnen sollten, belegt das nur Ihre mangelnde Qualifikation für das Wahlrecht, Sie verlieren also nichts durch meine Wahl.

    2. Es hat nichts mit Tiktok zu tun, die EU findet einfach nur das Ergebnis nicht richtig. Deshalb wurde die Wahl für ungültig erklärt. Niemand kann beweisen, das irgendwer wegen einer Wahlentscheidung durch social media gewählt hat.

    1. Erinnert sich noch jemand an das Referendum von Papandreou in Griechenland 2011? Er wollte sein Volk entscheiden lassen, ob es das Rettungspaket überhaupt will. Mehrere Aktienindizes stürzten nach der Ankündigung sofort ab und Merkel plapperte unironisch von „marktkonformer Demokratie“.

      Aber andererseits sind wir Deutschen ja auch irgendwie an ein verkorkstes Demokratieverständnis gewöhnt. Zur Erinnerung: Wenn nur einer kandidiert, ist es laut demokratieverachtenden Journalisten eine Wahl. Stehen mehrere zur Wahl, ist es eine „Kampfkandidatur“ oder „Kampfabstimmung“.

  2. Also, ein Kandidat der dem Establishment nicht nahe steht kommt nach oben. Und schon wird die Wahl annuliert und alle schreien „Manipulation“. So als seien die Mehrheit der Wähler ganz plötzlich leicht manipulierbare Schafe die keine eigenständige Entscheidung treffen können.

    Dieses vorgehen finde ich mindestens genau so fragwürdig wie diesen Kandidaten der da plötzlich wie aus dem Nichts heraus gewählt wurde. Scheint nicht gut um die Demokratie in Rumänien zu stehen.

    1. Wenn unser Kandidat gewinnt, war es eine demokratische Entscheidung mündiger Wähler, die es zu akzeptieren gilt.
      Wenn deren Kandidat gewinnt, war es das manipulierte Verhalten fehlinformierter Opfer, das es zu korrigieren gilt.

  3. Hmm, und bei den anderen Kriegs-, ach nee, Social Media…, da gibt es sowas nicht?

    Algorithmen im Einzelnen zu händeln erscheint mir eher wie die Windmühlenoption ;). Kommt gleich nach Tulpen! Nicht lachen, es könnte sich als der einzig gangbare Weg herauskristallisieren, Algorithmen gewissermaßen zu standardisieren, bzgl. Bestandteilen, Auswahl und Präsentation, und so dem Nutzer neben Transparenz auch viel Kontrolle zu geben.

    (Vorheriges bitte wegen Typo löschen.)

  4. Die demokratisch gewählte EU Kommission untersucht undemokratische Wahlen? Finde den Fehler.

    Es gibt mittlerweile auch schon Stimmen von den durch die rumänischen Geheimdienste (Geheimdienste sind ja per se immer vertrauenswürdig) beschuldigtern Influencer, die abgestritten haben entweder überhaupt Wahlwerbung gemacht zu haben oder einer hat gesagt, er hat für mehrere Bewerber „geworben“ in dem er Aussagen verbreitet und niemand hat Geld aus Russland bekommen.

    Witzig in dem zusammenhang ist, dass man Georgien das den ausländischen Einfluss transparenter machen wollte, das verbieten will.

    Aber eine komplette Wahl zu annulieren, ist der absolute demokratische Tiefpunkt.

    1. > Die demokratisch gewählte EU Kommission untersucht undemokratische Wahlen? Finde den Fehler.

      Der „Fehler“ ist, dass man in der EU das Parlament wählt und nicht die Kommission. Wenn man die Kommission wählen könnte wäre (hoffentlich) nicht ausgerechnet Zensursula die Kommissionspräsidentin.

      > Witzig in dem zusammenhang ist, dass man Georgien das den ausländischen Einfluss transparenter machen wollte, das verbieten will.

      Ausländischer Einfluss ist halt nur dann gut, wenn er von uns ausgeht.

      > Aber eine komplette Wahl zu annulieren, ist der absolute demokratische Tiefpunkt.

      Es heißt ständig, Putin würde Propaganda gegen die EU finanzieren, um sie zu diskreditieren. Aber das Geld kann sich Putin sparen (und macht er vermutlich auch), denn die EU neigt dazu, sich ganz von alleine zu diskreditieren. Zum Beispiel wenn sie Diktatoren kritisiert und gleichzeitig selber diktatorische Dinge macht.

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