Verhandlungen zur ChatkontrolleEntscheidung auf kommende Woche vertagt

Erneut gab es keine Mehrheit für den Chatkontrolle-Vorschlag der ungarischen Ratspräsidentschaft. In der kommenden Woche könnten sich aber die Minister:innen einigen – wenn nicht weiterhin genug Länder gegen die anlasslose Überwachung sind.

Eine verschlossene gelbe Holztür in einer schwaren Wand. Neben der Tür hängt eine kleine Laterne.
Noch bleibt die Tür für die Chatkontrolle geschlossen. – Public Domain Pexels / Pixabay

Der EU-Rat konnte sich erneut nicht zur umstrittenen Chatkontrolle einigen. Der Vorschlag ist damit weiterhin blockiert. Die Chatkontrolle wurde aber auf die Agenda für das nächste Treffen der Justiz- und Innenminister:innen gesetzt, das kommende Woche Donnerstag ansteht. Diese könnten dann bei einer offenen Aussprache eine Einigung erzielen. Der Vorschlag würde dann in die Trilogverhandlungen mit Kommission und Parlament gehen.

Die Abstimmung stand schon für Mittwoch auf der Tagesordnung, wurde dann aber auf heute vertagt. Die Abstimmungen im sogenannten Ausschuss der Ständigen Vertretungen sind eigentlich nur Vorbereitungen für die Treffen der EU-Minister:innen. Die ungarische Ratspräsidentschaft änderte das aber diesmal: Hätte es heute eine Zustimmung gegeben, hätte der Punkt nicht noch einmal im Rat besprochen werden müssen. Der Entwurf wäre direkt beschlossen gewesen.

Kernproblem bleibt

An dem Ratsentwurf haben schon mehrere Präsidentschaften herumgedoktert. Der aktuelle ungarische Entwurf sieht vor, dass das sogenannte „Client-Side-Scanning“ auf visuelle Inhalte und URLs beschränkt werden soll. Text- und Audioinhalte sollen nicht gescannt werden. Verschlüsselte Inhalte sollen nur gescannt werden, wenn Nutzer:innen dem zustimmen. Tun sie das nicht, könnten sie aber keine Links, Bilder oder Videos mehr in den Apps verschicken.

Das eigentliche Problem bleibt damit bestehen: Das Gesetz würde eine umfassende Infrastruktur für die Überwachung privater Kommunikation aufbauen. Das würde einen großen Schlag gegen Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation in Europa bedeuten.

Kritik hält an

Gegen die Vorschläge von Kommission und Rat gibt es deshalb schon lange breite Kritik. Der verschlüsselte Messenger Signal hatte angekündigt, sich aus Europa zurückzuziehen, wenn das Gesetz in dieser Form kommen sollte. Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt haben immer wieder vor dem Vorhaben gewarnt, genau so wie Verbände von Informatiker:innen. Selbst der niederländische Geheimdienst warnte vor der Chatkontrolle.

Deutschland war in der Sitzung weiterhin gegen den Vorschlag. Das hat heute Morgen noch einmal Digitalminister Volker Wissing bestätigt: „Für uns ist nach wie vor der ungarische Vorschlag nicht akzeptabel und insofern suchen wir natürlich Unterstützer, die klare Gegenpositionen auch aufzeigen“, so Wissing. Er war gestern und heute wegen einem Treffen der Telekommunikationsminister:innen in Brüssel.

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12 Ergänzungen

  1. „Tun sie das nicht, könnten sie aber keine Links, Bilder oder Videos mehr in den Apps verschicken“

    Ist es jetzt auf das Versenden beschränkt worden? Oder auch das Empfangen?

    Was wäre, wenn Person A dem Scannen zugestimmt hat und ein Bild an Person B sendet, die nicht zugestimmt hat?

    Oder noch verkorkster: Personen A, B, C und D sind in einer WhatsApp-Gruppe.
    A,B und C haben dem Scannen zugestimmt, D jedoch nicht.
    Und dann?

    1. Das ist doch ganz einfach: Dann darf keiner Bilder senden und empfangen. Somit wird auch noch der nötige soziale Druck aufgebaut, dass man doch noch der Durchsuchung zustimmt, bzw. dass man sich nicht mit potentiellen Schwerverbrechern abgibt.

      1. Wobei die technische Umsetzung interessant wird. Bilder sind extra kodiert und für den zentralen Verteilungsserver als solche erkennbar? Oder verwirft der Client die einfach?

        Abgesehen von weiteren technischen Fragen, wie oben indirekt angedeutet, nämlich wie das sichergestellt werden soll (extra Registratur, Hashvergleiche, Plaintext-Hashes, etc.), rückt die zentrale Struktur mit Kontrolle und gewissen „Einsichten“ unweigerlich noch weiter ins Licht, wo doch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schon ein Dauerthema ist.

      2. D könnte mit den Worten „Leckt mich, meine Daten sind mir heilig.“ aus der Gruppe austreten um den Erpressern nicht nachzugeben. Aber so rational dürften die wenigsten Leute denken.

  2. Ich reise gerade durch Pakistan. Dort ist der Messenger Signal blockiert. Aus Gründen.

    Anscheinend nehmen sich inzwischen die antidemokratischen Kräfte der EU solche Länder als Vorbild – Pfui!

    Wenn Europa schon technologisch abgehängt ist und wirtschaftlich absteigt, können wir wenigsten noch bei der Schleifung von Abwehrrechten der Bürgerinnen gegen übergriffige Staaten eine Spitzenposition einnehmen.

    1. @Carsten

      https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/pakistansicherheit/204974

      Sicherheitslage

      In Pakistan kann es jederzeit zu nicht genehmigten politischen Kundgebungen, gewaltsamen Auseinandersetzungen und terroristischen Anschlägen in Islamabad und anderen Städten Pakistans kommen, in deren Fokus auch ausländische Staatsangehörige stehen können. Auch mit Großdemonstrationen, unangekündigten Demonstrationen und Ausschreitungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden muss gerechnet werden.

      Allgemein ist aufgrund der angespannten innenpolitischen Lage mit landesweiten Demonstrationen, Straßenblockaden, erheblicher Präsenz der Sicherheitskräfte, Abschaltungen des Mobilfunknetzes und eventuell gewaltsamen Ausschreitungen zu rechnen, insbesondere in den Großstädten Islamabad, Lahore und Karachi.

      Die islamistischen, gewaltbereiten pakistanischen Taliban hatten Ende 2022 einseitig eine mit der Regierung vereinbarte Waffenruhe für beendet erklärt und ihre Kämpfer zu Anschlägen im ganzen Land aufgerufen. Seitdem wurden vermehrt Terror- und Selbstmordanschläge mit zahlreichen Toten und Verletzten, insbesondere in Teilen der Provinzen Khyber Pakthunkhwa und Belutschistan verübt. Auch andere islamistische Terrorgruppen, z.B. der Islamische Staat Pakistan (ISPK) sowie belutschische Nationalisten verüben vermehrt Anschläge in diesen Regionen.

    2. das kannst du vergessen! in europa wird man alles auf demokratisch legitimierte weise, höchst richterlich abgesegnet überwachen. verbieten eher weniger, aber bis in den letzten winkel regulieren und überwachen. der zukünftige mensch wird sich nicht mehr frei entwickeln können. er wird nach einem bestimmten muster herangezogen. die gesamte gesellschaft wird zu einem einzigen großen individuum.

    3. Ich würde vermuten, dass sich die diktatorischen Länder angucken, was in der EU abläuft und sich dann denken: „Wenn die EU selber solche Gesetze einführt können sich diese Heuchler nicht glaubwürdig darüber beschweren, wenn wir es auch machen.

    4. > Anscheinend nehmen sich inzwischen die antidemokratischen Kräfte der EU solche Länder als Vorbild – Pfui!

      Ich würde eher davon ausgehen, dass die Diktatoren der Welt sich anschauen, was in der EU passiert, und dann denken: „Schön, dass die EU selbst solche Gesetze einführt. Dann können sich die Diplomaten und NGOs aus diesen Ländern nicht glaubwürdig darüber beschweren, wenn wir das auch tun.“

  3. Sorry aber wenn Chatkontrolle durchgedrückt wird sollten EU Staaten deren Politiker nicht mehr China /Russland anprangern, weil sie selbst kein deut besser sind.
    öhm man könnte denn Verdacht äußern das die EU Staaten sich von Russland/China inspirieren lassen haben.

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