Wer sich in Österreich an einem sogenannten Shitstorm beteiligt, muss damit rechnen, für den dadurch entstehenden Gesamtschaden belangt zu werden. Das geht aus einem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) in Österreich hervor.
Das Gericht hat den Fall eines Tiroler Polizisten verhandelt. Er hatte Klage erhoben, nachdem es auf Facebook zu einem Shitstorm gegen ihn gekommen war. Das Gericht entschied zugunsten des Polizisten. Der Beklagte muss nun 3.000 Euro Schadensersatz zahlen.
Der Fall des Polizisten
Der Polizist war im Jahr 2021 auf einer Demonstration gefilmt worden. Die Person, die den Film erstellt hatte, postete das Video mit folgendem Begleittext auf Facebook:
„Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in Innsbruck. Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet, und Stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig.“
Tatsächlich war der Polizist an der Verhaftung des Mannes nicht beteiligt, sondern nur Teil der polizeilichen Absperrkette. Dennoch erhielt er etliche Hasskommentare, die sich gegen seine Person richteten.
Der Beklagte hatte einen Screenshot des Postings geteilt. Der Beitrag war für die Dauer von sechs Tagen auf dessen Facebook-Seite zu sehen. Der Polizist konnte insgesamt 406 Personen ausmachen, die den Beitrag auf ihren Facebook-Profilen geteilt und mitunter herabwürdigend kommentiert hatten.
Der Polizist zog vor Gericht und forderte eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 3.000 Euro. In der Vorinstanz bekam er nur 450 Euro zugesprochen. Der Kläger legte Revision ein, der der OGH stattgab. Der Beklagte ist nun zu einer Zahlung von 3.000 Euro verpflichtet, unter anderem wegen der „Bildnisschutzverletzung nach dem Urheberrechtsgesetz“ und der Verletzung des Datenschutzes.
Mehr Opferschutz im Netz
Der Angeklagte muss die auferlegte Strafzahlung nicht allein tragen. Der OGH kommt zu dem Schluss,
dass das Opfer eines Shitstorm nicht zu jeder von ihm erlittenen Kränkung oder Gefühlsbeeinträchtigung, etwa durch Konfrontation damit in seinem Umfeld, die konkrete „Quelle“ der herabsetzenden Äußerung als Ursache benennen und belegen muss. Es genügt der Nachweis des Klägers, Opfer eines Shitstorm gewesen zu sein, und dass sich der konkret belangte Schädiger daran rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat.
Somit sind Geschädigte nicht dazu verpflichtet, nachzuweisen, welche Personen an einem Shitstorm beteiligt gewesen sind. Sie müssen nur beweisen, dass sie Opfer eines Shitstorms geworden sind und ihnen mindestens eine andere Person rechtswidrig einen Schaden zugefügt hat.
Der Beklagte hat die rechtliche Möglichkeit, sich von anderen Personen, die an dem Shitstorm beteiligt waren, einen Anteil der Kosten zurückzuholen.
„Die Schwierigkeit, andere Schädiger ausfindig zu machen, und das Risiko der Uneinbringlichkeit (bei einzelnen Schädigern) ist von den Schädigern zu tragen“, so der OGH. „Die einzelnen Poster, die zumindest teilweise untereinander vernetzt sind und wissen, an welche ‚Freunde‘ sie den Beitrag weitergeleitet haben, haben die Schadensaufteilung im Regressweg untereinander vorzunehmen.“
Eine reißerische Überschrift aber macht mal halblang. Bei einem Shitstorm kann man gefahrlos mitachen, sofern man keine Straftaten begeht, wie z.B. üble Nachrede, was im vorliegenden Fall gegeben war. Für einen Shitstorm gibt es zudem keinerlei anerkannte Definition.
Das macht es nur noch gefährlicher, weil freidrehende Richter da einfach alles reininterpretieren können was sie wollen. Wenn mehr als eine Person einen Politiker sachlich darauf hinweist, dass er faktisch falsche Aussagen getroffen hat könnte das bereits als „Shitstorm“ interpretiert werden.
Ist halt egal, denn laut Urteil
„Es genügt der Nachweis des Klägers, Opfer eines Shitstorm gewesen zu sein, und dass sich der konkret belangte Schädiger daran rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat.“
muss die Aktion“rechtswidrig und schuldhaft“ begangen werden.
Eine korrekte Tatsachenbehauptung oder zulässige Meinungsäußerung wird das nicht erfüllen.
„Bildnisschutzverletzung nach dem Urheberrechtsgesetz“ und der Verletzung des Datenschutzes
Da kommt der Polizei der Datenschutz einmal gelegen. Es scheint auch niemanden zu interessieren, was aus dem 82-jährigen Opfer wurde?
Es ist halt egal, denn hier geht es ausschließlich um das Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger.
„Sie [Geschädigte] müssen nur beweisen, dass sie Opfer eines Shitstorms geworden sind und dass ihnen daraus ein Schaden entstanden ist.“
Das ist natürlich falsch, denn, wie direkt darüber aus dem Urteil zitiert, es ist auch nachzuweisen „dass sich der konkret belangte Schädiger daran rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat.“
Das steht direkt dadrüber, in der Tat. Wir haben den Text an der Stelle ergänzt, um etwaige Missverständnisse zu vermeiden.
Wie hat man sich denn die Vornahme der Schadensaufteilung im Regressweg untereinander vorzustellen? Soll der Verurteilte einen weiteren ihm bekannten Beteiligten verklagen? Wenn sich diese Kette so fortsetzen soll, bis am Ende der Schaden gleichmäßig aufgeteilt ist, müsste man ja damit rechnen, dafür am Ende so viele Verfahren führen zu müssen wie es Beteiligte am Shitstorm gab.
Das ist das zivilrechtliche Problem des Beklagten. Mit dem Urteil ist prinzipiell klar, dass jeder „Teilnehmer“ ebenfalls zur Haftung gezogen werden kann, eine entsprechende Zivilklage also jedenfalls verliert.
Wie robust der Beklagte das von wem einfordert, ist seine Entscheidung. Die 3k einfach zu bezahlen könnte das einfachste sein.
Klar, das ist extrem formal und aus hochprivilegierter Perspektive eines Richters gedacht. Auf der juristischen Ebene aber schwer anders zu machen, da ist eher der Gesetzgeber gefragt.
ich finde es bezeichnend, dass das opfer ein polizist war und frage mich, ob das urteil so ausgefallen wäre, wenn das opfer ein mensch gewesen wäre mit typischeren eigenschaften eines opfers von shitstürmen.. die ärztin zum beispiel, die sich am ende umgebracht hat, ihr erinnert euch? irgendwie hatte sie nicht so viel erfolg ihrer shitstürmer herr zu werden.