Trilog-EinigungKein effektiver Widerspruch gegen Nutzung von Gesundheitsdaten durch Dritte

EU-Parlament und Rat haben sich gestern Nacht auf einen Verordnungsentwurf für einen „Europäischen Gesundheitsdatenraum“ geeinigt. Versicherte sollen demnach der Weitergabe ihrer Daten widersprechen können. Die Einschränkungen sind mitunter aber so groß, dass die Patient:innenrechte zur Makulatur zu geraten drohen.

Vertreter:innen des EU-Parlaments und des Rats nach ihrer Einigung über den Europäischen Gesundheitsdatenraum
Sichtlich zufrieden: Vertreter:innen des EU-Parlaments und des Rats gestern Nacht – Alle Rechte vorbehalten LIBE Committee Press

Die Erleichterung unter den Vertreter:innen des EU-Parlaments und des Rats ist offenkundig groß. Gestern Nacht haben sie sich auf eine gemeinsame Position zum sogenannten Europäischen Gesundheitsdatenraum geeinigt. Die Zeit drängte, denn die entsprechende Verordnung soll noch vor den Europawahlen im Juni verabschiedet werden.

Im „Datenraum“ sollen ab dem Jahr 2025 die Gesundheitsdaten aller rund 450 Millionen EU-Bürger:innen gespeichert werden. Er soll den grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten erleichtern: zum einen bei der Primärnutzung, wo es um die Behandlung und Versorgung von Patient:innen geht; zum anderen bei der Sekundärnutzung, bei der die Gesundheitsdaten der Forschung zugutekommen sollen.

Bis zur buchstäblich letzten Minute wurde in den Trilog-Verhandlungen um die Frage gerungen, ob und inwieweit Bürger:innen der Weitergabe und Verwendung ihrer persönlichen Gesundheitsdaten widersprechen dürfen. Aus Gesundheitsdaten lassen sich überaus sensible Informationen zu jeder einzelnen Person ableiten. Deshalb sind sie besonders schützenswert.

Die nun erzielte Einigung sieht vor, dass die Patient:innen der Datennutzung in allen EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich widersprechen können. Gerade aber bei der Sekundärnutzung fasst die erzielte Einigung die Ausnahmen jedoch so weit, dass die Widerspruchsmöglichkeiten zur Makulatur zu geraten drohen.

Wo Versicherte widersprechen können

Dessen ungeachtet begrüßt der führende Berichterstatter Tomislav Sokol von der christdemokratischen EVP-Fraktion die Einigung: „Der Europäische Gesundheitsdatenraum wird den Bürgerinnen und Bürgern die Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten geben“, so Sokol, „indem er einen sicheren Rahmen für die Speicherung und den Zugriff auf ihre persönlichen Gesundheitsdaten bietet, der überall in der EU zugänglich sein wird“.

Auch Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit, zeigt sich nach der Trilog-Einigung zufrieden. Der Europäische Gesundheitsdatenraum werde die Entwicklung lebensrettender Behandlungen sowie bessere gesundheitspolitische Entscheidungen ermöglichen, so die Kommissarin, „und das alles bei strengen Datenschutz- und Sicherheitsvorkehrungen“.

Im Detail sieht die Trilog-Einigung vor, dass Patient:innen hinsichtlich der Primärnutzung widersprechen können, dass Behandelnde auf ihre Daten zugreifen können – „es sei denn, dies ist zum Schutz der lebenswichtigen Interessen der betroffenen Person oder einer anderen Person erforderlich“. Unter keinen Umständen dürfen die Daten zu Werbezwecken und zur Beurteilung von Versicherungsanträgen genutzt werden. Darüber hinaus müssen Patient:innen darüber informiert werden, wenn Dritte auf ihre Daten zugreifen.

Bei der Sekundärnutzung gehen die Ausnahmen erheblich weiter und sie sind obendrein unscharf formuliert. Demnach dürfen sich Patient:innen gegen die Weitergabe und Nutzung ihrer Daten zu Forschungszwecken aussprechen. Allerdings gilt dies nicht „für Zwecke des öffentlichen Interesses, der Politikgestaltung oder der Statistik sowie zum Schutz von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen“.

„Datenraum für Wirtschaft, nicht für Patient:innen“

Bianca Kastl vom Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit kritisiert die Einigung. „Die Ausnahmen des Opt-Outs von der Sekundärdatenutzung bieten leider den Interpretationsspielraum von der Größe eines Scheunentors“, sagte Kastl gegenüber netzpolitik.org. „Öffentliches Interesse? Politische Entscheidungen? Es gibt nun sehr viele Ausnahmen, die am Ende alles sein können.“

Noch bemerkenswerter aber sei es, dass explizit der Schutz von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen aufgenommen wurde, so Kastl. „Hier zeigt sich der eigentliche Kern: Der Europäische Gesundheitsdatenraum ist für die Wirtschaft gemacht, nicht für Patient:innen.“

Auch Ralf Bendrath, der als Fraktionsreferent der Grünen an den Trilog-Verhandlungen teilgenommen hat, wertet die Einigung dahingehend als unzureichend. Die Patientendaten würden für sekundäre Zwecke verkauft, ohne dass es ein echtes Opt-out gebe, sagt Bendrath.

Damit untergrabe die Europäische Union dringend benötigtes Vertrauen, kritisiert Patrick Breyer, EU-Abgeordneter der Piratenpartei. „Die EU lässt sensibelste Patientenakten anhäufen, vernetzen und weitergeben, ohne aber die Kontrolle und Selbstbestimmung der Patienten über ihre Daten sicherzustellen“, so Breyer. „‚Alles geht, nichts muss‘ ist kein Ansatz, dem Patienten vertrauen können. Ohne Vertrauen kann ein Europäischer Gesundheitsdatenraum nicht funktionieren.“

Vor einem Monat hatten 13 europäische Organisationen und Gewerkschaften in einem offenen Brief ebenfalls angemahnt, dass ein unzureichendes Widerspruchsrecht die Vertraulichkeit zwischen Behandelnden und Patient:innen sowie zentrale Grundsätze des Datenschutzes beschädigen würde. Erst wenn Patient:innen eine umfassende Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten erhalten, so das Fazit des Briefes, verdiene der Europäische Gesundheitsdatenraum auch deren Vertrauen.

Die Hoffnung der Kritiker:innen ruht nun auf der finalen Abstimmung im EU-Parlament. Ende April wird das Plenum final über den Kompromissentwurf abstimmen. „Mit viel Lärm“ könne der Entwurf dort noch scheitern, so Ralf Bendrath. „Aber das erfordert koordinierte Kampagnenarbeit bis dahin.“

40 Ergänzungen

  1. Mit den Stimmen welcher Parteien wurde dies so beschlossen?
    Man benötigt ja eine Entscheidungshilfe für die anstehende Wahl.
    Eine völlige Ignoranz der Bürger, so etwas auch noch als „Bürger sind Herren ihrer Daten“ zu verkaufen.

    1. Die Einigung wurde unterstützt von EVP (Christdemokraten), S&D (Sozialdemokraten), EKR (EU-skeptische Konservative und Rechte) und einem Teil von Renew Europe (Liberale). Es wird aber auch hier sicherlich einige Abweichler*innen geben, die das nicht mittragen.

  2. FYI

    https://dzw.de/epa-saechsischer-hartmannbund-wuenscht-sich-den-boykott

    Zitat: So habe die Gematik offenbar keine Möglichkeit vorgesehen, Dokumente in der patientengeführten ePA auf das >> Vorhandensein von Viren zu prüfen << – auch auf einen integrierten Virenscanner sei verzichtet worden. Die diesbezüglichen Bedenken seitens des Bundesverbands Gesundheits-IT (bvitg e. V.) seien sehr ernst zu nehmen und würden hoffentlich auch rasch von den Verantwortlichen der Gematik aufgenommen, so Lipp weiter.

    „Daneben dürfte auch das in der ePA eingesetzte PDF-A Format der Mehrzahl der am Markt bestehenden Praxisverwaltungs- und Klinikinformationssysteme Probleme bereiten.

    Da diese Systeme in den meisten Fällen nicht PDF-A kompatibel sind, bleibt nur der Umweg, die Dateien anderweitig in das Format zu konvertieren – was aber mit der Gefahr des Verlusts von im Dokument eingebetteten Metadaten einhergeht. So wird es erkennbar nicht funktionieren, und dass alle betroffenen Softwarehäuser ihre Systeme binnen Jahresfrist bis zum Start der ePA anpassen können, wage ich zu bezweifeln“, kritisiert der Sächsische Hartmannbund-Landesvorsitzende.

    „Des Weiteren wäre eine Volltextsuche ohne großen Aufwand realisierbar gewesen. Der Verzicht darauf ist schwer nachzuvollziehen, denn selbst wenn die meisten ePAs am Anfang noch nicht prall gefüllt sein mögen, wäre diese Funktion absolut sinnvoll und auch ein echter Mehrwert für die Anwendung an sich“, so Lipp weiter. Und auch die verpasste Chance, nun Bilddaten in die Akte hochladen zu können, sei bedauerlich.

    „Niemand hätte erwartet, dass eine unbegrenzte Zahl von Bilddaten hochgeladen werden kann. Aber so bleibt nun weiter nur das Mitschleppen von Datenträgern – das ist im 21. Jahrhundert eigentlich ein schlechter Witz“, so Lipp abschließend.

      1. DICOM – Digital Imaging and Communications in Medicine
        (deutsch Digitale Bildverarbeitung und -kommunikation in der Medizin) ist ein offener Standard zur Speicherung und zum Austausch von Informationen im medizinischen Bilddatenmanagement. DICOM standardisiert sowohl das Format zur Speicherung der Daten, als auch das Kommunikationsprotokoll zu deren Austausch. Typisches Volumen pro Datei in MB *.dicom 40 – 800 MB.

        Bei rund 450 Millionen EU-Bürger:innen (MRT CT PET Single Image ~1 Gigabyte) ergeben sich dann
        (450 x 1000 x 1000 x 1 Gigabyte :) ~450 PetaByte an Datenvolumen.

        https://blocksandfiles.com/2024/01/12/nand-in-2023/

        Ohne ein Gigabit Passive Optical Network (GPON) 2,5 Gigabit/s in Downstream als Anbindung der Praxis feiert „die Sanduhr“ beim Download der Daten fröhliche Urständ.

  3. Aber es ging doch um die Frage, ob man schon der REGISTRIERUNG – also dem Anlegen einer ePatientenakte – widersprechen kann (so dass es gar keine Nutzung geben kann) ?

    Stand 12. 2023 (aus dem EU-Parlament):
    „Ein im Plenum angenommener Änderungsantrag soll nun präziser klarstellen, dass die Mitgliedstaaten natürlichen Personen ein Widerspruchsrecht („Opt-Out“) gegen die Registrierung und nicht nur gegen die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten in einer Elektronischen Patientenakte (EHR) einräumen können. Die in Deutschland mit dem Digital-Gesetz (DigiG) geplanten Regelungen zum Opt-Out Verfahren der EHR stehen daher nicht im Widerspruch zur Parlamentsposition.“
    Quelle: https://dsv-europa.de/de/news/2023/12/ehds.html

    Wenn man nun der Registrierung nicht widersprechen darf, dann ist es KEIN opt-out.

    1. Bei Patrick Breyer finde ich folgende Infos:
      1. „Ein europaweiter Zwang zur elektronischen Patientenakte konnte auf Initiative u.a. des Europaabgeordneten der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer verhindert werden. Das deutsche und österreichische Widerspruchsrecht gegen die Einrichtung einer elektronischen Patientenakte ist damit gerettet.“ (Ich verstehe das so: ich widerspreche dem Anlegen hier in DE, damit gibt es keine digitalisierten Patientenakten-Daten von mir, die in das EHDS einfließen können. Stimmt das so ?)
      2. „Kein Widerspruchsrecht gibt es gegen die Weitergabe medizinischer Registerdatensätze und von Abrechnungsdatensätzen.“ (Ich verstehe das so, dass e-Rezeptdaten ihren Weg doch irgendwie in das EHDS finden werden?).

      Beispiele, was das Verhandlungsergebnis der EU nun bedeutet, für opt-out Interessenten, würden dem richtigen Verständnis helfen, glaube ich.

      1. Irene Latz sagt:
        > 1. „Ein europaweiter Zwang zur elektronischen Patientenakte konnte auf Initiative u.a. des Europaabgeordneten der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer verhindert werden. Das deutsche und österreichische Widerspruchsrecht gegen die Einrichtung einer elektronischen Patientenakte ist damit gerettet.“ (Ich verstehe das so: ich widerspreche dem Anlegen hier in DE, damit gibt es keine digitalisierten Patientenakten-Daten von mir, die in das EHDS einfließen können. Stimmt das so ?)

        Das habe ich; vor einiger Zeit als das ‚Thema‘ war; auch so verstanden. Und gleich bei meiner KV angerufen und notieren lassen das ich der Einrichtung einer ePA für mich widerspreche. Man versicherte mir das dies Notiert sei und es; wenn es denn akut werde; sich daran halten würde.

        Jetzt bleibt wohl nur ab zu warten. Ob sich nicht noch ein Diktokrat findet der einen Winkelzug ausheckte der das wieder konterkariert. Ich nehme an NP wird’s berichten. ;-)

    1. Das ist Bullshit-Bingo. Verdummung, die durch bewusst falsche Begriffe und Vereinfachung betrieben wird.

      Anonymen Verdummern kommt es nicht darauf an zu erklären, wo Ausbeutung mittels Gesundheitsdaten anfängt, aber auch wo sie endet.

      Anonyme Verdummer treiben eure Emotionen hoch, bis ihr chronischen Bluthochdruck bekommt. Wem nützt das?

      1. OK, also nach einem Verdummungspost wieder zurück zum Inhalt: Inwiefern erklärt sich „moderne Sklaverei“ nicht von selbst?

        1. > Inwiefern erklärt sich „moderne Sklaverei“ nicht von selbst?

          Weil sich komprimierte Begriffe nicht von selbst erklären. Mit „moderner Sklaverei“ wird eine sklaverei-ähnliche Abhängigkeit bezeichnet, die mittels Gewalt und Zwang aufrecht erhalten wird. Insofern wäre das Vorhandensein solcher Voraussetzungen notwendig, um Sklaverei in Erwägung zu ziehen. Wer Sklaverei also vorwirft, muss dafür Formen von Gewaltanwendung nachweisen.

          1. Das Konzept „Lohnsklave“ z.B. kommt ohne direkte Gewalt aus. Bis zu viele aufmucken. Daher wohl das Wort „modern“.

            Einbehalten des Passes von Migranten ist ein Beispiel, vgl. Katar u.a. Nun in diesem Kontext, naja, vielleicht drohen wir zu Sklaven des Systems zu werden?

            Als Parole Verdummung, als Verdummung ungeeignet (wenn man sich Parolen widersetzt).

      2. Chronischen Bluthochdruck von anonymen Posts, naja, nehmen wir mal an hier sind Formen von Humor enthalten.

        Also Reden wir über Ausbeutung? Ist dann Sklaverei nicht nur eine Übertreibung, oder eine Verharmlosung von Sklaverei? Wenn man Begriffe hier falsch nimmt, ist das mit Bullshitbingo und Verdummung um sich zu werfen so eine Sache. Am Ende verbreiten Sie selbst Unsinn.

        Ich habe das oben nicht geschrieben, und man kann es auch halb-humoristisch auffassen, wenn man unbedingt will. Es ist definitiv eine Form der Ausbeutung, die Menschen anzuzapfen ohne Möglichkeit sich dem zu entziehen. Klar kommt es darauf an, wo was anfängt und wo es aufhört, aber das wäre ja gerade Aufgabe des verblödeten Entwurfs gewesen, genau das klarzustellen. Hier wirft man also den falschen Leuten fehlende Aufklärung vor.

        Als nächstes lassen wir sicherlich die Big Tech und Big Pharma dran, zzgl. allerlei KI-Waschanlagenstartups, und bestimmt haben wir vergessen zu regeln, wieviel an Ergebnissen in die Wissenschaft zurückfließen müssen, ob Patente daraus bzw. auf Enthaltenes passieren dürfen, bzw. wie, etc.p.p. Nicht dass wir da eine gesellschaftliche Debatte verschlafen haben, was wir meinen, wie wir leben und sterben wollen. Immerhin gibt es das Konzept der Zwangslizenzen für den Krisenfall.

        1. Oftmals ist „Bluthochdruck“, oder „Hals“, Auslöser für sehr sehr kurze Posts, verwechselt man da Ursache und Wirkung?

          Letztlich sollten wir uns nicht auf einen Umfragen-Peripheriemodus einlassen (periphere Gebiete, die wir gar nicht durchdrungen haben, vorgeframed oder von selbst überschießend extrapolierend und plausibilisierend bzw. rationalisierend beantworten, obwohl man nicht in der Situation ist). Analog erkennen wir z.B. Wut, aber wir werden nicht wütend, in dem Sinne, als das wir wohl mitfühlen können, aber selbst wenn wir Wut empfinden, das ganze hinterfragen können – ähnlich für Glaubenssätze. Wir mögen Kernsätze pflegen, die dann schon recht gut erforscht sind. Das werden hoffentlich keine Propagandamoden sein. Wie soll Demokratie oder Zivilisation sonst nachhaltig funktionieren? Das andere wäre al-Qaida ~ den Wolf zum explodieren bringen.

          Viele Stimmungsumfragen testen nur, ob Menschen für die Propaganda von Parteien empfänglich sind, grob gesagt „den Scheiß glauben“. Die Taurusdebatte z.B. ist lustig. Die Antworten waren zwar z.T. unbefriedigend, aber will jemand vielleicht noch den Bauplan haben? Hinzu kommt die Frage, wer noch 500+ km Reichweite liefern möchte. Gibt’s zu wenige ATACAMS? Warum nicht Tomahawks oder ICBMs? Warum sollte ein Ringtausch mit UK funktionieren, wenn wir bei der Abgabe an UKR bereits Verteidigungsunfähig wären? Wie steht es mit der Härtung gegen bösartige Programmierung, kann man nicht eine dumbed-down Version nur für Koordinateneingabe und eingeschränkte Moduswahl liefern? Müsste DE zugucken (Gucken vs. Rudern)? Software/Hardwareupdates nötig? Neue zertifizierung vielleicht noch? Will jemand testen?

          1. „Umfragen-Peripheriemodus“

            Anderer Blickwinkel: Internet-Kunstaufregung. Man regt sich quasi künstlich auf, bzw. übertreibt mehr oder weniger kunstvoll, weil es eben auch nicht die richtige Kommunikation ist (Evolution häkelt da noch dran herum). Eigentlich ist es eine Form von Aufregung unter Vorbehalt, da man eigentlich noch Information und damit die Voraussetzung konsolidieren müsste. Gleichzeitig ist es oft eine unverbindlichere Aufregung, wenn es nur ein kurzer Wellenschlag ist.

            Demgegenüber stehen real schädliche Versuche, Unzufriedenheit der Menschen, die real und oft aus gutem Grund besteht, durch Verklammerung mit propagandistisch Verwutbarem zu verbinden, und die Menschen dem Prinzip der Chaoskontrolle gemäß auf einem verwertbaren Torus zu halten (wenig Energiezugabe, quasiperiodisches Verhalten). So versucht man Unzufriedenheit zu Wut bzw. Verhalten zu klammern, oder direkt Wut zu Wut. Erwartet man eigentlich von Alieninvasoren.

          2. > Demgegenüber stehen real schädliche Versuche, Unzufriedenheit der Menschen, die real und oft aus gutem Grund besteht, durch Verklammerung mit propagandistisch Verwutbarem zu verbinden, und die Menschen dem Prinzip der Chaoskontrolle gemäß auf einem verwertbaren Torus zu halten

            Vgl. hierzu Peter Sloterdijk (Zorn und Zeit, 2006). Sloterdijk prägte dafür den Begriff „Zornbank“, um ein Bild zu geben, für die Bewirtschaftung/Kultivierung von Wut und Zorn. Aus historische Perspektive waren Religionen ‚geeignete Gefäße zur Endlagerung von Zorn‘. An deren Stelle sind moderne Zornbanken getreten, bei denen „thymotische Ersparnisse“ deponiert werden können. Als Beispiel führt er an (S. 244): „Das Managementgeheimnis der Russischen Revolution bestand darin, die fehlenden Zornmengen durch Zwangskredite aufzutreiben. Man erzeugte folglich enorme Mengen an ausbeutbarer Angst – verbunden mit der erpreßten Bereitschaft, Unterstützung für die Projekte der revolutionären Zornpolitik zu heucheln.“

            Unsere heutigen Zornbanken sind u.a. Parteien und „Bewegungen“. Manche sehen sich nun um ihre „Ersparnisse“ gebracht. Was haben sie erwartet?

          3. „Was haben sie erwartet?“

            Naja, wissenschaftlich sind wir an einigen Stellen weiter, aber als Gesellschaft offenbar noch nicht bereit, Schwachstellen zu flicken. Oder wir sind nicht in der Lage, uns gegen Kräfte durchzusetzen, die anderes mit uns vorhaben. Als Fangfrage: Ist es also Aufgabe der Wirtschaft, menschliche Schwachstellen zu flicken? Wer nimmt sich derer auf welche Weise an, und wieviele Jahrhunderte lang soll das noch gut gehen…

          4. @Alchemist des Grauens

            Ein kluger Beitrag. Ich versuche darauf weiter unten mit einer neuen „Ergänzung“ zu antworten.

          5. Latest News: Produktion bräuchte eine sogenannte Bestellung. Präferiert 1000 Stück. Zeit zur Lieferung ca. 3 Jahre. Laut Hersteller.
            Frage: Wo soll der Hase nun lang? Oder kurz was anderes? What’s the plan, man?

  4. Kann es sein, dass die Konservativen und Liberalen fast ausschließlich gegen die Interessen der Bürger und Bürgerinnen der EU votieren? Mir scheint es derzeit so, ihr Programm ist nicht positive Gestaltung im Interesse der Menschen, sondern die erklärte Feindschaft.

    1. > Mir scheint es derzeit so, ihr Programm ist nicht positive Gestaltung im Interesse der Menschen, sondern die erklärte Feindschaft.

      Mit Interessen lagen sie noch richtig. Mit Feindschaft haben sie ihren Punkt „versaut“.

      Wer Ausbeutung betreibt weiß, dass die Auszubeutenden sein wertvollstes Kapital sind.

    2. Die Konservativen und Liberalen votieren konsequent für die Interessen von Bürger und Bürgerinnen der EU.

      Sie sind halt sehr selektiv, für welche sehr wenigen Bürger. Aber trotzdem werden sie ebenso konsequent von der Mehrheit der Bürgern dafür gewählt.

    3. Die EU Demokratie funktioniert: die Mehrheit der Wähler stimmt konsequent für die Interessenvertreter der wenigen Hochprivilegierten und das Ergebnis ist eine Politik konsequent zu Gunsten der Hochprivilegierten.

      Ist in Deutschland nicht anders: die Mehrheit verweigert jede Änderung, von der auch schlechter Gestellte profitieren würden, und akzeptiert jede Verschlechterung zu Gunsten der besser Gestellten. Das Top 1% kommt aus dem Lachen gar nicht mehr raus.

      1. > die Mehrheit der Wähler stimmt konsequent für die Interessenvertreter der wenigen Hochprivilegierten

        Ist das so? Wer sind denn die „Interessenvertreter der wenigen Hochprivilegierten“? Und welche Mehrheit erkennen Sie da? Um darüber seriös reden zu können müssten sie ihre Behauptung mit ein paar Parteinamen und Prozentzahlen versehen.

        1. Wenn Sie bezüglich der deutschen Parteilandschaft so unbeleckt sind, bietet sich die bpb an. Geben Sie sich nicht auf.

          Ansonsten reicht ein Blick auf den deutschen Bundestag und die Entwicklung von Vermögensverteilung und Steueranteil der letzten 30y.

      2. Ein Beispiel: der Immobilienhai (und damit der Banker), der den Arbeitern das Geld FDP-legal stiehlt, spendet* der CDU 800000. Der Arbeiter spendet der BSW 5.

        *https://www.die-partei.de/2023/11/29/cdu-groener-spendenskandal/

  5. Das ist doch nen Schlechter Witz! Wenn die Daten zu 100% anonym verwendet würden, meinetwegen. Aber so ist das schon gefühlt Enteignung und Diebstahl in einem Zug.

      1. Wahrscheinlich…
        Wie bei gefühlt allem, was die EU in den letzten Monaten/ Jahren beschlossen hat bzw zu beschließen versucht…

    1. Das meint natuerlich das Vertrauen der Politiker in die sie beratenden Lobbyisten. Die muessen am besten wissen, wie ein Europaeischer Gesundheitsraum konzernprofitabel funktionieren kann.

  6. Alchemist des Grauens sagte:
    „Naja, wissenschaftlich sind wir an einigen Stellen weiter, aber als Gesellschaft offenbar noch nicht bereit, Schwachstellen zu flicken. Oder wir sind nicht in der Lage, uns gegen Kräfte durchzusetzen, die anderes mit uns vorhaben. Als Fangfrage: Ist es also Aufgabe der Wirtschaft, menschliche Schwachstellen zu flicken? Wer nimmt sich derer auf welche Weise an, und wieviele Jahrhunderte lang soll das noch gut gehen…“

    Wissenschaft liefert vorläufige Erkenntnisse, diese werden meist nach ungefähr 15-20 Jahren „gesellschaftsfähig“, nicht selten verbunden mit Anpassungsdruck und Reaktanz.

    Ja, es gibt Kräfte, „die anderes mit uns vorhaben.“ Diese gilt es zu beschreiben und zu benennen. Hier darf man nicht im Unklaren bleiben. Es geht um Ausbeutung von Ressourcen, intellektuell, materiell, finanziell – und um Macht und Ausprägungsformen von Macht (Gewalt, Repression, Revanchismus).

    Die Frage nach der Verantwortung derer, welche die „Sphäre der Wirtschaft“ antreiben und betreiben ist eine ganz zentrale, die aber an Komplexität scheitert, Vereinfachung aber „zum Teufel nochmal“ nicht verträgt. Auch hier setzt sich Macht nahezu ungehindert, und gelegentlich skrupellos durch.

    „Ist es also Aufgabe der Wirtschaft, menschliche Schwachstellen zu flicken?“ – eine sehr gute Frage, die einlädt, sie aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten.

    — Fortsetzung folgt —

  7. Zur Fangfrage eines Alchemisten des Grauens

    Von welchen „menschlichen Schwachstellen“ sollen wir hier reden? Davon gibt es mehrere Kategorien. Eine unvollständige Aufzählung könnte sein: Tugendliche Schwächen. Gesundheitliche Schwächen. Schwächen kognitiven Unvermögens. Schwächen in der Anpassung. Schwächen im sozialen Verhalten.

    Der Mensch neigt dazu, Schwachstellen lieber bei anderen zu suchen, als bei sich selbst. Dennoch entstehen, nach hinreichender Desillusionierung, Bedürfnisse, seine eigenen Schwächen erstens zu verbergen, und zweitens zu mindern (in dieser Reihenfolge) soweit möglich, und drittens Stärke vorzutäuschen.

    Diesen „Acker Gottes“ (sarkastisch) gilt es zu bestellen und zu kultivieren und diese Aufgabe hat sich „die Wirtschaft“ unter den Nagel gerissen, die machen das mehr oder minder ungefragt und unkontrolliert, in erster Linie zum Zweck des eigenen Wohls.

    Da es hier um Gesundheitsdaten geht, wäre noch der Euphemismus „Gesundheit“ festzustellen, für sensibelste Daten, die persönliche Krankheit betreffend. Täuschung also auch hier, gesellschaftlich durch „Einbimsung“ anerkannt und nicht mehr hinterfragt.

    Zur Frage, „wieviele Jahrhunderte lang soll das noch gut gehen“ mag jeder/e geneigt sein zu denken – aber nicht öffentlich zu sagen: „Ich wäre froh, wenn das bis zum Ende meiner würdigen Rententage irgendwie noch reicht. Bis dahin genieße ich meinen Bypass, mein Bier und meinen Achtzylinder.“

    Die Erfassung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten dient dazu, den Status Quo kostenminimierend/gewinnmaximierend aufrecht zu erhalten, damit die Karawane unbehelligt weiterziehen kann. Ein paar werden aber schon noch vom Kamel fallen. Wichtig ist ein Narrativ (für naive Narren) von Fortschritt und guter Zukunft. Das ist die Möhre vor der Nase der Esel, „zieht“ aber auch bei Kamelen.

  8. Der nächste Witz ist doch: warum sollte diese Sekundärnutzung denn europäischen Wirtschaftsinteressen nutzen? Dann hat der amerikanische Konzern eben pro Forma ein Unternehmen mit fünf Mitarbeitern in Europa und ruft die Daten ab.

    Forschung und Entwicklung finden weiter in den USA statt.

    Nicht mal davon haben europäische Bürger also etwas. Die EU war mal eine nette Idee aber sie wird immer mehr zum Instrument in Themen umzusetzen, ohne das der durchschnittliche Bürger etwas davon mitbekommt.

    Ps: wenn es um Forschung gehen würde, wäre eine anonyme Verarbeitung völlig ausreichend. Die ist aber explizit nicht gewollt.

    Lustig ist auch das Verbot der Verwendung dieser Daten im Rahmen von Arbeitsverhältnissen. Wie will man das denn nachweisen?

    Richtig, gar nicht.

    Und das regt mich am meisten auf: diese Geschichten, die da immer erzählt werden, wie man ja nur das beste für den Bürger möchte. Seid einfach ehrlich, dass es hier im Daten für Unternehmen geht, die in vielen Fällen auch Großspender sein werden und fertig.

  9. Danke für die Info !
    und ich bin entsetzt, dass der Bürger über diese geplante Entwicklung nicht ausreichend vorher informiert wird (z.B. in den öffentlich rechtlichen Nachrichten).
    Gibt’s irgendwo im Netz schon einen Brief an seine/n Eu-Abgeordnete/n, dass man mit der Weitergabe von Gesundheitsdaten ohne Widerspruchsrecht (=Aufgabe von Persönlichkeitsrechten, informationeller Selbstbestimmung), besser wäre vorherige Einwilligung, auf keinen Fall einverstanden ist; und der / die Abgeordnete/in wird aufgefordert, sich dafür (für die Bürgerrechte, Arztgeheimnis, etc) einzusetzen und gegen den EU-Gesundheitsdatenraum
    ????

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