Die schwarz-grüne Landesregierung von Schleswig-Holstein hat gestern ein „Sicherheits- und Migrationspaket“ vorgestellt, das unter anderem verschiedene Arten der biometrischen Gesichtserkennung erlaubt. Nach dem zugrundeliegenden „Maßnahmenkonzept“ soll die Polizei von Schleswig-Holstein künftig „Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen des Internets mit den polizeilichen Fahndungsdaten“ abgleichen dürfen.
Das Ansinnen war auch Teil des Überwachungspakets der damals noch existierenden Ampel-Regierung im Bund. Dieser Teil war zunächst im Bundesrat gescheitert, doch nun haben sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Innenminister*innen der Länder darauf geeinigt, ihn doch vor der Wahl noch durchzuwinken.
Im Prinzip besagt die Idee, dass die Polizei ein eigenes Clearview oder PimEyes bekommen soll. Diese Suchmaschinen durchforsten das frei zugängliche Internet und nehmen die biometrischen Merkmale aller gefundenen Gesichter in eine Datenbank auf. Lädt man ein Bild einer Person hoch, bekommt man daraufhin alle Bilder angezeigt, auf denen die mutmaßlich gleiche Person im Netz zu sehen ist.
Klarer Verstoß gegen EU-Datenschutz
Was die Gesichtersuchmaschinen tun, ist allerdings illegal – eine nicht erlaubte Verarbeitung von persönlichen Daten und somit ein klarer Verstoß gegen EU-Datenschutzregeln. Damit die Polizei, wie von Schleswig-Holstein und auch den übrigen Ländern gewünscht, Fotos aus dem Internet mit Fahndungsbildern abgleichen kann, müsste sie selbst eine derart fragwürdige Datenbank aufbauen. Die EU-KI-Verordnung verbietet aber „die Verwendung von KI-Systemen, die Datenbanken zur Gesichtserkennung durch das ungezielte Auslesen von Gesichtsbildern aus dem Internet oder von Überwachungsmaterial erstellen oder erweitern“.
Des Weiteren sollen Aufzeichnungen, die mittels Überwachungstechnik bei Großveranstaltungen oder Kriminalitätsschwerpunkten gewonnen wurden, nahezu in Echtzeit mit polizeilichen Fahndungsdaten abgeglichen werden können, so das Maßnahmenkonzept. Die Landesregierung von Hessen verabschiedet vermutlich noch diese Woche ein Gesetz, das ebenfalls Echtzeit-Gesichtserkennung erlaubt.
Schleswig-Holstein wird neben dem Abgleich von Fahndungs- mit Internetfotos und der Echtzeit-Gesichtserkennung in anfallenden Überwachungsbildern noch ein drittes System zur Gesichtserkennung einführen: Die Landesregierung will vier Fahrzeuge anschaffen, die mit Kameras und integriertem Gesichtserkennungssystem ausgestattet sind. Diese sollen bei Großveranstaltungen oder an Kriminalitätsschwerpunkten aufgestellt werden und den Strom der Passant*innen nach gesuchten Personen durchforsten.
Außerdem erlaubt Schleswig-Holstein mit dem „Sicherheits- und Migrationspaket“ dem Landesamt für Verfassungsschutz den Einsatz von Staatstrojanern in Form der sog. „Quellen-TKÜ“, mit denen dieses in Endgeräte eindringen kann, um die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Nachrichten auszuhebeln. Zudem sollen technische Systeme mit sogenannter Künstlicher Intelligenz eingesetzt werden, um große Datenmengen zu bearbeiten, wie es in Bayern bereits im Testbetrieb praktiziert wird.
offensichtlich gibt es jetzt absolut keine hemmungen mehr was überwachung angeht. alles was geht wird nun gemacht, ohne rücksicht auf gesetze, verluste und konsequenzen. das ist wirklich der totale dammbruch.
Die Hemmungen gab es noch nie, die Innenminsiterien bestehen zu überwiegenden Teilen aus dort hin abgeordneten Staatsanwälten und Kriminalisten die auf ihre Minister einreden. Und mittlerweile ist durch ein viertel Jahrhundert unwidersprochener Propaganda in den Medien auch ein ausreichend großer Teil der Bevölkerungen so weit sich das sogar zu wünschen.
Die Dramatik ist mE nicht angebracht, da ist kein Dammbruch.
Die Politiker von CDU/CSU und SPD reizen alle Überwachungsmöglichkeiten seit über einem Jahrzehnt aus, immer wieder von BVerfG und EuGH zurückgeworfen. Natürlich machen sie immer weiter, das funktioniert ja.
Es gibt schon lange keinen Damm mehr beim konservativen Block CDU/CSU/SPD.
Das kommt eben drauf an, auf welcher Ebene man das betrachtet. Es gibt durchaus noch Ebenen, die von diesen Entscheidungen wohl drohen überschwemmt zu werden.
Überraschung derzeit eher nicht, aber extrem unverfroren, wie es die letzten Jahre so abläuft.
„Die EU-KI-Verordnung verbietet aber „die Verwendung von KI-Systemen, die Datenbanken zur Gesichtserkennung durch das ungezielte Auslesen von Gesichtsbildern aus dem Internet oder von Überwachungsmaterial erstellen oder erweitern“.“
Wie passt das allerdings zu
https://artificialintelligenceact.eu/de/article/5/
Quasi der ganze Artikel ab Absatz
1h,
wenn sie einerseits Systeme wie Clearview nicht verwenden dürfen und keine eigene Datenbank anlegen dürfen.
Ohne irgendeine Datenbank macht dieser Absatz 1h in meinen Augen keinen Sinn.
Und wenn ich mir das durchlese, lassen sich da mit Sicherheit von den Politikern und Strafverfolgern irgendwelche Szenarien zusammenschustern, um die dauerhafte allgegenwärtige Identifizierung für notwendig zu erklären und legal klingen zu lassen.
Mit dem Angriff von Solingen bzw den anderen (Messer-) Angriffen wurde den Überwachungsfanatikern doch die beste Ausrede dafür geliefert.
Da stellt sich mir ernsthaft die Frage, vor was uns der AI-Act eigentlich schützen soll.
Vor einer orwellschen Überwachungsdystopie offensichtlich nicht.
man sollte auch durchaus das Vertrauen in unsere Fähigkeiten haben digitale Projekte erfolgreich umzusetzen. (Sarkasmus Off) es gibt einfach keine Partei, die sich auf Bürgerrechte fokussiert. alle unwählbar.
Kontrolle durch Dritte?
FYI
Anwendungsbereich https://artificialintelligenceact.eu/de/article/2/
Die EU-KI-Verordnung gilt nicht für Bereiche, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen,und berührt in keinem Fall die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten im Bereich der nationalen Sicherheit, unabhängig von der Art der Stelle, die von den Mitgliedstaaten mit der Wahrnehmung von Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Zuständigkeiten betraut ist. Diese Verordnung gilt nicht für KI-Systeme, wenn und soweit sie ausschließlich für militärische, verteidigungs- politische oder die nationale Sicherheit betreffende Zwecke in Verkehr gebracht, in Betrieb genommen oder mit oder ohne Änderung verwendet werden, unabhängig von der Art der Stelle, die diese Tätigkeiten ausübt. Diese Verordnung gilt nicht für KI-Systeme, die nicht in der Union in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn der Output in der Union ausschließlich für militärische Zwecke, Verteidigungszwecke oder Zwecke der nationalen Sicherheit verwendet wird, unabhängig von der Art der Einrichtung, die diese Tätigkeiten ausübt.
? Piraten ?