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Öffentliches Geld - Öffentliches Gut!Creative-Commons-Lizenzen in der Verwaltung gehen wohl!

Die EU empfiehlt öffentlichen Stellen die Verwendung der international akzeptierten Creative-Commons-Lizenzen. Trotzdem lehnen einige deutsche Behörden diese Lizenzen bis heute ab. Ein neues Gutachten hat die typischen Vorbehalte analysiert und stellt fest: In der Praxis spielen sie allesamt keine Rolle.

Eine Landstraße, die durch den Wald führt.
Widmung? Eher was für Straßen als für Daten. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com John Towner

Es ist das Jahr 2024. Ganz Europa setzt auf Open Data mit international anerkannten Creative-Commons-Lizenzen. Ganz Europa? Nein! Einige wenige nationale Verwaltungen setzen seit Anfang der 2010er Jahre auf eigene Lizenz-Insellösungen. Allen voran die deutschen Verwaltungen – denn diese behaupten seither, dass der Staat CC-Lizenzen nicht verwenden dürfe.

Das geht im Wesentlichen auf eine damals vom Bundesinnenministerium (BMI) beauftragte Studie zurück. Sie empfahl, eine nationale Sonderlizenz zu schaffen. Das Resultat: die Datenlizenz Deutschland (DL-DE). Die damals aufgestellten Vorbehalte und Thesen halten sich seither hartnäckig auf vielen Verwaltungsebenen der Bundesrepublik und wurden auch in einer Analyse im Auftrag des Landes NRW 2019 noch einmal wiederholt.

Die EU empfiehlt längst CC-Lizenzen

Derweil empfiehlt die EU schon seit vielen Jahren die Verwendung von CC-Lizenzen, genauer: die Lizenzen CC BY 4.0 und CC0 1.0. Und das hat gute Gründe: Die CC-Lizenzen legen in ihrem ausführlichen Lizenztext deutlich klar, dass sie auf Basis des Urheberrechts und des Datenbankherstellerrechts gelten, wie die Bedingungen der Lizenz erfüllt werden sollen und was passiert, wenn man etwas falsch gemacht hat.

Je klarer so eine Beschreibung ist, desto besser können Informationen aus der gesamten EU oder gar der ganzen Welt miteinander in Bezug gesetzt und zur Grundlage eigener Auswertungen gemacht werden – auch wenn man keine eigene Rechtsabteilung hat, die nationale Sonderlizenzen analysieren und auf Kompatibilität vergleichen könnte.

Das war Anlass für Wikimedia Deutschland, die Kanzlei TaylorWessing als unabhängige Stelle mit der Prüfung dieser Vorbehalte zu beauftragen. Schließlich hat sich seit der Erstellung des BMI-Gutachtens 2012 einiges getan: Die CC-Lizenzen gibt es seit 2013 in einer international harmonisierten Version 4.0, die einige Vorbehalte längst ausgeräumt hat. Und auch die EU hat sich in der Zwischenzeit immer deutlicher für möglichst einheitliche Lizenzhinweise ausgesprochen – wie eben die international anerkannten CC-Lizenzen.

Das Problem mit der Widmung

Ein wesentliches Problem mit der Datenlizenz Deutschland war von Anfang an die Frage: Auf welcher Rechtsgrundlage funktioniert sie überhaupt und für wen gilt sie? Das vom Land NRW beauftragte Gutachten behauptet, dass die DL-DE auf die Begrifflichkeiten des deutschen Urheberrechts ausgelegt sei.

Die DL-DE selbst sagt jedoch gar nicht, ob sie sich auf das Urheberrecht stützt, welche Rechte sie konkret einräumt, wie es zum Vertragsschluss kommt – oder ob es sich überhaupt um einen Lizenzvertrag handelt oder eine öffentlich-rechtliche Widmung. Das BMI-Gutachten von 2012 erwähnt nämlich beiläufig, dass man Informationen des Staates auch durch so eine Widmung „lizenzieren“ könnte. Das hätte aus staatlicher Sicht den „Vorteil“, dass dann auch Vorgaben zur Art der Verwendung von Informationen gemacht werden könnten, die gar nicht dem Urheberrecht unterliegen.

Widmungen kennt man sonst eigentlich vor allem von Gebäuden oder Straßen, die per Verwaltungsakt, Verordnung oder Gesetz einer Nutzung durch die Öffentlichkeit freigegeben werden. Eine Gemeindestraße „gehört“ zunächst der Gemeinde, erst durch die Widmung darf sie von der Öffentlichkeit benutzt werden.

Das wäre erstens ein Schritt in die komplett falsche Richtung, denn staatliche Informationen und insbesondere reine Faktendaten, an denen es gar kein Eigentum geben kann, sollten sowieso gemeinfrei veröffentlicht werden. Zweitens betont nun auch das neue Gutachten von TaylorWessing: Es ist gar nicht gesichert, dass dieses Konstrukt der Widmung mit den Rechtsordnungen außerhalb Deutschlands kompatibel ist.

Wenn jemand aus dem Ausland auf einer gewidmeten Bundesautobahn fährt, gilt das deutsche Bundesfernstraßengesetz. Bei Datensätzen wäre die metaphorische Autobahn aber über das Internet auf einmal im Ausland – wie kann dort dann noch die Widmung nach deutschem Recht gelten? Und selbst innerhalb Deutschlands gibt es keine laufende Rechtsprechung, ob und warum sich jemand an die Bedingungen der DL-DE halten sollte.

Man könnte also sagen, dass man es nicht etwa mit einem Lizenzvertrag auf Basis eines Gesetzes zu tun hat, sondern mit einem magischen Zauberspruch, den eine Behörde über Informationen aussprechen soll – und der seine Wirkung genau dann entfaltet, wenn alle daran glauben.

Gar kein praktisches Problem: die Amtshaftung

Ein Dauerbrenner bei den Vorbehalten gegenüber den CC-Lizenzen betrifft die Haftungsausschlüsse, die zu den Lizenzen gehören. Denn so umfangreich, wie die CC-Lizenzen die Haftung ausschließen, darf das in der deutschen Rechtsordnung gar nicht passieren. Sowohl im privatrechtlichen wie auch im öffentlich-rechtlichen Bereich darf die Haftung nicht grundsätzlich und vollständig ausgeschlossen werden.

Kein Problem, will man eigentlich sagen, denn in denselben CC-Lizenztexten steht ganz ausdrücklich, dass diese Haftungsausschlüsse überhaupt nur dann gelten, wenn sie gesetzlich möglich sind. Und in all den Jahren sind bis heute keine realistischen und stichhaltigen Beispiele bekannt geworden, in denen das Haftungsargument ein echtes Problem werden könnte.

Dieses Argument reichte den Verfechter*innen der nationalen Datenlizenz bislang offenbar nicht: Wenn, dann bedürfe es einer Lizenz, die einen Haftungsausschluss gar nicht erst in Betracht zöge. Das TaylorWessing-Gutachten beleuchtet auch diesen Aspekt und kommt zu dem Schluss, dass die Verwendung der CC-Lizenzen durchaus für die öffentliche Verwaltung in Frage kommt.

Für alle, die immer noch Bauchschmerzen haben, liefert die Kanzlei ganz pragmatisch eine Vorlage für eine Verzichtserklärung auf den Haftungsausschluss mit. So kann eine Verwaltung eine international anerkannte CC-Lizenz nutzen und gleichzeitig ganz korrekt feststellen, dass der Haftungsausschluss in der Lizenz vermutlich unwirksam ist und man die Haftung nicht ausschließen werde.

So einfach wäre das gewesen, hätte man keine nationale Zauberspruch-Lizenz erfinden wollen.

Keine Überraschung, es musste nur aufgeschrieben werden

Kenner*innen der Rechtsdogmatik werden von den Ergebnissen des TaylorWessing-Gutachtens nicht überrascht sein. So wie die DL-DE vor allem deswegen überlebt hat, weil man an entscheidenden Stellen weiterhin an sie und vermeintliche Schwächen der CC-Lizenzen geglaubt hat, fehlte bislang eine systematische Begutachtung dieser Glaubensgrundsätze. Mit dem Gutachten liegt nun erstmals eine kritische Untersuchung der strittigen Punkte von einer neutralen und fachkundigen Instanz vor.

Einige der Argumente waren längst bekannt und es ist vor allem wichtig, dass sie noch einmal mit Verweis auf Fundstellen in der Fachliteratur von einer neutralen Stelle dargelegt wurden. In anderen Fällen hob die Recherche der Kanzlei noch einmal Zusammenhänge von vor gut zwölf Jahren hervor, die wichtig für die Beurteilung sind – wie zum Beispiel die damals geäußerten Wünsche, auch eigentlich gar nicht schützbare Informationen per Widmung mit Nutzungsbedingungen versehen zu können.

Nach dieser Begutachtung dürften kaum noch Zweifel bestehen, dass die Creative-Commons-Lizenzen CC BY 4.0 und CC0 von der öffentlichen Hand verwendet werden dürfen und können. Hier den Empfehlungen der EU zu folgen, sorgt zudem für Einheitlichkeit und bessere Wiederverwendbarkeit über Staatsgrenzen hinweg.

Die Zukunft liegt nicht in nationalen Insellösungen. Wenn, dann bräuchte es eine Reform des Urheberrechts, damit staatliche Informationen und vor allem reine Fakteninformationen künftig weniger Nutzungsbeschränkungen unterliegen. Das kommende Transparenzgesetz wäre ein guter Anlass, dies auch in nationales Recht umzusetzen.

5 Ergänzungen

  1. > Wenn jemand aus dem Ausland auf einer gewidmeten Bundesautobahn fährt, gilt das deutsche Bundesfernstraßengesetz. Bei Datensätzen wäre die metaphorische Autobahn aber über das Internet auf einmal im Ausland – wie kann dort dann noch die Widmung nach deutschem Recht gelten?

    Sprachbilder sind zwar beliebt, aber wem nützen sie, wenn man sich darauf einlässt?

    Bundesautobahnen sind Infrastruktur, die zur Nutzung frei gegeben wurde, unter Beachtung und Auferlegung geltender Regeln.

    Wie kann man auf die Idee kommen, dass „das Internet“ Ausland sei, wenn Datenpakete auf nationalem Boden mittels nationaler Infrastruktur transportiert werden? Unsere Autobahn wird ja auch nicht dadurch „Ausland“, wenn ausländische Fahrzeuge darauf fahren.

    1. Genau das ist der Punkt, den ich zu machen versucht habe (und offen gestanden war es schwer, die Metapher links liegen zu lassen). Widmungen beziehen sich im Normalfall eben genau auf Dinge, die sich im Wirkungsbereich deutscher Gesetze befinden. Bei Gebäuden und Wegen ist das aufgrund ihrer Unbeweglichkeit relativ klar fixiert. Bei Arzneimitteln bezieht sich das ebenfalls nur auf den Geltungsbereich des deutschen Rechts.

      Nehmen wir einmal ein relativ leicht konstruiertes Beispiel: Ich nehme einen unter DL-DE BY 2.0 „gewidmeten“ Datensatz entgegen und baue eine interaktive Karte, auf der dessen Inhalte dargestellt werden. Ich nenne die Quelle der Informationen und die DL-DE BY 2.0. Die Karte ist über das Web zugänglich, das Repository samt der verwendeten Informationen ebenfalls.

      Nehmen wir weiter an, eine Person z.B. in der Schweiz findet das Repository und möchte die Informationen in dem Datensatz auf eine andere Art weiterverwenden. Wenn sie sauber arbeitet, wird sie die Quelle der Information sowieso nennen, weil das allgemeine gute Praxis ist. Aber: gibt es für diese Person, die sich komplett außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Rechts befindet irgendeine _rechtliche_ Verpflichtung, die Quelle zu nennen? Und worauf würde diese basieren? Wie würde die herausgebende Stelle ggf durchsetzen, dass die Quelle genannt wird?

      1. > gibt es für diese Person, die sich komplett außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Rechts befindet irgendeine _rechtliche_ Verpflichtung, die Quelle zu nennen?

        Internationales Recht? EU-Recht? Bilaterale Abkommen?

        >Wie würde die herausgebende Stelle ggf durchsetzen, dass die Quelle genannt wird?
        Wenn es um „Durchsetzung“ geht, dann wären wir außerhalb der rechtlichen Sphäre bei technologischen Möglichkeiten angelangt. Also Zertifikate zur Berechtigung der Nutzung von …

        Ganz pragmatisch gesehen halte ich die Idee von Lizenzen für keine gute Idee. Darauf kam man wohl nur, um ein Pflaster auf ein Problem zu kleben, das durch das Urheberrecht entsteht. Ein herrschaftliches Urheberrecht, das digitalen Neokolonialismus eher befördert als verhindert.

        Wer etwas „ins (internationale) Internet“ stellt, tut dies unter der Kenntnis existierender Verhältnisse, sprich begrenzter juristischer Reichweite. Wer Futter ins Haifischbecken wirft, sollte sich nicht darüber beklagen, dass sich auch Goldfische daran laben. Eine Lizenz „nur für Haifische“ ist keine Lösung, von der man erwarten sollte, dass sie beachtet wird. Ein kluger Nutzer mit Eigenverantwortung wird also nur das „ins Netz stellen“, was alle ruhig fressen dürfen und sollen.

        1. > Internationales Recht? EU-Recht? Bilaterale Abkommen?

          Befinden sich diese drei gerade im Raum mit uns? Koenntest du darauf zeigen?

          Mir sind die Diskussionen ueber Lizenzen bekannt, auch aus der Free-Software-Welt. Ja, die technischen Moeglichkeiten zur Beschraenkung der Nutzung gibt es bereits unter dem Label „Datenraeume“. Und selbstverstaendlich sind die Lizenzen nur ein Hack, um unter Ausnutzung des Urheberrechts eine freie Nutzung und Wiederverwendbarkeit zu sichern. Ausser eben, es handelt sich um oeffentlich-rechtliche Widmungen. Im Gutachten wird daher auch auf die Moeglichkeit einer Urheberrechtsreform hingewiesen (das war in dieser Kolumne schon einmal Thema: https://netzpolitik.org/2023/oeffentliches-geld-oeffentliches-gut-wie-das-urheberrechtsgesetz-geaendert-werden-muss/ )

          Wichtig ist hier aber auch: Wir reden von _staatlichen_ Informationen bzw. die Verwendung von CC durch die Verwaltung (steht subtil im Titel). Also nicht die von dir genannte Privatperson mit Eigenverantwortung, sondern die Veroeffentlichung oeffentlich finanzierter Informationen, die ggf. sogar gesetzlich oder per Verordnung geregelt ist. Eine Privatperson wird so oder so nicht die DL-DE verwenden.

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