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Öffentliches Geld - öffentliches Gut!Freie und offene Software zum Standard in der Verwaltung machen

Wenn die öffentliche Verwaltung Software entwickelt oder einkauft, sollte sie diese unter freie und offene Lizenzen stellen. Die von der Bundesregierung angestoßene Reform des Vergaberechts bietet jetzt eine gute Gelegenheit, das im Gesetz zu verankern. Für ein echtes Umdenken braucht es aber mehr als eine Gesetzesreform.

Ein Schild mit dem Schritfzug "open" vor einem Fenster
Freie und offene Software in der Verwaltung kann einiges verbessern. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Luke Southern

Die digitale Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen ist heute abhängig von einzelnen proprietären Software-Anbietern. Dadurch sind öffentliche Stellen gezwungen, alle Bedingungen eines Software-Anbieters zu akzeptieren, zum Beispiel Preissteigerungen oder die Produktgestaltung. Gerade erst im April 2023 hat beispielsweise Microsoft die Preise für Cloudangebote wieder einmal erhöht, nachdem schon 2021 die Ausgaben der Bundesverwaltung für Microsoft-Lizenzen zum ersten Mal 200 Millionen Euro überstiegen.

Proprietäre Software bedeutet, dass die entsprechende Lizenz die Möglichkeiten der Nutzung, Weiter- und Wiederverwendung sowie die Änderung des Quellcodes durch Dritte stark einschränkt. Diese Abhängigkeit verhindert, dass Verwaltungen ihre IT-Architektur selbst gestalten und kontrollieren sowie zwischen verschiedenen Anbietern wechseln können.

Freie und Open Source Software (FOSS) ermöglicht einen Weg aus dieser Abhängigkeit. Denn FOSS-Lizenzen erlauben es prinzipiell allen Menschen, Einblick in den Quellcode zu nehmen, diesen frei und uneingeschränkt zu verwenden, zu verändern und auch in einer veränderten Form wieder weiterzuverbreiten. Die in der Verwaltung eingesetzte FOSS-lizenzierte Software ist dadurch unabhängig überprüfbar, gestaltbar und austauschbar und ermöglicht potenziell ein höheres IT-Sicherheits- sowie Datenschutzniveau.

Die Hürden für FOSS in der Verwaltung

Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung formuliert ein klares Ziel: „Entwicklungsaufträge werden in der Regel als Open Source beauftragt, die entsprechende Software wird grundsätzlich öffentlich gemacht.“ So würde der Einsatz von FOSS in der Verwaltung dem Prinzip „Public Money, Public Code“ folgen: Öffentlich finanzierte Software muss der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, da sie auch von der Allgemeinheit bezahlt wird.

Doch bisher ist FOSS in der Verwaltung weiterhin eher eine Ausnahme als die Regel. Oft scheitern öffentliche Stellen schon daran, dass ihnen unklar ist, wie sie FOSS beauftragen können und dürfen. Das Vergaberecht gibt strenge Regeln dafür vor, wie die Verwaltung Produkte und Dienstleistungen einkaufen muss, meist über Ausschreibungen.

Das ist auch sinnvoll, damit der Staat seine Mittel mit Bedacht verwendet und nicht ausschließlich auf bereits bestehende Anbieter zurückgreift oder einen Auftrag nach beliebigen Kriterien vergibt Doch die komplexen und langwierigen Prozesse und die bisher angelegten Kriterien legen gerade FOSS einige besonders große Steine in den Weg.

Denn FOSS schafft Mehrwerte, die in der etablierten Vergabe meist keine Berücksichtigung finden. Proprietäre Software können naturgemäß nur diejenigen nutzen, die die entsprechende Lizenz einkaufen. Bei FOSS ist das anders: Wenn eine öffentliche Stelle die Entwicklung von FOSS beauftragt oder sogar selbst entwickelt, vergrößert sich damit der Pool an Software, der auch anderen öffentlichen Stellen sowie der Wirtschaft und Gesellschaft allgemein zur Verfügung steht.

Dieser weitreichende positive Effekt auf die Gesellschaft kann von der auftraggebenden Stelle nicht berücksichtigt werden, wenn sie nur Preis und Nutzen für sich selbst bewerten darf. Auch können Behörden FOSS frei anpassen und mit anderen Diensten kombinieren. Das stellt zwar auf dem Papier keinen Mehrwert dar, der für ein FOSS-Angebot den Ausschlag geben kann, doch diese Interoperabilität schafft mehr Möglichkeiten, andere Dienste einzubinden. Und damit insgesamt mehr Gestaltungsfähigkeit für die Verwaltung.

Ein Funken Hoffnung: die Vergabetransformation

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz will aktuell das Vergaberecht reformieren, um öffentliche Vergabeverfahren zu vereinfachen, zu professionalisieren, zu digitalisieren und zu beschleunigen. Außerdem soll die Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausgerichtet werden. Über 400 Verbände, Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen haben dazu Stellungnahmen eingereicht. Auch Wikimedia Deutschland und die Open Source Business Alliance erklären dabei, wie FOSS in der Verwaltung auf die Ziele der Vergabereform einzahlt. Diese Reform ist eine ideale Gelegenheit für eine Gesetzesänderung, um es Behörden zu ermöglichen, rechtssicher bevorzugt FOSS zu beschaffen.

Wie genau soll das funktionieren? Ein von der Open Source Business Alliance in Auftrag gegebenes Gutachten zeigt, wie es gehen kannt: Wann immer die Verwaltung Software einkaufen oder entwickeln möchte und die Wahl zwischen zwei oder mehr gleich gut geeigneten Lösungen hat, soll FOSS Vorrang vor proprietärer Software haben. Der Gutachter Prof. Andreas Wiebe schlägt vor, den Vorrang für FOSS im E-Government-Gesetz des Bundes oder in der Vergabeverordnung für öffentliche Aufträge festzulegen. Auf Landesebene haben Thüringen und Schleswig-Holstein mit ihren E-Government-Gesetzen bereits diesen Weg gewählt.

Mehr Kompetenz in den Behörden

Eine Bevorzugung von FOSS ist jedoch nicht das einzige, was es für eine erfolgreiche digitale Transformation in der Verwaltung braucht. Mitarbeitende in Behörden müssen unbedingt lernen, geeignete Software auszuwählen und zu verwenden. In einem Beschluss zur Erarbeitung einer Open-Source-Strategie der sächsischen Landesregierung ist daher auch einer von sechs Punkten „die Förderung der Umgewöhnung und der Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der sächsischen Verwaltung in Open-Source-Software.“

Aber auch eine Umgewöhnung reicht noch nicht aus, um beim Einsatz von FOSS in der Verwaltung das volle Potenzial auszuschöpfen. Die Menschen in der Verwaltung müssen verstehen, welche aktuellen Technologien am besten die Anforderungen ihrer Behörde erfüllen. Erst mit einem solchen tiefergehenden Verständnis können sie selbstständig Software vergleichen, sie für ihre Zwecke anpassen, zwischen Anbietern wechseln und informiert FOSS von anderen öffentlichen Stellen einbinden und wiederverwenden.

Der behördliche Kompetenzaufbau ist daher neben der Reform des Vergaberechts die größte Herausforderung für eine effektive Verwaltungsdigitalisierung mit FOSS. Dazu gehört nicht zuletzt auch, dass die Einstellungsbedingungen bei Behörden dringend angepasst werden müssen: Gehälter, geforderte Abschlüsse und sonstige Benefits. Nur so wird es überhaupt attraktiv, als IT-Expert*in in einer Verwaltung zu arbeiten.

Die Bundesregierung hat sich in Koalitionsvertrag und Digitalstrategie zu freier und offener Software bekannt. Jetzt muss sie handeln!

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12 Ergänzungen

  1. Die Abhängigkeit von $MS ist eine politisch gewollte. Vor 10 Jahren gab es Bestrebungen diese zu verringern, aber diese Begehren hat man sich „weg-lobbyieren“ lassen. Man möge sich doch bitte diejenigen Entscheidungsträger auf Bundes- und Länderebene genauer anschauen, wie tendenziös dort wer entscheidet und warum.

    Wer die Verwaltung aus dem Joch der Lizenzen befreien will, der muss der Öffentlichkeit die Verschwendung vorrechnen. In der IT sind „Goldrand-Lösungen“ bedingt durch proprietäre Beschränkungen horrend teuer und extrem profitabel auf der Angebotsseite.

    Einerseits fehlt es an verbindlichen IT-Standards für die Beschaffung, andererseits möchte man Vertragspartner, die geeignet sind ev. Haftungsfälle auch befriedigen zu können (blame & sue).
    Ausschreibungen werden so gefertigt, dass die „Favoriten“ die Zuschläge bekommen. Ein Hauch von Günstlingswirtschaft durchzieht die Szene von der Beratung bis zur Lieferung. Wer nachfragt, bekommt zu hören: Das hat sich in der Vergangenheit bewährt.

  2. Vielen Dank für den Artikel.

    Man hat doch als Land überhaupt keine Interesse daran unabhängig zu sein.

    Sieht man doch am LiMux Projekt. Die Rückabwicklung zu MS war doch ein Politikum. Es bringt nichts wenn im Parlament MS Fanboys sitzen, die auf diese tools schwören oder wenn man eine WinWin Situation durch Steuereinnahmen beim MS Standort in München haben will. Klar ist man da Preissteigerungen ausgeliefert. Für mich ist das Korruption auf breiter Front auf Kosten der Steuerzahler.

    Es ist eben einfacher eine Dienstleistung zu kaufen bei der die Entwicklung und ggf. auch Administration extern ist, anstatt Mitarbeiter aufzubauen oder einzustellen, die Software auf die Bedürfnisse erstellt oder gar schon gegebenes anpasst, damit es so funktioniert, wie man es benötigt.

    Selbst wenn man das jetzt bei einer Stadt angeben würde, so wird es m. M. nach bestimmt Jahre dauern, bis das funktioniert und man unabhängig ist.

    Das Land bräuchte einen Standard, der für alle Städte und Gemeinden gleich ist, sodass hier keine Insellösungen gebaut werden müssen.

    Das schlimme ist: Bei LiMux hatten die Tester aus der Verwaltung noch nicht mal gewusst, dass sie mit einer Distribution arbeiten. Allein das ist doch schon ausschlaggebend das es einfach nur funktionieren muss.

  3. Ein aus meiner Erfahrung sehr wichtiger Aspekt wird in dem Artikel nicht angesprochen: Support.
    Den gibt es für FOSS Produkte mitunter auch, aber Firmen unterstützen natürlich lieber eigenen als offenen Code.
    Support ist ausschlaggebend, weil sich die Behörde nicht auf die eigene (unterfinanzierte) Technikabteilung verlassen will und kann, und weil es politisch vorteilhaft ist im Notfall einen externen Buhmann zu haben.

    Auch hier würde sich aus Steuerzahlersicht aber eine Bund-Länder-Kooperation lohnen, welche bundesweit FOSS-Entwicklung und -Support leistet.
    Es ist schön, dass der Föderalismus den Bayern ermöglicht andere Software zu kaufen als Sachsen, noch schöner wäre es, wenn sie es gar nicht nötig hätten.

    1. Wenn man die Entwicklung der Schnittstellen und Software deutschlandweit fest in Fachhochschulen und Universitäten verankert hätte man keine Probleme. Jeder (Fach)Informatiker kennt durchs Studium z.B. Linux, aber außerhalb dieses Fachkreises kann mit dem Begriff kaum jemand was anfangen.

  4. Wie sieht die Vertragsgestaltung aus, wenn der Vetragsgegenstand das Verschenken einer individuell entwickelten Software an die Allgemeinheit ist?

    1. Das hängt ein bisschen vom konkreten Fall ab. Grundsätzlich kann bei FOSS natürlich keine Softwarelizenz verkauft werden. Stattdessen wird oft ein Unternehmen beauftragt, Support und/oder Anpassungen/Weiterentwicklungen für die entsprechende Behörde für eine bestehende FOSS-Lösung bereitzustellen. Dann handelt es sich also um einen Anpassungs- oder Supportvertrag. Es kann auch den Fall geben, dass eine Behörde ein Unternehmen beauftragt, eine ganz neue Lösung zu entwickeln und von vornherein im Vertrag vereinbart ist, dass das Ergebnis unter eine FOSS-Lizenz gestellt und der Quellcode für die Allgemeinheit veröffentlicht wird. Das wäre dann ein Erstellungsvertrag. Bei diesen ganzen Vertragsvorlagen, die da zum Zuge kommen, gibt es allerdings das Problem, dass die auch nur auf proprietäre Software ausgelegt sind und oft für FOSS angepasst und geändert werden müssen. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat arbeitet allerdings gerade daran, diese Vertragsvorlagen auch für FOSS-Anwendungsfälle besser passend zu machen (https://osb-alliance.de/featured/oeffentliche-beschaffung-von-open-source-software-mit-evb-it-vereinfachen).

      Dann gibt es natürlich noch den Fall, dass eine Behörde Software tatsächlich auch selbst entwickelt und keine externen Dienstleister involviert sind. Dann stellt sich die Frage der Vertragsgestaltung nicht. Im Justizministerium Rheinland-Pfalz z.B. wurden FOSS-Lösungen von den Verwaltungsangestellten selbst entwickelt und der Quellcode veröffentlicht.

  5. Es ist daran gekoppelt, weil aus freier Software folgend; aber freie Datenformate (OpenData) ist weitaus wichtiger. Selbst wenn eine Behörde eine eingekaufte Lösung benutzt, sollten die Daten nicht mit „spezieller“ Software eingesperrt worden sein.

    Der derzeitige Trend zu „großen“ Cloud Lösungen erzeugt auch ein sekundäres Problem: Plötzlich hat der Cloudanbieter die Kontrolle, wo und wie die Daten benutzbar sind.

  6. Sowohl der Artikel, als auch die Kommentare sollten an alle „Digital-Minister“, sowohl Bund als auch Land, deren Staatssekretäre, als auch Sachbearbeiter gesandt werden mit der Verpflichtung diese als gelesen abzuzeichnen. Damit könnten sie zeigen, dass sie nicht nur für ihre Wiederwahl arbeiten, sondern im Interesse der Bürger und deren Geld Einsatz zeigen.

  7. FOSS kann nur dort neu geschaffen werden, wo Verwaltungen das nötige KnowHow haben und genau bis ins Detail definieren können, was sie brauchen. Das KnowHow gibt es aber schon seit Jahrzehnten nicht mehr und lässt sich mit dem Personalstand auch nicht mehr aufbauen. Die Fachverfahrenshersteller machen sich statt dessen die Mühe dieses KnowHow vorzuhalten, die Gesetze zu screenen und Anpassungen rechtzeitig und selbständig für alle bereitzustellen. Hinzu kommt, dass die Vorgaben in jedem Bundesland anders sind und teilweise sogar die Kommunen Dinge unterschiedlich handhaben. Ob das so sein muss kann man diskutieren, aber das ist dann kein IT, sondern ein juristisches und Prozess-Problem.
    FOSS macht in einigen Bereichen tatsächlich Sinn, in anderen aber dann auch nicht. Das muss sehr genau im Einzelfall betrachtet werden, denn auch ein verunglücktes FOSS-Projekt kostet Steuergelder.

  8. Da ohnehin nur völlig überteuerte externe Beratungsunternehmugen eingeschaltet werden, auch um neue SW einzuführen, spielen die Kosten gar keine Rolle.
    Die einzig sinnvolle Vorgehensweise wäre hier der Weg über die eigenen bereits finanzierten Universitäten und Forschungsinstitute zu gehen und wieder FOSS zu entwickeln, nicht aber – wie geschehen im Mautsystem – einem Firmenkonsortium einen Megaauftrag zu vergeben, der nur ein eine weitere Abhängigkeit führt und in ein technisch völlig absurdes System.

    Wie kommt man bitte auf die Idee, eine eigene Linuxdistro zu entwickeln, nur um eine Verwaltung zu betreiben. Da kauft man gleich die Kuh, um mal ein Glas Milch zu trinken? — so geschehen in München – natürlich unter der „sicheren Hand“ eines amerikanischen Großkonzerns, anstatt des nur wenigen Kilometer entfernten Nürnbergs, wo bereits eine große dt. Distro existiert.

    Wir haben in D genügend großartige Informatik und Wirtschafts Universitäten und Institute, die sich alle über derartige Aufträge freuen würden. Aber nein, die werden dann mal lieber übergangen. Man traut ja seinen eigenen Wissenschaftlern nicht.

    Somit wird es auch keinen Technologietransfer in die Wirtschaft geben. Dumm gelaufen. Lass mal lieber die anderen machen und uns dafür bezahlen.

    @Detlev Sander: das alles kostet unser Wissen, das Sie berechtigterweise bemängeln und somit auch viele Steuergelder und ~einnahmen durch Wissenstransfer in die Wirtschaft. Ihre Ausführungen erscheinen mir eher aus einer Ängstlichkeit entsprungen zu sein.
    Wir aber brauchen „Macher“ nicht „Schisser“.

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