Wie kann der Staat die kriselnde Medienbranche unterstützen? In vielen Ländern wird derzeit darüber gegrübelt und auch die USA diskutieren über einen entsprechenden Gesetzentwurf, der insbesondere Lokalredaktionen stärken soll. Das erklärte Ziel des Journalism Competition and Preservation Act (JCPA): Einen „vorübergehenden sicheren Hafen“ für Medienunternehmen schaffen und ihnen eine bessere Verhandlungsposition gegenüber großen Tech-Konzernen ermöglichen.
Dafür sieht der Gesetzesentwurf vor, dass Medienunternehmen sich zu Verhandlungseinheiten zusammenschließen können, um mit Plattformbetreiber:innen wie Meta und Google über Lizenzen für die Nutzung ihrer Nachrichteninhalte zu verhandeln. Denn die Plattformen verdienen sehr viel Geld mit Online-Werbung und viele Medien argumentieren, dass ihre Inhalte dazu beitragen. Deshalb will der JCPA das Kartellrecht für Nachrichtenverlage bis zu einer Größe von 1500 Mitarbeitenden vorübergehend ändern.
Doch das Regulierungsvorhaben steht seit Monaten in der Kritik, insbesondere in dieser Woche hagelte es Kritik von Plattformkonzernen und einem breiten Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen. Die US-Politik hat reagiert: Am späten Dienstagabend wurde bekannt, dass der Gesetzesvorschlag nicht wie geplant zeitnah zur Abstimmung gestellt wird.
Eigentlich hatte der JCPA gemeinsam mit dem jährlich zu beschließenden Verteidigungshaushalt verabschiedet werden sollen. Diese Methode nennt sich „Omnibus“- oder „Must-pass“-Gesetzgebung. Dabei werden Gesetzesvorschläge – auch wenn keine inhaltliche Verbindung besteht – zu einem Paket zusammengefasst, das dann im Ganzen zur Abstimmung gestellt wird. Bei einem solchen Paket ist eine detaillierte Prüfung oder Debatte jedes einzigen Dokuments nicht möglich.
Meta droht erneut mit News-Blockade
Insbesondere das Facebook- und Instagram-Mutterunternehmen Meta hat die Gesetzesinitiative stark kritisiert. Am Montag hatte Meta-Sprecher Andy Stone auf Twitter ein Statement zum Journalism Competition and Preservation Act veröffentlicht. Der JCPA verkenne, dass Lokalredaktionen die Dienste seines Unternehmens aus Eigeninteresse nutzen, heißt es dort unter anderem. Stone drohte an, dass Meta gezwungen sein könnte, die Entfernung von News-Inhalten von der Plattform in Erwägung geziehen, sollte der Kongress das Gesetz in der jetzigen Form verabschieden.
Schon mehrmals hat Meta auf vergleichbare Gesetzesinitiativen in anderen Staaten mit dieser Drohung reagiert, zuletzt in Kanada. In Australien hatte der Konzern 2021 seine Drohung sogar kurzzeitig wahrgemacht und die australische Regierung damit zu Konzessionen gezwungen.
Doch nicht nur Meta sperrt sich gegen den JCPA, auch viele zivilgesellschaftliche Organisationen reagierten ablehnend. Ebenfalls am Montag hatte ein breites Bündnis, darunter die Electronic Frontier Foundation und die Wikimedia Foundation, den Kongress in einem Brief aufgefordert, den JCPA nicht zu verabschieden.
Mehr Geld für die Großen?
Die NGOs kritisierten, dass die Regelung – die eigentlich vor allem kleinen Medien zugutekommen soll – letztlich den Großen diene. Denn die Obergrenze von 1500 Mitarbeitenden schließe lediglich die drei größten US-amerikanischen Redaktionen aus. Für die in den USA besonders mächtigen und ausschließlich privaten Fernsehsender soll die Obergrenze ohnehin gar nicht gelten. Für Zeitungsverlage würde die Begrenzung wiederrum einen Anreiz setzen, die Zahl der Mitarbeitenden gering zu halten, was Auslagerungen redaktioneller Arbeit oder mehr freie Redakteur:innen zur Folge haben könnte, so die NGOs.
Sowieso sei in dem Gesetzesvorschlag keine Bestimmung dazu enthalten, dass durch Verhandlungen gewonnene Gelder auch an Journalist:innen ausgezahlt werden mussten. Der Brief weist außerdem darauf hin, dass manche Medienunternehmen ihren eigenen Journalist:innen selbst nicht das Recht zu kollektiven Tarifverhandlungen zugestehen – ein Recht, das die Unternehmen durch den JCPA erhalten hätten.
Das Bündnis kritisiert zudem, dass Medienunternehmen keine Aufnahmekriterien für ihre Verhandlungseinheit aufstellen könnten, die sich an Inhalten der potenziellen Partner:innen orientieren. So könnte sich eine Lokalredaktion also in einer Zweckeinheit mit einem rechtsextremen Blog befinden, mit welchem sie sich gegenüber Meta behaupten muss. Die Medienförderung könnte so bei extremistischen Medien statt bei der Qualitätspresse landen.
Ein Dorn im Auge ist den NGOs auch eine Regelung, die Plattformen wie Soziale Netzwerke dazu verpflichten würde, Inhalte von Medien auszuspielen. Plattformen müssten jedoch die Möglichkeit haben, im Rahmen ihrer Content Moderation zu entscheiden, welche Inhalte sie löschen oder sperren. Die Regelung sei deshalb ein „direkter Angriff auf ein Grundprinzip der Content-Moderation“ und würde zu einem Anstieg von Desinformation, Hassrede und Belästigung führen.
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