Nach FörderstoppLänder klagen über ausgebremste Breitbandförderung

Die Förderung neuer Gigabitprojekte mit Bundesmitteln liegt bis Jahresende auf Eis. Sollten sich die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern rund um eine neue Förderrichtlinie verzögern, droht ein Stillstand bis ins Frühjahr.

Die Bundesförderung für Gigabitanschlüsse hat sich bis auf Weiteres aufgelöst. Bund und Länder ringen nun darum, wie Fördermittel künftig am besten verteilt werden sollen. (Symbolbild) – Montage: netzpolitik.org

Nach dem überraschenden Stopp der Bundesförderung von Breitbandprojekten ringen nun die Länder mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) um die Zukunft des Programms. Als unwahrscheinlich gilt, dass das vorzeitig aufgebrauchte Jahresbudget von rund 3 Milliarden Euro kurzfristig aufgestockt wird. Nicht gesichert ist jedoch auch, ob die Förderung ab Anfang des Jahres nahtlos weitergehen kann: Derzeit ist völlig unklar, wann eine neue Förderrichtlinie bereitstehen wird. Kommunen werden womöglich erst wieder im Frühjahr des kommenden Jahres Förderanträge stellen können.

„Es ist wichtig, dass den Bundesländern schnell der Entwurf der neuen Bundesförderrichtlinie ab 2023 zur Verfügung gestellt wird, um eine entsprechende Ko-Finanzierungsrichtlinie zu erstellen“, schreibt ein Sprecher des Digitalministeriums aus Niedersachsen auf Anfrage von netzpolitik.org. Insgesamt müsse vor allem den Kommunen eine Perspektive gegeben werden, damit der Breitbandausbau in unwirtschaftlichen Gebieten nicht ins Stocken gerät und „die Kommunen weiter in die Planungen gehen können“, so der Sprecher.

Ursprünglich war eine überarbeitete Förderrichtlinie für den November erwartet worden. Gelten soll die Grundlage für Förderanträge der Kommunen eigentlich ab Jahresbeginn, um auf den Wegfall der sogenannten Aufgreifschwellen zu reagieren. Dann werden alle Gebiete förderfähig, die noch nicht mit Gigabit-Netzen versorgt sind, also weite Teile des Landes. Doch das Chaos rund um die leeren Fördertöpfe macht wohl eine erneute Überarbeitung des Richtlinienentwurfs notwendig, damit sich eine ähnliche Situation nicht wiederholt.

Gezerre um Potenzialanalyse

Im Zentrum der Debatte steht der künftige Verteilungsmechanismus. Der soll sicherstellen, dass Fördermittel vor allem bei jenen Gemeinden ankommen, die vergleichsweise schlecht versorgt sind. Während die Länder bislang auf einer natürlichen Priorisierung bestanden hatten, drängte das BMDV in der Vergangenheit auf eine verbindliche Potenzialanalyse. Nach dem ersteren Modell werden Anträge bewilligt, sobald eine Markterkundung feststellt, dass auf absehbare Zeit kein eigenwirtschaftlicher Ausbau stattfinden wird. Eine Potenzialanalyse hingegen bewertet lediglich, ob eine Region die Aussicht auf einen privaten Ausbau hat.

Durchsetzen konnte sich das Bundesministerium damit bis auf Weiteres nicht: Ein Problem an dem Instrument war stets, dass damit keine Ausbaugarantie der privaten Betreiber verbunden war. Denkbar ist jedoch, dass künftig eine Kombination aus dem bisherigen Markterkundungsverfahren und einer angepassten Potenzialanalyse zum Einsatz kommen könnte.

An so einer Analyse arbeitet derzeit das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK), erwartet wird sie für den Dezember. Dem Vernehmen nach kann die Arbeit an der neuen Förderrichtlinie aber erst dann fortgeführt werden, wenn die fertige Untersuchung vorliegt.

„Länder und kommunale Spitzen haben sich klar gegen eine Verbindlichkeit der Potenzialanalyse ausgesprochen“, sagt eine Sprecherin des Digitalministeriums in Rheinland-Pfalz. Für eine verlässliche Planung von Ländern und Kommunen sei der Ansatz nur dann sinnvoll, wenn die Netzbetreiber sicherstellen könnten, dass „verlässliche und adressscharfe Ausbau- und Versorgungsdaten kontinuierlich bereitgestellt“ werden. „Dies ist bisher nicht der Fall“, sagt die Sprecherin.

Die Planung der Länder dürfte nun ohnehin durcheinandergebracht worden sein. Bis zuletzt hätten sich Länder und Kommunen „auf die Förderkontinuität des Bundes verlassen“, sagt die Sprecherin. Auch die Haushaltsplanungen von Land und Kommunen würden auf den Zusagen des Bundes fußen. „Wie schnell die Planungen fortgesetzt werden können, liegt nun in der Hand des Bundes.“

Zugleich sei die Ausbaudynamik lediglich „ausgebremst, aber nicht gestoppt“ worden, betont die Sprecherin. „Bereits bewilligte Breitbandprojekte laufen wie geplant weiter.“

Für Mecklenburg-Vorpommern, das eine verbindliche Potenzialanalyse ebenfalls ablehnt, könne sie „ein geeignetes weiteres reines Informationsinstrument für die Antragsteller sein“, heißt es aus dem dortigen Digitalministerium. „Das genaue Prozedere der Einbindung der Potenzialanalyse steht noch nicht fest und ist noch in der Diskussion“, sagt eine Ministeriumssprecherin.

Länder wollen Geld und Planungssicherheit

Am Wochenende hatten Vertreter:innen fast aller Länder und kommunaler Spitzenverbände einen Brandbrief an das BMDV verschickt. Darin warnten sie vor einer Einführung der Analyse „durch die Hintertür“ und forderten „ausreichende und ggf. mehr als die derzeit geplanten Mittel“ für den Ausbau.

In einem weiteren Brief legte gestern die bayerische Digitalstaatsministerin Judith Gerlach (CSU) nach, berichtet Heise Online. „Ein plötzlicher Stopp der Gigabitförderung entzieht den Ausbauplänen vieler Kommunen insbesondere im ländlichen Raum den Boden und sendet ein völlig falsches Signal“, heißt es in einem Brief an Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP).

Aus Sicht der Industrie habe das BMDV hingegen „richtig und verantwortungsvoll gehandelt“, schreibt der Bundesverband Breitbandkommunikation. Eine Vermeidung einer „Förderflut“ sei mit der bisherigen Förderpraxis nicht gelungen. Dies würde erklären, warum innerhalb von nur einer Woche neue Förderanträge in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro beim BMDV gestellt wurden. Der plötzliche Ansturm hat letztlich den Ausschlag dafür gegeben, dass kein Geld mehr im Fördertopf übrig geblieben ist.

Zum aktuellen Stand der laufenden Verhandlungen im Förderbeirat geben sich alle Seiten bedeckt. Es soll Stillschweigen vereinbart worden sein, heißt es aus Schleswig-Holstein und anderen Ländern. Immerhin aber ließ sich der Sprecher aus Niedersachsen entlocken: „Der Bund und die Länder stehen in einem intensiven Austausch, ob und wie die Potenzialanalyse in die neuen Bundesförderrichtlinie einbezogen werden soll“. Die Sprecherin aus Rheinland-Pfalz betont, das Land werde sich dafür einsetzen, dass „die neue Förderrichtlinie des Bundes auch die Handschrift der Länder trägt“.

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