bitsGute Nachrichten: Der Breitbandausbau wird’s schon selbst richten

Das Versprechen der Bundesregierung, dass alle Bürger:innen ab 2025 ein Recht auf schnelles Internet haben werden, droht zu versanden. ••• Gemeinwohlorientierte Medien wollen auch was von der Papier-Innovationsförderung der Bundesregierung abhaben. ••• Plattformen zäunen Podcasts immer mehr ein. ••• Der Tagesrückblick mit netzpolitischen Job-Angeboten.

Die Montag-Ausgabe von bits, unserem wochentäglichen Newsletter.
Die Montag-Ausgabe von bits, unserem wochentäglichen Newsletter. CC-BY 4.0 netzpolitik.org

Hallo,

es war ein Versprechen, das ambitioniert, aber nicht unrealistisch klang: 50MBit/s schnelles Breitbandinternet sollten alle Bürger:innen bis Ende 2018 haben, so Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahre 2013. Kann man mal versprechen, war ja auch ausreichend Zeit. Leider hat die Realität nicht mitgespielt. 2020 gibt es immer noch zahlreiche Flecken in Deutschland, die sich wenigstens über etwas Bandbreite freuen würden, damit sie auch mal an einer Videokonferenz teilnehmen können. Die wurden in diesem Jahr zu einem etwas ungeplanten Gesellschaftskracher: Konnte ja niemand ahnen, dass man diesen Breitbandausbau auch mal für etwas gebrauchen könnte.

Breitbandausbau ist etwas, das allen wichtig ist. Zumindest auf dem Papier oder in Sonntagsreden. Aber es wird immer peinlicher für die größte europäische Industrienation, dass es hier immer noch zahlreiche Gegenden ohne Anschluss an die digitale Welt gibt. Der Markt wird es schon richten, das war das Mantra vieler Jahre Regierungspolitik und der Markt ging eben dorthin, wo man die meiste Rendite für die kleinste Ausbau-Investition bekommt. Also nicht unbedingt aufs Land. Das ist eigentlich logisch, wenn man beim „Kapitalismus für Einsteiger:innen“-Kurs aufgepasst hat.

Im Koalitionsvertrag dieser großen amtierenden Regierung steht ein Vorhaben, das endlich mal nach einer Änderung der Markt-Strategie klang: Ein Universaldienst und eine Breitbandverpflichtung sollten geschaffen werden. Zwar erst verbindlich ab 2025, aber eben vorbereitet in dieser Legislaturperiode. Spätestens dann sollten alle „schnelles Internet“ haben, gerne einklagbar, falls die vielen großen Ziele, Wünsche und Versprechungen wie 5G-Ausbau und Gigabit-Internet (Das ganz, ganz schnelle Internet!11) genauso erfolgreich angegangen werden wie der Glasfaserausbau in der vergangenen Generation.

Besser als nichts, haben wir uns gedacht. Früher wäre toller, aber in der Breitbandpolitik bekommt man mit der Zeit den Wunsch nach wenigstens irgendwas halbwegs Konkretem mit Fortschritt. Hauptsache ausreichend Internet, damit man auch mal an einer Videokonferenz teilnehmen kann. Oder übers Internet einen Job sucht und findet. Oder sich auf einer Foto-Plattform mit Gleichgesinnten austauschen kann. Alles Sachen, die inzwischen zum modernen Leben gehören.

Aber daraus wird jetzt wahrscheinlich nichts. Die Bundesregierung gibt auf. So ist zumindest der Diskussionsentwurf für das neue Telekommunikationsgesetz zu lesen, den Tomas Rudl für uns analysiert hat: Recht auf schnelles Internet – Abgesang auf eine gute Idee.

Beschwerden können selbstverständlich immer noch per Fax eingereicht werden. Diese Technologie hat ja auch in der Coronakrise eine große Renaissance erlebt. Die Gründe dafür können unter anderem beim fehlerhaften Breitbandausbau gesucht und gefunden werden.

 

Kurze Pausenmusik:

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Die Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Tomas Rudl und Mascha Fouquet unterstützt.

Neues auf netzpolitik.org

Markus Reuter fasste eine spannende norwegische Recherche zu Smartphone-Tracking zusammen: Wie Daten von kommerziellen Apps an den Staat gelangen.

Der norwegische Journalist Martin Gundersen zeichnet in einer großen Recherche nach, wie seine Daten von genutzten Apps über Umwege in die Hände eines Datenbrokers kamen, der mit US-Polizeibehörden zusammenarbeitet. Datenschützer halten diese Form der Überwachung für neu und beispiellos.

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In unserem monatlichen Off the Record – Podcast gaben wir etwas Einblick in unsere Finanzen und was wir damit anstellen: Weshalb wir Euch um 120.000 Euro bitten.

Dieses Mal geht ist in unserem Hintergrund-Podcast um die lieben Finanzen. Wie finanziert sich netzpolitik.org und wofür geben wir das Geld aus? Wie kommt es, dass wir am Jahresende so viele Spenden brauchen? Und warum setzen wir dabei auf Datenscham?

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Zusammen mit dem Frontal_ haben wir unsere Recherchen zu den Gelddruck-Maschinen von Coronaleugnern weiter betrieben. Daniel Laufer hat die Details: Pandemie-Leugner – Die Spur des Geldes.

Eine Initiative sammelt Spenden, um gegen Corona-Maßnahmen zu klagen. netzpolitik.org und das ZDF-Format Frontal_ sind ihrer Spur zu einer Briefkastenfirma in den Niederlanden und einem mutmaßlichen Reichsbürger im Odenwald gefolgt. Ein „Querdenken“-Anwalt spielt dabei eine undurchsichtige Rolle.

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Alexander Fanta hat sich den Aktionsplan für Demokratie angeschaut: EU plant Transparenzpflicht bei politischer Werbung im Netz.

Die EU-Kommission stellt heute einen Aktionsplan vor, der Desinformation und Wahlmanipulation im Netz bekämpfen soll. Herzstück ist eine Ankündigung für ein neues Gesetz zur Regulierung politischer Werbung, das 2021 vorgelegt werden soll.

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Von Matthias Monroy gibt es eine lange Chronologie, wie die Pläne der EU-Innenminister zum verpflichtenden Einbau von Hintertüren in verschlüsselter Kommunikation vorbereitet wurden: Fünf Jahre Kampf gegen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.

Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten wollen ihre Polizeien und Geheimdienste befähigen, Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation zu umgehen oder mit technischen Werkzeugen auszuhebeln. Ein Rückblick.

(Hint: netzpolitik.org – Leser:innen konnten das Thema schon verfolgen, als es noch nicht trendy war).

Was sonst noch passierte:

Die Zeit hat den EU-Beamten Prabhat Agarwal portraitiert, der seit Jahren die EU-Gesetzgebung für das kommende Digitale Dienste Gesetz vorbereitet: Google, Amazon, Facebook und Apple beherrschen das Internet. Kann ein EU-Beamter sie zähmen? Das „Plattformgrundgesetz“ sollte im Frühjahr schon als Gesetzesentwurf erscheinen und ist jetzt endlich für den 15. Dezember terminiert. Wir sind gespannt, was präsentiert wird und werden den weiteren Gesetzesprozess intensiv begleiten.

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Die Bundesregierung möchte 220 Millionen Euro an Papierverleger ausschütten, damit die auch mal digitaler werden. Das ist ein Wettbewerbsnachteil für alle Akteur:innen, die eben nicht auf Papier setzen. Das Forum gemeinnütziger Journalismus, zu dem auch netzpolitik.org gehört, hat jetzt in einem offenen Brief an die Bundesregierung auf diese Ungleichheit hingewiesen und Vorschläge gemacht, wie auch papierfremde Medien unterstützt werden könnten. Das geht auch abseits großer Investitionen: Eine Aufnahme von Journalismus als Gemeinnützigkeitszweck würde vielen kleinen Medienmacher:innen schon helfen, weil man damit besser staatsferne Unterstützung bei Stiftungen finden könnte.

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Der Deutsche Kulturrat hat sein aktuelles „Handbuch Gameskultur“ jetzt als digitale Version kostenfrei verfügbar gemacht.

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Seit März hab ich mich nicht mehr in ein Restaurant oder eine Bar gesetzt. Alleine schon, weil es mir skurril und wie russisches Roulette vorkam, am Tisch die Maske abnehmen zu können und dafür in einem Raum voller fremder Menschen zu sitzen, die ihre Masken auch nur auf dem Weg zur Toilette aufsetzen. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass das eine gute Strategie war. Denn Aerosole verteilen die Viren auch über Tische hinweg und die ganze Regelfolklore mit Hygienekonzepten ist politisch möglicherweise verständlich, aber eben häufig wenig evidenzbasiert. Ich bleib auch zukünftig erstmal für längere Zeit solchen Orten fern.

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Bei Spotify wunderte ich mich manchmal, warum mir das algorithmische Entscheidungssystem bestimmte Künstler:innen empfohlen hat, die ich nicht geliked habe und wo es auch sonst keine Hinweise darauf gab, warum die auf einmal in den ansonsten gut funktionierenden Empfehlungslisten auftauchen. Die Trap-Künstlerin Haiyti gehört dazu. Ich würde echt gerne Spotify für immer mitteilen können, dass ich nie wieder ihre prolligen Texte mit Autotune-Gejaule hören möchte, die trotzdem Woche für Woche in meinen Empfehlungen landen. Bei Zeit-Online wird jetzt der Mechanismus erklärt: Spotify verkauft Plätze in den Empfehlungsalgorithmen und die Plattenfirma von Haiyti scheint sich in meine Listen einzukaufen. So einfach war Chartsmanipulation noch nie: Hör mich an.

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Die New York Times beschreibt, wie die Biden-Kampagne eine Netzstrategie entwickelt hat, die gegen Trumps Strategie bestehen konnte: How Joe Biden’s Digital Team Tamed the MAGA Internet.

Audio des Tages: Nazis im Plattformkapitalismus

Das Netzmagazin Breitband auf Deutschlandfunk Kultur hat am Samstag über Plattformen wie Spotify und Audible diskutiert, die das früher ganz offene Podcast-System einzäunen und hinter ihre Paywalls verschließen: Plattformkapitalismus erobert den wilden Podcast-Westen. Die Sendung gibt es selbstverständlich auch als offene Variante zum zeitsouveränen Nachhören. Aber auch auf den Plattformen.

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Tilo Jung hatte Christina Schmidt und Sebastian Erb von der taz zu Besuch und hat mit ihr lange über ihre Recherchen zu „Rechte Netzwerke & die Affäre Caffier“ gesprochen. Das gibts als Video und Podcast.

Video des Tages: Klimakrise in der Corona-Disco

Die 3sat – Dokumentation „Radical Disco“ gibt einen Einblick in die Ursprünge der Clubkultur in Italien, Deutschland, Spanien und New York.

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Die Arte-Sendung „Mit offenen Karten“ zeigt in 13 Minuten anschaulich, dass die Klimakrise in Teilen der Welt längst da ist.

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Das WDR-Wissenschaftsmagazin Quarks beschreibt „Das System der Corona Verharmloser: Warum so viele ihnen glauben“.

Netzpolitik-Jobs

Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.

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FragdenStaat in Berlin sucht Volljurist*in! (80-100%, ab Februar 2021) für Informationsfreiheitsklagen und eine gute Sache.

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Reporter ohne Grenzen suchen eine „Teamleitung Nothilfe und Stipendien (m/w/d, 38,5 h/Vollzeit, unbefristet)“ ab dem 1. Februar in Berlin.

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Gleich vier wissenschaftliche Stellen hat das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft – Thüringer Dokumentations- und Forschungsstelle gegen Menschenfeindlichkeit (IDZ) in Jena ausgeschrieben. Dort kann man über Polarisierung und Nazis und dergleichen forschen.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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