Kurz nach Ende eines Pilotprojekts in fünf Großstädten hat der Landtag in Nordrhein-Westfalen weitere 4,5 Millionen Euro zur Beschaffung von 620 Tasern beschlossen. Die bei der Polizei als „Distanzelektroimpulsgeräte“ bezeichneten Waffen sollen nun auch in zwölf weiteren Städten genutzt werden, darunter in Aachen, Bochum, Gütersloh, Münster und Wuppertal sowie Teilen des Sauerlands. Derzeit befinden sich nach Angaben von zwei Paderborner Landtagsabgeordneten 766 Taser im Einsatz der Polizei des größten Bundeslandes. Insgesamt wird der Bestand damit auf über 1.360 Geräte ausgeweitet, die Gesamtkosten der Beschaffung betragen 8,5 Millionen Euro. Darin enthalten sind auch Trainings.
Erst kürzlich hatte die dpa nach einer Länderumfrage Zahlen präsentiert. Demnach hat die Polizei in Nordrhein-Westfalen in ihrem Pilotversuch bis Ende September 2021 fast 160 Mal den Taser gezogen. Dabei handelte es sich um 123 Androhungen und 31 tatsächliche Schussabgaben. Zwei Mal wurden die Geräte im Kontakt-Modus eingesetzt, dabei erfolgt der Elektroschock ohne die sonst üblichen Drähte direkt am Körper der Zielperson.
Auch in Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland im Streifendienst
Den weltweiten Markt für Taser dominiert die US-Firma Axon, auch die gelben Geräte in Nordrhein-Westfalen stammen aus deren Produktion. Sie verschießen zwei Elektroden, die an Drähten befestigt sind und sich wenige Millimeter unter die Haut eingraben. Das Gegenüber wird so in bis zu zehn Metern Entfernung durch einen Stromimpuls für einige Sekunden gelähmt. Wird das Gerät scharf gestellt, zeigt es einen Lichtbogen zwischen den Elektroden. Das Ziel wird zudem mit einem farbigen Laser anvisiert. Dies soll die potentiellen Opfer eines Einsatzes einschüchtern.
In Deutschland werden Taser seit der Jahrtausendwende von der Polizei in allen Bundesländern genutzt, allerdings bis vor wenigen Jahren ausschließlich durch Sondereinsatzkommandos. In Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt ist dies auch weiterhin der Fall, in Bayern sind Taser mittlerweile auch für die 30 Einsatzeinheiten der Bereitschaftspolizei verfügbar.
Vor Nordrhein-Westfalen hatten Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland die Ausweitung für den Streifendienst beschlossen, dort werden die Einsatzfahrzeuge aller Polizeiinspektionen mit Tasern ausgerüstet. In Bremen hat sich die Bürgerschaft letztes Jahr dagegen ausgesprochen, dort bleiben sie aber im Bestand der Spezialkräfte. Eine Ausnahme auch für den Streifendienst gibt es aber für Bremerhaven.
Weitere Bundesländer erwägen derzeit die flächendeckende Einführung, darunter sind etwa Brandenburg und Berlin. Vor über zwei Jahren hat auch die Bundespolizei an den Inspektionen Berlin-Ostbahnhof, Kaiserslautern und Frankfurt/Main-Hauptbahnhof ein Pilotprojekt begonnen.
Sechs Tote durch Taser in drei Jahren
Mit den neuen Waffen will die Polizei die Lücke zwischen Einsatzmitteln wie Schlagstock, Pfefferspray und Pistole schließen. Sie wirbt außerdem damit, dass mit Tasern der Schusswaffengebrauch zurückgehen könnte. Untersuchungen dazu gibt es noch nicht, laut dem Innenministerium in Düsseldorf habe jedoch das Pilotprojekt gezeigt, dass allein die Drohung mit dem Taser zu einer geringeren Gewaltanwendung durch die Polizei beigetragen habe.
In den vergangenen drei Jahren sind in Deutschland sechs Personen nach Einsätzen einer Distanzelektroimpulswaffe gestorben, davon je zwei in Rheinland-Pfalz und Hessen (mithin Ländern, die jetzt die Ausweitung betreiben), zwei weitere in Bayern und Niedersachsen. Alle tödlichen Einsätze erfolgten in Wohnhäusern, fast immer befanden sich die Betroffenen in einer psychischen Ausnahmesituation, in mindestens einem Fall stand die getaserte Person vermutlich unter Drogeneinfluss. Der Tod erfolgte unter anderem durch einen Kreislaufstillstand oder Herzinfarkt, in einem Fall starb das Opfer durch eine Lungenentzündung und Blutvergiftung nachdem er sich bewusstlos erbrochen hat.
Oesten Baller, der als Professor für öffentliches Recht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin lehrt, macht auf Anfrage von netzpolitik.org auf ein weiteres Problem aufmerksam. Bei den Spezialeinheiten wird der Taser häufig zur Verhinderung eines Suizids eingesetzt. Dies sei aber mit dem Grundrecht auf Suizid, welches das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren ausdrücklich bekräftigt hat, kaum vereinbar.
Axon finanziert Polizeiball
Ob Taser-Einsätze und damit auch Todesfälle zunehmen, ergebe sich auch aus der Frage, wie die Geräte in den Polizeigesetzen der Länder eingestuft sind. Durch einen waffenrechtlichen Feststellungsbescheid hatte ursprünglich das Bundeskriminalamt den Taser nach dem Waffengesetz als Schusswaffe eingeordnet, erklärt Baller. Aus politischen Gründen sei dieser Feststellungsbescheid auf der Homepage des BKA jedoch gelöscht worden.
Heute treffen die Länderpolizeigesetze eigene Regelungen und stufen Taser entweder als „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“ (wie in Berlin und Schleswig-Holstein) oder „Waffe“ (wie in Nordrhein-Westfalen), oder aber im Gegensatz dazu als „Schusswaffe“ ein. Im letzteren Fall bestehen höhere Hürden für die Androhung des Einsatzes, auch müssen wie bei Schussabgaben ausführliche Berichte geschrieben werden. Als „Hilfsmittel“ oder „Waffe“ können Taser hingegen wie Pfefferspray oder Schlagstock gezückt werden, damit hätten sie vermutlich wenig Einfluss auf die Anzahl von Schusswaffeneinsätzen.
In Bundesländern, wo „Distanzelektroimpulsgeräte“ der Schusswaffe gleichgesetzt sind, fordern Polizeigewerkschaften vehement die Herabstufung der Einsatzschwelle. Besonders tut sich die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hervor, die auch den Startschuss für den Bundespolizei-Test für sich reklamiert. In Sachsen-Anhalt hatte die rechtskonservative Polizeivereinigung den Taser-Hersteller Axon vor sechs Jahren zu einer Vorführung eingeladen, um den CDU-Innenminister zur Beschaffung der Geräte gewogen zu stimmen. Die US-Firma revanchierte sich laut einem Zeitungsbericht mit dem Sponsoring eines Polizeiballs anlässlich der 25-jährigen Bestehens des DPolG-Landesverbandes in einem Vier-Sterne-Hotel.
https://www.gesetze-im-internet.de/waffg_2002/anlage_2.html
„Verbotene Waffen
Der Umgang, mit Ausnahme der Unbrauchbarmachung, mit folgenden Waffen und Munition ist verboten:
(… 1.3.6. …)
sowie Distanz-Elektroimpulsgeräte, die mit dem Abschuss- oder Auslösegerät durch einen leitungsfähigen Flüssigkeitsstrahl einen Elektroimpuls übertragen oder durch Leitung verbundene Elektroden zur Übertragung eines Elektroimpulses am Körper aufbringen“
Ich kann ja durchaus das Bedürfnis nachvollziehen die legale Gülle, die das deutsche Waffengesetz darstellt, einfach zu ignorieren, aber gerade die Mädels in Blau sollten vorsichtig sein Maschinengewehren gleichgestellte Objekte mal eben zu „Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt“ umzudefinieren. Andere Leute könnten sich sonst ein Beispiel daran nehmen…
Es gibt entsprechende schutzmaßnamen gegen elektroimpulswafen und die werdeden ebenfalls eingesetzt. Da jeder eine Elektroimpulswaffe sich im Internet besorgen kann sind rüstungen zum eingenen schutz masgeblich für die eingene Selbstverteidigung gegen Polizeigewalt und die Gewalt der allgemeinen Wilkür das von jeden ausgeübt werden kann. https://www.heise.de/tp/features/Schutzkleidung-fuer-Taser-Waffen-3415999.html
2007 Unkontrollierter Export: Deutsche Elektroschocker für Folterknechte
https://www.stern.de/politik/deutschland/unkontrollierter-export-deutsche-elektroschocker-fuer-folterknechte-3358972.html
Damals war Deutschland der zweitgrößte Exporteur von Elektroimpulswaffen auch in Länder, die bekanntermaßen folterten und dies noch immer tun.
Es ist zu vermuten, dass Not leidenden Exporteuren (globaler Wettbewerb und zunehmende Exportbeschränkungen) über den Durst geholfen werden soll.
Dabei wurden keinerlei Gedanken daran verschwendet, dass gerade in Deutschland nicht wenige Menschen an Herzerkrankungen leiden oder gar mit Herzschrittmachern leben. Polizisten sollten darauf geschult werden, ihre potentiell tödlichen Opfer vorher zu befragen, ob eine „Behandlung“ mit dem Folter- und Disziplinierungsinstrument angewendet werden darf.
Es stellt sich sogleich auch die Frage, ob bei polizeilicher Androhung einer Elektroimpulsbehandlung das Opfer die Folter durch deutlich wahrnehmbare Rufe wie „ich bin herzkrank“ oder „ich habe einen Herzschrittmacher“ abwenden kann.
> Es stellt sich sogleich auch die Frage, ob bei polizeilicher Androhung einer Elektroimpulsbehandlung das Opfer die Folter durch deutlich wahrnehmbare Rufe wie „ich bin herzkrank“ oder „ich habe einen Herzschrittmacher“ abwenden kann. <
Es gab Menschen, die haben Polizisten in letzter Verzweiflung angefleht "Ich kann nicht mehr atmen!"
Und es hat ihnen nichts gebracht – gar nichts!
Es gibt ja auch Menschen mit implantierten Herzschrittmachern bzw. Defibrillatoren. Ich halte Teaser für diese Personengruppe für sehr gefährlich bis tödlich.
Ich bin entsetzt über so viele realitätsferne Äußerungen, die ich mir nur mit tiefsitzenden, grundsätzlichen Vorbehalten gegen Sicherheitsbehörden erklären kann! Das aktuelle Attentat vongestern Abend in Paris (02.12.2023) sollte deutlich machen, dass der Einsatz des Taser das Leben des Attentäters gerettet hat! Die Alternative wäre der gezielte Schusswaffengebrauch gewesen (nachdem der Täter das Tragen eines Sprengstoffgürtels behauptete). Selbst Märtyrer leben manchmal länger!
Noch mehr entsetzt sollte man sein, wenn die erwiesene Gefährlichkeit von Teasern für Personen mit Herzfehlern als „realitätsferne Äußerung“ diffamiert wird, und dies mit „grundsätzlichen Vorbehalten gegen Sicherheitsbehörden“ in Verbindung gebracht wird.
Bleibt zu hoffen, dass diese abstruse Meinung nicht von einem Beamten der Sicherheitsbehörden abgegeben wurde!
Wenn Taser als „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“ rechtlich gleichgestellt sind mit Reizgasen und Schlagstöcken, dürfen dann auch private Sicherheitsdienste(zum Beispiel im Auftrag der DB) und Innhaber:innen des „kleinen Waffenscheins“ solche Geräte mit sich führen/besitzen?
In dem Artikel wird eine polizeiliche Spezialeinheit (SEK) als „Sondereinsatzkommando“ bezeichnet. Der Begriff wird so – auch in Behörden – nicht (mehr) verwendet. Es ist zum einen nur eine Polizeieinheit mit speziellen Kenntnissen, die aber keinen Sonderstatus oder dergleichen besitzt. Und zum anderen ist der Begriff historisch vorbelastet (https://de.wikipedia.org/wiki/Sondereinsatzkommando_Eichmann).
„Spezialeinheit kürzt“ sich schlecht mit „SEK“ ab.
Die Beschreibung auf den Seiten des Berliner Landeskriminalamts stützt [1] die Information auf wikipedia [2]: Spezialeinsatzkommando, kurz SEK.
[1] https://www.berlin.de/polizei/dienststellen/landeskriminalamt/lka-6/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Spezialeinsatzkommando
Taser ist eine weniger häufig tödliche Waffe. Die wesentliche Frage ist also, ob der Anwendungsbereich jetzt ausgeweitet wird.
Die Antwort besteht vielleicht einfach im Knüppel?
Die folgende Frage ist nun, da wir damit angefangen haben, ob wir dann auch lernen wollen, damit adäquat umzugehen, oder wenn das nicht geht, es überhaupt weiter benutzen wollen.
Der Vergleich kann z.B. sein, Situationen bzgl. Risiko und Häufigkeit zu untersuchen:
– Tasereinsatz.
– Schusswaffengebrauch in Situationen, in denen derzeit Taser eingesetzt werden würde.
– Knüppel/Spray/usw. jew. in Situationen, in denen derzeit Taser eingesetzt werden.
Kennzeichnung versagt natürlich, so würde z.B. ein Gelber Blitz für Herzschrittmacher u.ä. sicherlich auch von den Bösen getragen, just saying…
Wobei das immer Grenzsituationen gibt. Z.B. ein stark alkoholisierter und mit Drogen vollgepumpter messerschwingender herztransplantierter Schrittmacherträger…
Schusswaffen sind kaum harmlos zu bedienen, du kannst immer eine Arterie treffen oder Leute hinter einer Wand, Querschläger etc. Taser ist insofern so gut wie immer besser als Schusswaffengebrauch. Gummigeschosse und due Autotür als stumpfe Waffe könnte man noch diskutieren.
Ich kann nicht einschätzen, wie das in der Praxis ist, ob nach einem Tasereinsatz, z.B. nach Verfehlen, überhaupt genügend Zeit wäre, noch die echte Pistole einzusetzen. Vielleicht geht das auch nur zu Zweit ab. Beim Schutz anderer ist Taser offensichtlich vorzuziehen, aber als Allerweltslösung nach Gusto sicherlich indiskutabel.
PR als „gute Waffe“… naja. Alles was einen Menschen entgegen seines Willens stoppen kann, kann ihn auch töten. Da gibt es dann eben Abstufungen, Risikofaktoren und den Gebrauch bzw. das Handling, was eben auf das eine oder das andere abzielen oder hinauslaufen kann, da es immer Unwägbarkeiten gibt. Sogar ein Wurmloch oder Teleportation können töten (Fuß vergessen, zu hohe Strahlung oder Geschwindigkeit).
Bekannter von mir wurde Mal von einem der übereifrigen Blaumänner getasert, seither (damals 24, heute Anfang 3) ist er inkontinent und mehr oder weniger arbeitsunfähig, weil die Muskulatur seines Beckenbodens dauerhaft spasmische Krämpfe hat.
Selbst gesunde Menschen können Schäden davon tragen.
Der Herr Baller ist KEIN Prof. mehr an der HWR. Er ist letztes oder vorletztes Jahr emeritiert.
Als weiteres wäre intertessant, wieviel nichtlethale Einsätze es gab. So, wird der Anschein geweckt, „jeder Schuß ein Todesfall“.
Die offziellen Zahlen zum allgemeinen Schusswaffengebrauch sind auch auf der Todesschuss-Webseite veröffentlicht, dort unter dem Reiter „Statistik“:
https://polizeischuesse.cilip.de/statistik
Natürlich beträgt die Zahl der sonstigen Schussabgaben ein Vielfaches. Es gibt etwa Warnschüsse, aber vor allem überwiegen die Schüsse auf „Sachen“ (dazu gehören auch Tiere).
Nachtrag: https://www.hwr-berlin.de/hwr-berlin/ueber-uns/personen/29-oesten-baller/