DatenvisualisierungWebsite sammelt tödliche Polizeischüsse

Auffällig viele Menschen werden von der Polizei in ihrer eigenen Wohnung getötet, in vielen Fällen befanden sich die Betroffenen in einer psychischen Ausnahmesituation. Eine neue Website bereitet Informationen zu Polizeischüssen ab 1976 auf neue Weise auf.

Eine Pistole vor weißem Hintergrund, stilisiert mit Streifen
Warum starben Menschen durch Polizeischüsse? Diese Frage versucht, eine neue Website zu beantworten. polizeischuesse.cilip.de

Der Softwareentwickler, Datenwissenschaftler und Datenanalyst Johannes Filter entwickelt Open-Source-Software, um freien Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Matthias Monroy schreibt regelmäßig für netzpolitik.org.

Das größte Risiko, in Deutschland von einer Polizeikugel tödlich getroffen zu werden, besteht seit 1976 in den Bundesländern Hamburg und Hessen. Insgesamt ist Berlin mit 28 Opfern (davon 10 in Westberlin) die tödlichste Stadt. Am häufigsten betroffen sind 25-jährige Männer, gefährlichster Monat ist der Dezember. Auch eine Häufung an einzelnen Wochentagen ist erkennbar, es überwiegt der Donnerstag und der sechste Tag im Monat. Am Wochenende sterben weniger Menschen durch den polizeilichen Schusswaffengebrauch, dort fällt ebenso die Beteiligung von Spezialeinheiten an den tödlichen Einsätzen deutlich geringer aus.

Die Schlussfolgerungen ergeben sich aus jährlichen Statistiken der Zeitschrift CILIP, die wir jetzt neu sortieren und darstellen. Seit 1976 zählt die CILIP tödliche Polizeischüsse und gleicht diese mit anderen Informationen ab. Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Innenminister*innen und -senator*innen der Länder (IMK) erstellt die Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol) eine jährliche Schusswaffengebrauchsstatistik, die im Frühjahr oder spätestens im Sommer des Folgejahres abgeschlossen und auf Anfrage herausgegeben wird.

Neben Warnschüssen unterscheidet die Übersicht zwischen dem Gebrauch gegen Tiere, Sachen und gegen Personen. Eine weitere Kategorie ist der unzulässige Schusswaffengebrauch, darunter auch gegen Unbeteiligte. Gezählt werden schließlich auch Verletzte und Tote.

306 Erschossene seit 1989

Seit dem Fall der Mauer wurden 306 Menschen von der deutschen Polizei erschossen, von 1976 bis 1990 zählen wir weitere 146 Opfer in Westdeutschland. Mit unserer Übersicht können wir die These stützen, dass eine beträchtliche Zahl von psychisch beeinträchtigten Menschen Opfer von Polizeischüssen werden. In rund einem Fünftel aller Fälle finden wir entsprechende Hinweise; viele der Betroffenen werden dabei in ihrer eigenen Wohnung getötet, etwa wenn sie als Reaktion auf das polizeiliche Eindringen oder im Gefühl des Bedrohtseins plötzlich zu einem Messer greifen. In einer Mehrzahl der Fälle sind die späteren Opfer bewaffnet, heutzutage allerdings eher mit einer Stich- und seltener mit einer Schusswaffe. Sichtbar wird auch, dass im letzten Jahrhundert häufiger bei Banküberfällen geschossen wurde.

Ein Balkendiagramm, dass die Anzahl von Todesschüssen seit 1976 pro Jahr zeigt
Polizeiliche Todesschüsse von 1976 bis 2021 - polizeischuesse.cilip.de/

Wir zählen alle Fälle, in denen Menschen durch eine Polizeikugel gestorben sind. Aufgeführt ist jedoch nur die dienstliche Verwendung der Waffen. Deshalb beziehen wir die zahlreichen „erweiterten Suizide“, in denen Polizisten zuvor Partnerinnen oder Angehörige töten, nicht ein. Ebenfalls nicht gezählt sind Situationen, in denen dies außerhalb des Dienstes erfolgt. Dies betrifft mindestens zwei Fälle von 1986 und 1995, in denen Polizisten zur Aushilfe an einer Tankstelle arbeiteten und bei einem Überfall ihre Dienstwaffe eingesetzt haben.

Die Todesschüsse recherchiert der CILIP-Redakteur Otto Diederichs gewöhnlich in der Presse. Früher erfolgte dies durch die Sichtung von gedruckten Tageszeitungen, heute ausschließlich im Internet. Die Medienberichte sind mit Vorsicht zu genießen, denn oft überwiegt darin die Darstellung und mithin die Sichtweise der Polizei.

Weitere Details erfragen wir anschließend bei den zuständigen Polizeibehörden oder Staatsanwaltschaften. Manchmal müssen wir dann Fälle ergänzen, die uns nicht bekannt wurden. Mitunter korrigieren wir unsere Zählung auch, etwa wenn die von uns gezählten Todesschüsse lediglich zu einer schweren Verletzung geführt haben. Einige Fälle haben wir womöglich auch nicht korrekt dargestellt, zum Beispiel wenn in späteren Untersuchungen neue Sachverhalte bekannt wurden.

Diskrepanzen zur polizeilichen Zählung ergeben sich, wenn die staatsanwaltlichen Ermittlungen zur Todesursache nach einem Schusswaffengebrauch nicht abgeschlossen sind. Dann werden die Fälle als „offen“ bewertet, sie tauchen also in der offiziellen Jahresstatistik nicht als „Tote“ auf. Dies hat die DHPol erst ab 2014 mit der neuen Rubrik „noch nicht klassifizierte Fälle (Folgen)“ berücksichtigt.

Balkendiagramm zur Wochentagsverteilung der Polizeischüsse
Durchschnittliche Todesschüsse von 1976 bis 2021 pro Wochentag, unterteilt nach SEK-Beteiligung - polizeischuesse.cilip.de/

Für die Visualisierung haben wir die Fälle nach Hinweisen auf eine psychische Ausnahmesituation der Opfer durchsucht und markiert. Uns haben auch Schussabgaben innerhalb und außerhalb von Gebäuden interessiert, nicht immer ließ sich dies jedoch rekonstruieren.
Unsere Fallbeschreibungen sind erst mit den Jahren umfangreicher geworden. So bleibt etwa das Geschlecht der Getöteten bis zum Jahr 1982 häufig offen. In der neuen Übersicht haben wir ab der Jahrtausendwende Online-Quellen nachgetragen. Nachweise zu den früheren Ereignissen finden sich in unserem Zeitungsarchiv, in das wir auf Anfrage gern Einblick gewähren.

Tod durch Taser

Seit 2021 sammeln wir auch Todesfälle durch den polizeilichen Einsatz von Tasern (technisch „Elektroimpuls-Distanzwaffen“). Bis vor einigen Jahren waren lediglich Spezialeinheiten damit ausgerüstet. In einigen Bundesländern ist dies bereits auf „geschlossenen Einheiten“ der Landespolizei ausgeweitet (Bayern), in anderen gehören die Geräte zur „Grundausstattung“ mehrerer Polizeipräsidien (Nordrhein-Westfalen, Hessen, Saarland). In Rheinland-Pfalz hat angeblich „jeder Streifenwagen“ einen Taser an Bord.

Die Taser-Statistik stellen wir gesondert dar, denn die Elektroschocks führen zu deutlich anderen Todesursachen als Munition aus Schusswaffen. Die Opfer sterben an Herz- oder Kreislaufstillstand, Organversagen oder sie ersticken an Erbrochenem. Unsere Liste zeigt, dass bislang fast alle Opfer innerhalb von Gebäuden getasert werden. Bei allen Getöteten lassen die Presseberichte auf eine psychische Ausnahmesituation, beziehungsweise Drogenkonsum schließen.

Der Artikel erscheint kommende Woche in der gedruckten Ausgabe der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP. Das Heft 127 „Polizeirecht – Entgrenzung und Protest“ kann hier bestellt werden.

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20 Ergänzungen

  1. Es ist Subjektiv, da mir keine Zahlen vorliegen, ich habe den Eindruck das die Situation in Österreich bei weitem besser ist.

    Die Gründe dazu und das ist ebenso eine subjektive Sichtweise da ich die Situation in Deutschland nur unzureichend kenne, das der Schusswaffengebrauch in Österreich sehr konsequent durch die Staatsanwaltschaft untersucht wird.

    Weit über 90 Prozent der abgebenden Schüsse der Cobra gingen an brennende Azetylen-Gasflaschen, das versteht sich als Hilfeleistung an diverse Feuerwehren und bedarf keiner weitern Dokumentation.

    Interessant wäre auch die Situation in der Schweiz.

    Generell, die Probleme könnten in einer Verbesserung der Ausbildung und Anpassung der Gesetze gelöst werden. Gerade bei der Ausbildung dürfte es eklatante Unterschiede zu Deutschland geben.

  2. „Auch eine Häufung an einzelnen Wochentagen ist erkennbar, es überwiegt der Donnerstag“

    Ja, aber ist es signifikant, und wenn ja bei welchem Signifikanzniveau?

    Ich hab bereits in der Arbeit mit Möchtegernstatistikern zu tun und die sog. Corona Krise hat einige unschöne Exemplare in den Medien und Twitter hochgespült. Bitte fangt nicht auch noch an bei netzpolitik.org Geschichten aus „erkennbaren“ Zahlen herzuleiten.

    1. Hallo Philip, vielen Dank für deinen Kommentar. Ich glaube dir ist nicht klar, was Signifikanz aussagt. Nur weil etwas nicht signifikant ist, heißt es nicht, dass es nicht existiert. Zudem: Ein journalistischer Beitrag ist kein wissenschaftliches Paper. Und selbst in der Wissenschaft ist in Zeiten von p-hacking eine reine Reduzierung auf Signifikanz strittig. Ich kenne deinen Hintergrund nicht, aber du scheinst keine Ahnung von der Materie zu haben. Viele Grüße

      1. Sie vergreifen sich ein wenig im Ton. Die Frage nach der Signifikanz ist, insbesondere bezüglich der Wochentage und vor allem bzgl. des 6. Tag im Monat durchaus berechtigt. Bei einer Fallzahl von 306 seit 1989 derart spezielle Aussagen zu treffen ist höchst fragwürdig.

      2. Was ist wahrscheinlicher: Ich habe keine Ahnung von der Materie oder ich habe schon zu oft Häufungen in periodischen Ereignissen gesehen die allen Versuchen sie zu erklären widerstanden haben. Wie wir beide wissen: das kann man anhand meines Kommentars nicht feststellen.

        Es stimmt, in der Wissenschaft und speziell mit beschreibender Statistik gibt es verzweifelte Versuche Zusammenhänge herzustellen die wahrscheinlich gar nicht da sind. Hat damit zu tun, das Wissenschaftlerinnen in der Regel für Zusammenhänge besser bezahlt werden, als für: Wir haben das vollständig untersucht, aber kein Ergebnis.
        Zugleich gibt es im Journalismus, der nicht automatisch wissenschaftlich arbeiten muss, aber mal den Leitsatz hatte „Schreiben was ist“, eine Sehnsucht nach Einordnung oder der Geschichte „dahinter“. Und es gibt unschöne Beispiele wie die Geschichte schon feststeht und dann dafür Belege gesucht werden, oder gleich ganz erfunden.

        Der Datenjournalismus ist (soweit ich das sehen kann) mal damit gestartet, das angefangen wird mit Fakten, Messungen und Daten ein Bild von der Wirklichkeit zu schaffen, das die Geschichte unzweifelhaft stützt oder bestätigt.

        Ohne weitere Belege sind deine Häufungen am Donnerstag, am 6en und im Dezember: Zufall. Und ich würde erwarten, das man die Leserin unterstützt und das hinschreibt.

        Weil es so ist.

      3. Danke für die Arbeit und Mühe, Johannes. Schade, dass wir hier mal wieder rhetorische Fragen präsentiert bekommen haben, statt ehrlichen und ergebnisoffenen. Das Urteil „nicht signifikant“ wurde gefällt, ohne eine Begründung zu nennen, aber mit Verweis auf die Bekanntschaft mit „Möchtegernstatistikern“. Mit derlei Sophismen ging man schon zu Schopenhauers Zeiten der ‚lästigen‘ Beweislast, die bei positiven Behauptungen erforderlich ist, aus dem Weg.

        1. Wer statistische Signifikanz behauptet, muss statistische Signifikanz mit Methodik und Daten darlegen, so funktioniert wissenschaftliches Vorgehen beim Analysieren von Daten nunmal.

          Fehlt diese Darlegung, ist es keine Analyse sondern freie Spekulation. Journalisten sollten zwischen Informationsdarstellung, Spekulation und Suggestion unterscheiden koennen. Koennen viele nicht, wollen viele nicht, d’accord, deswegen vertraut man denen ja idR nicht.

          Beachtenswerte statistische Signifikanz ist gegeben, wenn eine Beobachtung in einer Datenmenge hinreichend unwahrscheinlich reiner Zufall ist. Statistische Signifikanz ist Mathematik, das Mass fuer „hinreichend“ ist idR Konsens einer Community oder Entscheidung des Lesers. Eine Entscheidung, die auf Grund der dargelegten Methodik zumindest prinzipiell moeglich ist.

    2. Die Frage nach der Signifikanz eines Wertes ist ohne ein weiteres benanntes Merkmal sinnfrei. (Signifikant für was?)

      Wenn in einem Datenfeld (hier 50,64,73,91,69,44,62) der Spitzenwert über 20% Vorsprung vor der Zweitplatzierung hat und 30% über dem arithmetischen Mittel liegt, ist das eine deutliche Auffälligkeit. Auffällig ist auch der Samstag, welcher 20,7 Punkte unter dem arithmetischen Mittel liegt. Es liegt also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Signifikanz gegenüber den anderen Wochentagen bzw. des Wochenmittels vor. Ich bin unschlüssig, ob wir eine Irrtumswahrscheinlichkeit vorliegen haben, die den Ausbruch von 20% bzw. 30% zu egalisieren im Stande wäre, denn es kann natürlich sein, dass diese Quoten im Bereich einer natürlichen Fluktuation liegen. Es gibt ja zum Glück keine hohe Event-Dichte. 300 Events in 30 Jahren sind, wenn keine Häufung festgestellt wird, relativ nichtssagend. Aber da es hier um Menschenleben geht, sollten wir uns am Minimalprinzip bedienen und trotz sehr mässiger Wahrscheinlichkeit an dieser Stelle die Ursachenforschung nicht ausbleiben lassen.

      Ich würde als ersten Schritt die Donnerstags- und Samstangswerte jeweils gesondert auf der Zeitachse abbilden bzw. an ihr ableiten, um Häufungen zu erkennen. Was für Donnerstage/Samstage waren es, an denen die vielen bzw. wenigen Tötungen stattfanden? Welche besonderen Umstände sind auf Donnerstage bzw. Samstage eingrenzbar und falsifizierbar? Fiktives Beispiel: Es gab z.B. ab 1989 den „langen Donnerstag“ (Ladenöffnungszeiten bis 20:30 Uhr). Wenn wir nun eine Häufung der Fälle ab 1989 vorliegen hätten, könnte es an dieser Stelle theoretisch einen Zusammenhang geben. Ab 1996 wurden Samstage für den Einkauf bis 20:00 Uhr freigegeben. Wenn auf der Zeitachse eine starke Veränderung bei 1996 liegt, sollte man hier in der Ursachenforschung genauer hinschauen.

      1. „Signifikanz“ ist als Groesse ein Ergebnis der wissenschaftlichen Auswertung von Daten mit statistischen Mitteln.

        Muss man nicht wissen. Aber wenn man das nicht weiss, kann man keine Ergebnisse einschaetzen sondern nur glauben.

        Ueber „moegliche Abweichungen“ u.ae. in statistischen Daten zu raunen, ohne saubere wissenschaftliche Auswertungen, nennt man Schwurbeln.

    3. Wir sind keine Forscher, tun auch nicht so, ziehen deshalb keine Schlussfolgerungen. Die Visualisierung soll es aber der kritischen Polizeiforschung erleichtern, bestimmte Phänomene zu untersuchen. Einige davon, die uns selbst interessieren, deuten wir an, so etwa die hier gegenständlichen Häufungen an bestimmten Tagen (die z.B. daran liegen könnten dass das SEK Fälle an Werktagen nach oben treibt, weil geplante Polizeiaktionen seltener an Wochenenden stattfinden). Uns interessiert auch ob wir mit der These richtig liegen, dass ein beträchtlicher Teil von Opfern in der eigenen Wohnung erschossen wird, auch hier sehen wir Hinweise (war das schon immer so?). Und natürlich könnte man* fragen WARUM denn so viele Menschen in den Bundesländern Hamburg und Hessen erschossen werden anstatt zu behaupten, das sei nur Zufall. Kurzweilig ist m.E. auch dass Banküberfälle seit den Nullerjahren kaum mehr vorkommen, aber das nur am Rande.

      1. Da muss ich Philip jetzt beipflichten und, ohne einen persönlichen Angriff zu meinen, sagen: Das ist Unsinn. In wissenschaftlicher Hinsicht: Unsinn. Unsinn, in dem Sinne, dass es nicht zu einer zuverlässigen und wahren Aussage über die Welt führen wird. Ich spreche hier kein Moralurteil.

        1. Statistische Signifikanz ist definiert. Bei Wikipedia nachlesen. Dazu gibt es keine Meinung, man gebraucht vielleicht lediglich eine andere Definition.

        2. „Nur weil etwas nicht signifikant ist, heißt es nicht, dass es nicht da ist“: Darin steckt eine böswillige Unterstellung oder Unwissenheit über die wissenschaftliche Methode. Die Unterstellung ist, dass es nur 2 Möglichkeiten gibt und dass statistische Signifikanz darüber entscheidet, welche der 2 es ist; nämlich Effekt ist da oder Effekt ist nicht da. Das stimmt aber nicht, es gibt noch eine dritte und sehr wichtige Möglichkeit und die heißt wie folgt:
        ICH WEIß ES NICHT!
        Genau darauf hat Philip total richtig hingewiesen und das war sein wichtiger Hinweis an netzpolitik und den Autor: Schreib: „Ich weiß es nicht und die Daten geben es nicht her“, wenn es denn so ist und orakel da nicht was in die Daten rein, was da nicht drin steht! Hilf dem Leser zu verstehen, dass es in der Statistik immer 3 Möglichkeiten gibt:
        1. Die Statistik widerlegt den Effekt (hohe Signifikanz gegen den Effekt)
        2. Die Statistik widerlegt den Effekt nicht (hohe Signifikanz für den Effekt; was aber nicht heißt, dass der Effekt wirklich da ist)
        3. Die Statistik sagt nichts über den Effekt (keine hohe Signifikanz)

        3. Die beschreibende Statistik existiert für genau einen einzigen Anwendungsfall: Es gibt eine Theorie über einen Mechanismus, den man nicht genau beobachten kann. Dann macht man Zufallsexperimente, in denen der Mechanismus ausgelöst werden soll und schaut mit Statistik ob man die Theorie stützen kann, indem man (festhalten!) die gegenteilige Annahme macht und Fall 1, nicht 2 herauskommt (Widerlegung der Gegenannahme). Wenn das klappt, hat man seine Theorie unterstützt. Wenn Fall 2 eintritt, ist das eher schlecht für die Theorie. Wenn Fall 3 eintritt (so wie mit der „Donnerstagstheorie“), dann ist das Experiment einfach unbrauchbar gewesen.

        Eine Statistik ohne Theorie oder eine Theorie, die ausschließlich aus einer Statistik begründet wird, ist Schamanentum und Religion aber keine der Wahrheit verpflichtete Wissenschaft.

        Man muss nicht selbst Wissenschaftler sein um die drei Regeln zu erkennen und seinen Artikel entsprechend zu formulieren.

        1. Mir ist wirklich nicht klar, warum der initiale Kommentar freigeben wurde, weil er meiner Meinung nach nicht den Kommentarregeln von NP entspricht. (Deswegen war meine erste Antwort auch etwas scharf.)

          Wir haben nie behauptet, dass unsere Ergebnisse statisch signifikant haben. Uns wird jetzt unterstellt, dass wir das gesagt hätten. Das ist absurd. Der Text versteht sich als Teaser für die Visualisierungen. Und ja, die Aussagen sind verkürzt, weil es Aufgabe des Journalismus ist, Sachverhalte zu verkürzen.

          Die Diskussion dreht sich jetzt darum, ob in einem journalistischen Text Aussagen getroffen werden sollten, die nicht mittels quantitativer Methoden „bewiesen“ werden können. Das ist ein sehr naive und technische Vorstellung, wie Wahrheit ergründet wird. Es spricht Wissenschaftsdisziplinen, die qualitativ forschen, komplett die Existenz ab. Das ist eine größere Diskussion und ich glaube, dass hier nicht der richtige Ort ist, um das zu diskutieren.

          Und noch mal der Hinweis, dass die Fokussierung auf Signifikanz durch Widerlegen der Null-Hypothese umstrittener ist, als einige in diesem Thread glauben: https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsbl.2019.0174

  3. „Todesschüsse“, „erschossen“, die Wortwahl ist interessant und schließt auf eine sehr undifferenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema. Oder will hier einwenig die politische oder antipolizeiliche Gesinnung durchdringen?

    Bitte befassen Sie sich zuerst mit den jeweiligen Gesetzen der Länder. Für Bayern das PAG, welches den SWG regelt. Bsphf. Art 83 II PAG, dürfen Schusswaffen grds. nur gebraucht werden um einen Menschen angriffs- oder fluchtunfähig zu machen.

    Satz 2 besagt: „Ein Schuß, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person ist.“

    Das würde in einer Terror- oder akuten Geisellage zutreffen bei dem der Täter Handlungsunfähig gemacht wird, schlichtweg getötet wird. Das stellt jedoch nur die äußerste Ausnahme dar. Wieviele Lagen sind Ihnen da in der Vergangenheit bekannt, vgl. Paris 2015?

    Was ich damit sagen möchte ist, dass durch die Wortwahl der Eindruck entsteht, dass die Polizei Bürger, hier hervorgehoben psychisch auffällige, einfach niederschießt, mit der Intention den Bürger zu töten. Nein das ist nicht der Fall, die Polizei schießt, im Großteil der Fälle , mit der Intention den Täter oder Störer angriffsunfähig zu machen. Der daraus resultierende Tod ist eine kausale Folge der Verletzungen und hier kommen wir in eine Bredouille. Die gängie Praxis wird sein und so ist das ja auch von der Bevölkerung gefordert, in die Beine zu schießen. Mit dem großen Risiko, was viele außer Acht lassen, eine wichtige Beinarterie im Oberschenkel zu treffen, die sich so nicht so einfach zudrücken abklemmen lässt.

    Mir ist bewusst, dass man als Journalist schwer jedes geschrieben Wort zehmal umdreht, sonst werden Sie mit dem Schreiben ja nie fertig. Jedoch implizieren eben gerade solche Begrifflichkeiten, vorallem gegenüber dem Normalbürger der vllt. noch eine kritische Grundeinstellung gegenüber der Polizeit hat, dass die Polizei ein schießwütiger Haufen ist. Das ist sie Gewiss nicht, vergleichen Sie die Statistik und Zahlen mit anderen Ländern.

    Warum es in Island zu wenigen bis keinen Schusswaffengebräuche kommt!? Weil sich über 90 % der Bevölkerung in der Mittelschicht sehen. Und da muss man ansetzen! Das ist eine sozialpolitische Frage!

  4. „Auffällig viele Menschen werden von der Polizei in ihrer eigenen Wohnung getötet“

    Weiter musste ich gar nicht lesen. Was ist denn der Erwartungswert und wie wurde der hergeleitet?

    1. „Weiter musste ich gar nicht lesen.“

      Weiter musste ich gar nicht lesen, stattdessen will ich gucken. Ist das überhaupt eine statistische Aussage, also Fachsprache, oder etwas, was eben auffällt?

      Ich stelle zwei Dinge fest:
      – Natürlich ist die Frage, was eigentlich zu erwarten ist, wo Einsätze stattfinden, usw., sehr wichtig.
      – Ich finde in den Daten keinen einfachen Weg nach „eigener Wohnung“ zu suchen. Die Suche nach „Wohnung“ ergibt ca. 68 von 457 Treffer, die aber mitnichten immer die Wohnung der Erschossenen betreffen.

      Beim zweiten Hingucken finde ich auf der Seite mit den Daten:
      „So ist etwa von Bedeutung, ob die Getöteten selbst bewaffnet waren, sich womöglich in einer psychischen Ausnahmesituation befanden oder, wie es häufig geschieht, in ihrer eigenen Wohnung erschossen wurden.“

      Hier heißt es also „häufig“.

      Zweiter Versuch, Suche mittels Kategorien: 46 von 457 bei „Innenraum + häusliche Gewalt“

      10% sind vielleicht schon rechtmäßig häufig, wenn ich auch nicht sehe, auf welcher Basis das nun „besonders häufig“ sein sollte.

      1. Todesschüsse auf Menschen in ihrer eigenen Wohnung stehen schon länger in der Kritik, weil sie im Gegensatz zu manch anderen Situationen vermeidbar wären. Gemeint sind Fälle, in denen sich keine weitere Person in der Wohnung befinden und es Hinweise gibt, dass die Person psychisch auffällig ist. Dann wäre es etwa möglich, anstatt brachial in die Wohnung einzudringen (oder sich bedrohlich davor aufzubauen), geschultes psychologisches Personal heranzuziehen. Oder die Polizei grundsätzlich in der Handhabung von Situationen zu schulen, in denen gestresste Menschen plötzlich zum Küchenmesser greifen. Deshalb sind aus meiner Sicht schon wenige Todesschüsse in dieser Kategorie zu viel. Etwas pathetisch kann ich auch sagen dass wenn nur ein solcher Fall durch unsere Statistik verhindert würde (indem sich die Polizeiforschung der Daten widmet), sich diese gelohnt hätte. Von daher kann ich einige der Korinthen die hier ausgeschieden werden nicht nachvollziehen.

        1. Den Heimatschutzreflex gibt es eben noch in der Höhlenform, wohl zu unterscheiden von der ortsunabhängigeren Innenministerform.

        2. Das impliziert, dass Menschen in ihrer Wohnung immer alleine sind und das auch sicher bekannt ist. Dem ist natuerlich nicht so.

          Wenn das Eure Herangehensweise an Interpretation ist, kann Euch niemand ernst nehmen.

          1. Schau dir mal einzelne Fälle an; die Leute SIND oft allein, die Polizei verfügt auch über Routinen dies zu überprüfen. Wenn du wirklich meinst die Todesschüsse auf diese Menschen seien in jedem Fall Ordnung gewesen und derartige Polizeieinsätze nicht verbesserungsfähig, befindest du dich in einer abseitigen Position. Selbst in der Polizeiausbildung ist das ein Thema. Dass du das nicht ernst nimmst, geschenkt. Ein drängendes Problem bleibt es aber.

          2. Die Frage habe ich mir auch gestellt, dennoch sehe ich hier Datenauswertung und Modellierung bzgl. Risikoabwägung als zwingend an.

            Warum? Ist das Maß aller Dinge, dass in der Wohnung, obwohl es keine Hinweise darauf gibt:
            – noch jemand sein könnte? (Und was dann? Unter welchen Umständen sind die mit klassischem Einsatz weniger gefährdet als mit noch zu erforschender neuartiger Einsatzform?)
            – ein geöffneter Computer mit der Position einer erstickenden Geisel auf dem Bildschirm?
            – eine Bombenapparatur aufgebaut ist, die nur durch lautes Brüllen und Türeintreten am Explodieren gehindert werden kann? (Hier wäre es ja vielleicht klüger, die Nachbarn erst zu evakuieren.)

            Keine typiusche Hauptvariante ist klar, weswegen das durchaus in die Forschung gehört, wenn wir uns zivilisiert nennen wollen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.