InformationskontrolleRussland verschärft Internet- und Pressezensur

Russland schottet sich immer mehr gegen unerwünschte Informationen ab. Manche internationale Medien und soziale Netzwerke sind aus dem Land nicht mehr ohne Weiteres erreichbar. Ein neues Gesetz soll zudem vermeintliche „Falschinformationen“ über den Krieg drastisch bestrafen.

Scrabble mit Schrift "I am the truth"
Im Krieg will jede Partei ihre Wahrheiten besonders durchsetzen. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Brett Jordan

Die russische Regierung verschärft die Informationskontrolle im Land auf vielen Ebenen. Schon seit dem Beginn des Krieges hatte Russland Facebook und Twitter gedrosselt, so dass die Verbreitung von Bildern und Videos eingeschränkt ist. Seit heute sind zudem die Webseiten von BBC, Meduza und Deutscher Welle nur eingeschränkt bis gar nicht mehr erreichbar, wie auch Netblocks.org beobachtet. Genauso sei Facebook in Russland weitgehend nicht erreichbar.

Im Fokus der Zensur ist auch die russische Wikipedia. Hier hatten Regierungstellen die Enzyklopädie aufgefordert, den Artikel „Russische Invasion in der Ukraine 2022“ zu ändern. Dieser Aufforderung kam die Wikimedia Foundation nicht nach. Auch der Online-Enzyklopädie droht nun die Sperrung.

Das russische Parlament hat zudem heute ein Gesetz verabschiedet, das Geldstrafen und bis zu 15 Jahre Haft vorsieht für die Verbreitung von „Falschnachrichten“ über das russische Militär. Laut der Tagesschau versteht der Gesetzestext darunter das Verbreiten vermeintlicher Falschinformationen über russische Soldaten, das Diskreditieren russischer Streitkräfte und auch Aufrufe zu Sanktionen gegen Russland.

Das Gesetz dürfte nicht nur Medien bedrohen, sondern auch die Menschen, die seit Kriegsbeginn immer wieder in verschiedenen Städten Russlands gegen den Krieg mobilisieren und demonstrieren. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation OVD-Info sind seit Beginn des Krieges mehr als 8.170 Personen auf Antikriegsdemonstrationen in Russland festgenommen worden.

Was das Gesetz bedeuten wird, zeigt der Umgang mit Medien in Russland seit Kriegsbeginn. So darf der Krieg in den Medien weder „Angriff“ noch „Krieg“ genannt werden, sondern nur „Militärische Sonderoperation“. Zuletzt hatte Russland die Verbreitung des unabhängigen Radiosenders „Echo Moskwy“ und des Fernsehsenders „Doschd“ verboten. Auch für die Zeitung Nowaja Gaseta, deren Chefredakteur zuletzt den Friedensnobelpreis bekommen hatte, könnte es laut einem Bericht des Tagesspiegels eng werden.

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Maßnahmen gegen Zensur 

In Russland wurde das Tor-Netzwerk, mit dem man sich anonym im Internet bewegen und Zensur umgehen kann, schon vor dem Krieg von täglich etwa 300.000 Menschen genutzt. Russland hatte zuletzt die Tor-Webseite gesperrt und versucht auch den Zugang zum Netzwerk zu blockieren.

Aktivist:innen bauen derzeit mehr Infrastruktur für das Tor-Netzwerk auf, darunter auch viele so genannte Bridges, die eine Blockade des Dienstes verhindern sollen. Normale Nutzer:innen ohne große IT-Kenntnisse können mit dem Plugin „Snowflake“ in den Browsern Firefox und Chrome mithelfen, das Tor-Netzwerk zu stärken und so Menschen in Ländern mit Zensur den ungefilterten Zugang zu Information ermöglichen.

Die BBC bietet unterdessen ihre Inhalte auch im so genannten Dark Web auf russisch und ukrainisch an. Diese Seiten können nur mit dem Tor-Browser erreicht werden. Ebenso wurden Kurzwellen-Frequenzen der BBC reaktiviert, die man auch in Teilen Russlands empfangen kann.

Eher symbolischen Charakter hatten kollektive Aktionen wie der Versuch, Antikriegs-Botschaften in Google- und TripAdvisor-Rezensionen zu platzieren. Solche Rezensionen werden von den beiden Plattformen jedoch als nicht-echte Rezensionen gelöscht.

Informationskontrolle auch im Westen

Auch Länder des Westens und der EU üben eine zunehmend schärfere Informationskontrolle aus. So wurden die russischen Propaganda-Sender RT und Sputnik europaweit verboten. Die EU-Kommission versteht den Schritt nicht als Zensur, sondern als Sanktion. Das RND zitiert einen EU-Beamten damit, dass es sich nicht um journalistische Medien handele, sondern um Waffen des Kremls in seiner Aggression gegen die Ukraine.

An diesem Vorgehen gibt es deutliche Kritik. „Der Einfluss dieser Medien auf die Meinungsbildung in Europa ist begrenzt, die zu erwartenden russischen Gegenmaßnahmen allerdings könnten eine unabhängige Berichterstattung aus Russland erschweren oder sogar unmöglich machen“, so der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr.

Neben dieser Form von staatlicher Informationskontrolle reagieren auch Plattformen und Unternehmen auf den Krieg. Sie sperren russische Staatsmedien und stellen bestimmte Dienste ein. Die SZ spricht von einem „riskanten Zensur-Ping-Pong“, in dem die ukrainische Regierung sogar den Ausschluss Russlands aus dem Internet forderte.

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19 Ergänzungen

      1. Ich verdrehe keine Tatsachen. Ich schieße (vielleicht etwas polemisch, das gebe ich zu) gegen den offensichtlichen Trend zur Zensur in der EU und ihren Mitgliedsstaaten, der durch die neuesten Beschlüsse zur Untersagung bestimmter russischer Medien auch in diesem Konflikt erfolgte. Die Zeitnähe dieser Meldungen veranlasste mich schließlich zu diesem Seitenhieb.

        Die Links zur Problematik mit Uploadfiltern und Netzsperren aber auch zu Gesetzen/Gesetzesvorhaben wie denen in Frankreich, mit der die Verbreitung von Aufnahmen von Polizeigewalt erschwert werden sollten oder die Zensur von Werken der LGBTQ-Community in Orbans Ungarn und ähnliche Bestrebungen der Rechtskonservativen in Polen, werden hier ganz sicher gut bekannt sein.

        Der Trend zur Postdemokratie und Zensur ist, meiner bescheidenen Meinung nach, allerdings nicht auf einzelne Länder beschränkt und gerade auch die EU-Gesetzgebung und bestimmte Mitgliedstaaten sind hier keineswegs „sauber“ sauber, um ihnen deutliche Vorwürfe zu ersparen.

        Das soll, um das aber ganz deutlich zu sagen, nicht Putins autokratisches, autoritäres Vorgehen entlasten oder verharmlosen! Weder vor- noch nach dem Überfall auf die Ukraine und weder allgemein auf die aggressive Außenpolitik bezogen noch auf die immer autoritärer werdende Innenpolitik durch Putins und Medwedews Regierungen seit den 2000er-Jahren.

        Und es ist sehr gut und wichtig, dass Seiten wie Netzpolitik darüber in aller Deutlichkeit aufklären, und sei es nur in der vagen Hoffnung, dass diese autoritäre Politik dort, Wähler*innen und Politiker*innen abschreckt, hier ähnliche Mittel gutzuheißen.

        1. Postdemokratie, kleiner gehts nicht, ne?
          Dann überrascht mich auch nicht mehr, dass die Unterscheidung zwischen umfangreich diskutierten Uploadfiltern und dem was in Russland gerade abgeht nicht ganz einfach fällt.

          1. Wie Peter Thiel als Postdemokrat und politischer Akteur so ehrlich sagt: seine Freiheit und Demokratie sind nicht mehr vereinbar.

          2. Nö, kleiner geht es tatsächlich nicht. Das hier ist allerdings der falsche Ort, um darüber zu diskutieren. Deshalb empfehle ich Dir zur Einführung einfach die Werke von Colin Crouch zu lesen. Die BPB hat auch eine gut erklärende Übersicht zu dem Thema – sehr empfehlenswert!

            Übrigens unterscheide ich durchaus, z.B. in der Intensität. Vielleicht einfach mal genauer Lesen und komplizierte Fremdworte wie „Trends“ nachschlagen. Und auch weniger Cherry-Picking bei den Argumenten betreiben. Aber gut, vielleicht erkennst du ja in Orbans und Macrons Gesetzen wirklich keinerlei Probleme, was wiederum meine These zur Postdemokratie bekräftigen würde.

          3. Probleme sehe ich schon, aber ich hab halt meine Prioritäten im Griff und wie gesagt viel diskutierte Gesetze im Bereich Uploadfilter, bei denen außerdem oft auch auf Bedenken eingegangen wird oder die dann wieder gekippt werden (wie z.B. auch das Gesetz in Frankreich von dem du gesprochen hast) sind halt einfach nicht oben auf der Liste.
            Ich versteh immer nicht wieso ausgerechnet das jetzt der Grund dafür sein soll, dass die Demokratie untergeht.

  1. Die Internetzensur findet mittlerweile auch in Deutschland statt. Oder warum kann RT von Deutschland aus nicht mehr erreicht werden?

    1. Das steht ja auch im Artikel. Seit heute nachmittag ist RT.com nicht mehr aus dem D1 zu erreichen. Einen Hinweis warum, gab es bislang nicht, wenn man versucht die Seite aufzurufen.

  2. https://www.rt.com/russia/551256-how-access-rt-censorship-bypass/

    „If you can’t get news from RT due to government restrictions, here are some alternative ways to access our content

    Serious attempts have been made in Western nations to silence RT, following Russia’s military offensive in Ukraine. The EU Commission has given regulators in the bloc’s nations powers to ban the media outlet. If you’ve faced difficulties accessing RT’s content due to those restrictions, here are some steps you can take to bypass them.
    […]
    On your PC, you can use the Tor browser, which can be downloaded here. RT’s website address in Tor remains the same: http://www.rt.com. If Tor doesn’t work for you, or is unavailable via regular means, you can resolve this issue by sending an empty email to gettor@torproject.com and you will be sent the necessary link.“

  3. Die Seite de.indymedia.org ist aktuell auch nicht mehr erreichbar. Hat jemand Informationen dazu?

  4. Eine bekannte aus Russland hat mir heute (08.03.2022) einen Screenshot weitergeleitet und da sieht man, dass die BBC website zugänglich ist. Überall steht aber, dass die Seite gesperrt oder limitiert zugänglich ist. Was stimmt denn nun?

    1. Wir beziehen uns hier auf die Daten von Netblocks, die sehr zuverlässig seit Jahren arbeiten. Es kann immer sein, dass einzelne Provider die Sperre noch nicht umgesetzt haben oder dass die Bekannte einen VPN oder Tor nutzt.

      1. Danke fuer die schnelle Antwort. VPN oder Tor sind dabei wohl nicht benutzt worden, das hatte ich nachgefragt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.