Vorbild Russland Zentralasiens Machthaber verstärken Druck auf Soziale Medien

Zentralasiens Machthaber sehen sich zunehmend von Sozialen Medien aus dem westlichen Ausland bedroht. Jetzt greifen sie zu härteren Maßnahmen, um gegen die Dienste vorzugehen. Die Spielregeln dafür kommen aus Moskau.

Bildschirm von Smartphone mit geöffneter Telegram App.
Die usbekische Medienaufsichtsbehörde sperrt vergangen Mittwoch kurzeitig Telegram. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Christian Wiediger

Schon länger testen die zentralasiatischen Regierungsführer, wie weit sie die Kommunikationsfreiheit im Internet einschränken können. Zum einen geht es ihnen darum, die Regierungsmacht durch stärkere staatliche Kontrolle im Netz auszubauen. Zum anderen wollen die zentralasiatischen Staaten auch den westlichen Einfluss durch Social-Media-Giganten wie Facebook und Co. zurückdrängen. Wie das geht, macht der Nachbar Russland vor.

Erst am Mittwoch letzter Woche hat die usbekische Regierung Facebook, YouTube und Instagram zwischenzeitlich gesperrt. Auch der Messenger-Dienst Telegram war nicht mehr erreichbar. Angeblich hatten die Dienste gegen ein Gesetz verstoßen, das die Speicherung personenbezogener Daten im Inland vorsieht.

Bauernopfer nach Aufschrei

Das sorgte in der Bevölkerung für einen Aufschrei. Vor allem Telegram zählt zu den wichtigsten und beliebtesten Kommunikationsmitteln des Landes. Den Messenger nutzen laut Angaben der Anwältin für Medienrecht, Madina Tursonova, mit 18 Million mehr als die Hälfte der 34 Millionen Einwohner:innen, auch viele Geschäfte setzen den Dienst ein. Der Empörung der Nutzer:innen musste sich die Regierung von Präsident Shavkat Mirziyoyev schließlich geschlagen geben. Ausgerechnet auf Telegram verkündete sein Sprecher noch am selben Tag, die Maßnahmen der Medienaufsichtsbehöre seien „schlecht durchdacht gewesen“. Der Zugang zu allen Online-Diensten solle „bald“ wieder freigeschaltet werden, hieß es weiter. Am Mittwochabend konnten die Usbek:innen dann erneut auf viele der Dienste zugreifen. Der Direktor der staatlichen Aufsichtsbehörde für Telekommunikation und Information in Usbekistan (Uzkomnazorat), Golubsher Ziyayev, wurde indes wegen „fehlerhafter und unkoordinierter Handlungen“ entlassen.

Das neue Datenschutzgesetz, das im April diesen Jahres in Kraft trat, schreibt Unternehmen vor, die Daten von Nutzer:innen auf Servern in Usbekistan zu speichern. Außerdem müssen die Server bei der staatlichen Aufsichtsbehörde Uzkomnazorat registriert werden. Wer gegen das Gesetz verstößt, muss mit einer Geldstrafe von umgerechnet bis zu 2,115 Dollar oder einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Das Gesetz befugt die staatliche Medienaufsichtsbehörde außerdem Seiten zu sperren. Schon im Juli hatte die Behörde von diesem Recht Gebrauch gemacht. Damals blockierte sie den Zugang zu verschiedenen Sozialen Medien, darunter auch Twitter, TikTok, Skype und dem russischen Dienst VKontakte. Bis heute sind die Dienste in Usbekistan nicht erreichbar.

Die Nichtregierungsorganisation Freedom House stuft Usbekistan in ihrem jährlichen Bericht zur Freiheit im Netz als „nicht frei“ ein. Die autoritäre Regierung geht immer wieder auch gegen Oppositionelle, Andersdenkende und Journalist:innen vor. Erst im Mai wurde etwa der regierungskritische Blogger Otabek Sattoriy zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er den Leiter eines örtlichen Basars erpresst haben soll.

Russland schreibt die Spielregeln

Russland hat vorgemacht, wie es geht: Seit Jahren verhängt der Kreml Sanktionen gegen Soziale Netzwerke. Auch das neue Datenschutzgesetz hat die usbekische Regierung nach russischem Vorbild übernommen: Dort regelt ein 2015 verabschiedetes Gesetz, dass Unternehmen die Daten von russischen Bürger:innen im Staatsgebiet gespeichern müssen. Bei Verstoß drohen Geldstrafen, zu denen schon etwa Google und Facebook verdonnert wurden.

„Die Spielregeln werden weitgehend von Moskau festgelegt“, erklärt Arkadi Dubnow, ein politischer Analyst und Experte für Zentralasien in einem Bericht der Washington Post. Auch die politischen Ziele seien dieselben: Es solle verhindert werden, dass die bestehenden Machthierarchien ins Wanken geraten. Wenn junge Leute populäre soziale Messenger und soziale Netzwerke nutzen, dann sehe die russische Führung das als potenzielle Gefahr, so Dubnow.

Seit März diesen Jahres drosselt die russische Aufsichtsbehörde auch den Zugang zu Twitter. Der Grund: Die Plattform hatte es angeblich versäumt, gesetzlich verbotene Inhalte von der Plattform zu entfernen. Beliebte Dienste wie etwa YouTube ganz zu blockieren, das hat sich Moskau bisher aber noch nicht getraut. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass der Versuch Telegram zu sperren, in einer bitteren Blamage für die russische Medienaufischt Roskomnadsor endete. Die 2018 angeordnete Blockade scheiterte: Telegram blieb für seine Nutzer:innen weiterhin erreichbar. Selbst staatliche Mitarbeiter:innen teilten Anweisungen, wie sie den Messenger weiterhin nutzen könnten. Nach längeren Blockadeversuchen gab die Behörde schließlich auf.

Import von russischen Zensurgesetzen

Deutlich härter greift Russland durch, wenn es um das Verbot von Medienangeboten von Regierungskritiker:innen geht. Kurz vor den Parlamentswahlen im September entfernten Google und Apple die oppositionelle Wahl-App des inzwischen inhaftierten Alexej Nawalny aus ihrem Online-Angebot. Die App sollte russischen Wähler:innen helfen, ihre Stimme so abzugeben, dass ein erneuter Sieg Putins verhindert würde. Die russische Medienaufsichtbehörde sah darin einen Versuch der US-Dienste, sich in die politischen Angelegenheiten des Landes einzumischen – und forderte die Entfernung der App. Durchsetzen konnte die Roskomnadsor das nur, weil sie drohte, lokale Angestelle zu verfolgen.

Kasachstan könnte diese Methode bald auch übernehmen. Im September legte die kasachische Regierungspartei einen Gesetzesentwurf vor, der ausländische Tech-Unternehmen dazu verpflichtet, Büros im Land einzurichten. Kommen sie dem nicht nach, droht eine Sperrung ihres Dienstes. Obwohl die Regierung unter Präsident Qassym-Schomart Toqajew den Entwurf als Maßnahme des Jugendschutzes im Kampf gegen Cybermobbing darstellt, sehen Netzaktivst:innen darin eine Gefahr für die Meinungsfreiheit.

„Leider befinden wir uns zwischen zwei großen Brüdern“, sagte Ruslan Dairbekov, Direktor des Digital Rights Center in Almaty, Kasachstan. „Der eine Bruder, China, exportiert Technologien wie digitale Überwachungsinstrumente. Und vom anderen Bruder, Russland, das ein großer, wichtiger Akteur in unserer Region ist, werden rechtliche Ansätze exportiert“, sagte Dairbekov gegenüber der Washington Post. Das sei wie ein Vorzeigemodell. Widerstand gibt es aus der Zivilgesellschaft: Mehr als 10.000 Menschen haben bereits eine Petition gegen das geplante Gesetz unterzeichnet. Die Kommunikationsfreiheit im Netz ist auch in Kasachstan bedroht. Freedom House stuft als das Land in seinem Bericht zur Freiheit im Internet als „nicht frei“ ein.

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