Bundeshaushalt 2022Mehr Geld für den Sicherheitsapparat, aber nicht für Open Source

In der Digitalpolitik will die Ampel-Koalition vieles anders machen, doch der Haushaltsentwurf liest sich fast so wie aus schwarz-roter Hand. Zwar gibt es mehr Geld für den Infrastrukturausbau, doch von der versprochenen Open-Source-Förderung sieht man nicht viel.

Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Generaldebatte zum Haushaltsentwurf für 2022 im Bundestag – Alle Rechte vorbehalten Screenshot: Bundestag

Es ist Haushaltswoche im Deutschen Bundestag, das Parlament berät zum ersten Mal über einen Haushaltsentwurf [PDF] von SPD, Grünen und FDP. Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges, die Aufrüstung der Bundeswehr, Inflation und Schuldenbremse prägen die Diskussionen, angesichts der anhaltenden Krisensituation steht die Digitalisierung nicht im Fokus. Umso wichtiger scheint Regierungvertreter:innen die Betonung, dass das Thema dennoch einer der Schwerpunkte in der Finanzplanung für 2022 und die Folgejahre ist. Schließlich soll der digitale Wandel eines der Kernprojekte der Ampel-Koalition sein, die es besser machen will als ihre schwarz-rote Vorgängerin.

An vielen Stellen spricht der Haushaltsentwurf allerdings für Kontinuität. Dass etwa das neue Digitalbudget, mit dem die Ampel wichtige Vorhaben zentral fördern steuern will, noch nicht in diesem Jahr umgesetzt wird, zeichnete sich laut Tagesspiegel Background bereits ab. Die Bundesregierung wolle erst ihre Digitalstrategie verabschieden, bevor sie das Budget dafür festlege, sagte Infrastruktur-Staatssekretär Stefan Schnorr dem Branchendienst im Februar [€]. Das könnte angekündigte Digitalprojekte zunächst ausbremsen.

Deshalb soll etwa der Ausbau der digitalen Infrastruktur vorerst mit bestehenden Programmen fortgeführt werden, wenn auch teilweise mit größerem Budget. So fließen mehr als 2,6 Milliarden Euro als Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt in das „Sondervermögen Digitale Infrastruktur“, mit dem der Ausbau von Gigabit- und Mobilfunknetzen unterstützt werden soll. Weiter gefördert werden unter anderem die 5G-Strategie (103 Millionen Euro statt 16 Millionen Euro im Vorjahr) oder die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft. Diese muss mit nur der Hälfte ihres Vorjahresbudgets auskommen, nun 20 Millionen Euro, wobei sie einige ihrer bisherigen Aufgaben abtritt.

Auch den Digitalpakt Schule führt die neue Regierung fort, mit gut zwei Milliarden Euro stehen deutlich mehr Mittel für die Modernisierung der digitalen Infrastruktur von Schulen zur Verfügung als mit den gut 800 Millionen Euro im Vorjahr. Auffällig ist, dass das für den Infrastrukturausbau zuständige Digital- und Verkehrsministerium auf dem Papier mit rund 456 Millionen Euro deutlich weniger Mittel als im Vorjahr für diesen Posten erhält. Den Wegfall sollen allerdings die Ausgabereste aus den Vorjahren in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro ausgleichen.

„Digitapolitische Vorhaben der Ampel drohen als Bettvorleger zu enden“

Neben dem Infrastrukturausbau stellt die Digitalisierung der Verwaltung mit etwa zwei Milliarden Euro einen der größten Digitalposten dar. Allein für die seit Jahren andauernde Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes sind zudem 1,9 Milliarden eingeplant.

So ist es nicht verwunderlich, dass Digitalisierung sowie IT- und Cybersicherheit nach Eigenaussage auch im Haushaltsplan des Innenministeriums einen Schwerpunkt darstellen. Unter anderem mit einem neuen Posten in Höhe von 60 Millionen Euro für den Aufbau eines „Europäischen Identitätsökosystems“. Zusammen mit 64 Millionen Euro des Wirtschaftsministerium für einen Posten „Souveräne Datenwirtschaft – Identitäten, Kommunikation, Ökosysteme“ macht dies gut 120 Millionen Euro für digitales Identitätsmanagement, was bei zivilgesellschaftlichen Kritiker:innen wie der Hackerin Lilith Wittmann oder der Entwicklerin Bianca Kastl Sorge vor neuen Millionengräbern für IT-Projekte mit Blockchain-Bingo auslöst.

Passend dazu hat sich das Innenministerium auch eine Stärkung der „digitalen Souveränität der Verwaltung“ vorgenommen. Anders als angekündigt zählt dazu im laufenden Jahr aber erstmal offenbar kein Fokus auf Open-Source-Technologien. Zur großen Enttäuschung der digitalen Zivilgesellschaft finden sich im Haushalt weder Mittel für das geplante Zentrum für digitale Souveränität, noch für einen Sovereign Tech Fund, wie ihn die grüne Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner versprochen hatte.

„Die Bundesregierung ist mit ihren digitalpolitischen Vorhaben als Tiger gesprungen, doch droht als Bettvorleger zu landen“, warnt deshalb der ehemalige EU-Abgeordnete Felix Reda, der zusammen mit anderen Aktiven der Open Knowledge Foundation eine Machbarkeitsstudie für einen Open-Source-Fonds geschrieben hatte. Trotz vieler guter Ideen habe das Thema in der Regierung offenbar immer noch keine Priorität, so Reda.

Kein Haushalt ohne Mittelzuwachs für Sicherheitsbehörden

Mehr Geld gibt es im Innenressort stattdessen wieder einmal für Sicherheitsbehörden und Geheimdienste. Das Bundeskriminalamt kann etwa ein Plus von 117 Millionen Euro auf fast 909 Millionen verbuchen. Eine Verdreifachung des jährlichen Budgets gegenüber dem Jahr 2000. Im Vergleich dazu sieht der Aufwuchs beim Bundesamt für Verfassungsschutz mit elf Millionen Euro auf nun insgesamt 488 Millionen Euro geradezu bescheiden aus. Satte 50 Prozent mehr gibt es für die Hackerbehörde ZITiS, die statt über 65 Millionen Euro in diesem Jahr über 97 Millionen Euro verfügen kann.

Insgesamt scheint die 180-Grad-Wende der Ampel in der Außen- und Verteidigungspolitik die finanziellen Prioritäten der jungen Koalition stark verschoben zu haben. Neben dem 100 Milliarden schweren Sondervermögen für die Aufrüstung der Bundeswehr ist für Digitalprojekte wie den Sovereign Tech Fund offenbar wenig Platz. Es liegt nun beim Parlament, doch noch die Mittel für die vielen Ankündigungen aus dem Koalitonsvertrag bereitzustellen. Nach der ersten Lesung in dieser Woche beraten die Ausschüsse des Bundestages. Mit einem Beschluss des Haushalts wird im Sommer gerechnet.

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