Rechte DesinformationÖsterreichs Klimaministerium stellt Klimaleugner frei

Dass ein Ex-FPÖ-Mitarbeiter als Pressereferent im österreichischen Klimaschutzministerium arbeitet, aber zugleich rechte Desinformationsportale betreibt, sorgt für Empörung. Die Oppositionspartei NEOS reagiert auf die netzpolitik.org-Recherche und fordert Antworten von der Regierung. Diese hat den Mann nun freigestellt.

Hinter der Londoner Politberatungsfirma verstecken sich zwei Österreicher
Hinter der Londoner Politberatungsfirma verstecken sich zwei Österreicher – Alle Rechte vorbehalten netzpolitik.org

Es geht um ein Netzwerk an rechten Websites, die Propaganda und Falschinformation über Migration, die Coronapandemie und den Klimawandel verbreiten. Inhaber dieser Seiten ist ausgerechnet die Firma eines Pressereferenten im österreichischen Klimaschutzministerium, wie eine Recherche von netzpolitik.org zutage förderte. Der Fall sorgt in Österreich für Aufsehen, die liberale Partei NEOS fordert von der grünen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler Aufklärung. Jetzt hat das Ministerium den Mann freigestellt.

„Vertrauen Sie Profis!“ – unsere Recherche zu NNC - Alle Rechte vorbehalten netzpolitik.org

Eric Weinhandl arbeitet als Pressereferent im österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK). Nebenbei ist er gemeinsam mit einem zweiten Österreicher Inhaber der Firma New Network Communications (NNC), die in Großbritannien registriert ist. Die PR-Agentur betreibt eine ganze Reihe an Websites mit dubiosen Inhalten, darunter „Unser Mitteleuropa“, das über angeblich massenhafte Tode durch Impfstoffe und den „altbekannten Klima-Schwindel“ berichtet.

Daneben zeigt das Portal Werbung für die Rechtspartei FPÖ. Vor seiner Zeit im Ministerium arbeitete Weinhandl im EU-Parlament und im österreichischen Nationalrat für FPÖ-Abgeordnete – nun scheint es, als engagiere er sich weiter im Sinne der Partei.

Das Klimaschutzministerium betonte an diesem Montag auf Anfrage von netzpolitik.org, es nehme den Fall sehr ernst und habe darauf umgehend reagiert. Eric Weinhandl sei bis auf Weiteres vom Dienst freigestellt, seine Nebenbeschäftigungen seien mit sofortiger Wirkung untersagt worden. Eine detaillierte Überprüfung des Sachverhaltes laufe.

NEOS fordern Antworten vom Ministerium

Bei einer internen Überprüfung wird es wohl nicht bleiben – denn ob die Nebenbeschäftigung Weinhandls mit seiner Arbeit im Ministerium vereinbar ist, wollen nun auch die NEOS wissen. Deren Abgeordnete Henrike Brandstötter forderte gegenüber netzpolitik.org Aufklärung: „Es ist mehr als irritierend, dass mitten in der Coronapandemie und mitten in der Klimakrise im Ministerium Menschen in Schlüsselpositionen sitzen, die offenbar sowohl die Gefährlichkeit des Coronavirus als auch den Klimawandel leugnen und Fake News verbreiten – und dann ausgerechnet für die Kommunikation des Ministeriums verantwortlich sind.“ 

Auch bei einer anonymen Kampagnenseite, die eine Richterin am Landesverfassungsgericht angreift, spielt NNC eine undurchsichtige Rolle.
Die AfD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern engagierte die Firma hinter dem Desinformationsportal - Alle Rechte vorbehalten netzpolitik.org

Dass die FPÖ mit Verschwörungserzählungen und Desinformation keine Probleme habe, sei nicht überraschend und zeige sich gerade jetzt in der Pandemie leider Tag für Tag, sagt der NEOS-Umweltpolitiker Michael Bernhard. „Aber sollte die grüne Klimaschutzministerin Gewessler von der problematischen Nebenbeschäftigung ihres Mitarbeiters – die allen Bestrebungen und Aufgaben des Ministeriums entgegenläuft und diese konterkariert – gewusst und nichts dagegen unternommen haben, wäre das doch eher erschreckend und bemerkenswert.“

Die NEOS-Abgeordneten stellten zu dem Fall eine detaillierte schriftliche Anfrage an das Ministerium, die netzpolitik.org vorliegt [PDF]. Darin geht es auch um die Website „Klimaschwindel.net“, die ebenfalls von Weinhandls NNC betrieben wird. In der Anfrage werden mögliche dienstrechtliche Konsequenzen für Weinhandl zum Thema gemacht, die Abgeordneten wollen aber auch wissen, was das Ministerium generell gegen die Verbreitung solcher Desinformation unternehmen möchte.

Gegenüber netzpolitik.org hatte Weinhandl sich nicht äußern wollen. Am Telefon legte er auf, als wir ihm Fragen stellten, auf einen schriftlichen Fragenkatalog antwortete er nicht. NNC hat indes seine angebliche Wiener Niederlassung von der Firmenwebsite gelöscht. Diese Adresse hatten wir zuvor Weinhandl zugeordnet.

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