Open-Data-GesetzKein Anspruch auf Offenheit

Mit dem Zweiten Open-Data-Gesetz versäumt die Große Koalition, einen Rechtsanspruch auf Offene Daten der Bundesverwaltung zu schaffen. Öffentlich finanzierte Daten könnten weiterhin nur spärlich verfügbar bleiben.

Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie und Horst Seehofer, Bundesinnenminister sind verantwortlich für das Zweite Open-Data-Gesetz. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Political-Moments

Ein „Modernisierungsjahrzehnt“ will die Union einläuten. Auf dem Tag der Industrie warb damit kürzlich der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, so steht es im frisch verabschiedeten Wahlprogramm seiner Partei. Auch Hansjörg Durz nutzt dieses Wort. Als Berichterstatter ist der CSU-Bundestagsabgeordnete mitverantwortlich für das Zweite Open-Data-Gesetz, das am heutigen Donnerstag beschlossen werden soll.

Offene Daten des öffentlichen Sektors zählen zu den Eckpunkten der Datenstrategie der Bundesregierung. Die erhofft sich davon innovative Geschäftsmodelle, effektivere Verwaltungsprozesse und eine verbesserte bürgerliche Teilhabe. Mit dem Entwurf zur „Änderung des E-Government-Gesetzes und zur Einführung des Gesetzes für die Nutzung von Daten des öffentlichen Sektors“, wie das Vorhaben in voller Länge heißt, hätte sie beweisen können, wie ernst sie es meint.

Kein Anspruch auf Open Data

Offenkundig nicht ernst genug. Zwar verbessert das Gesetz in manchen Punkten die gegenwärtige Lage, bleibt an einer entscheidenden Stelle jedoch zahnlos: So verpflichtet es Bundesbehörden, unbearbeitete, maschinenlesbare Daten zum Abruf bereitzustellen – schränkt dies aber umgehend ein. „Ein Anspruch auf Bereitstellung dieser Daten wird hierdurch nicht begründet“, heißt es weiterhin im Gesetzentwurf.

Hansjörg Durz sieht hier keinen Widerspruch. „Gegen einen subjektiven Rechtsanspruch spricht das grundlegende Konzept von Open Data“, sagt der CSU-Abgeordnete. Schließlich gehe es darum, dass der Staat von sich aus seine Daten der Gesellschaft und der Wirtschaft zur Verfügung stellt und nicht erst nach einem Antrag.

„Ein Rechtsanspruch klingt hingegen sehr nach altbackenem Verwaltungsdenken“, sagt Durz. Er geht davon aus, dass die Verwaltung tatsächlich automatisch und umfassend Offene Daten über das GovData-Portal bereitstellen wird.

Der Koalitionspartner SPD hatte sich den Rechtsanspruch gewünscht, konnte sich letztlich aber nicht durchsetzen. Einzig eine Evaluierungsklausel hat es ins Gesetz geschafft. Alle zwei Jahre soll die Bundesregierung künftig dem Bundestag über die Fortschritte bei der Bereitstellung von Offenen Daten berichten.

Der SPD-Berichterstatter Falko Mohrs sieht dies als Erfolg. Ohne die Klausel wäre der Rechtsanspruch in der „sicheren Versenkung“ gelandet, sagt Mohrs. Nun werde sich die kommende Regierung der Debatte einer Vertiefung der Datenpolitik und -kultur stellen müssen, so Mohrs.

Großer Nachholbedarf

Damit reicht die Bundesregierung ein immer wieder aufgeschobenes Problem an die nächste Regierung weiter. Gerade beim E-Government besteht hierzulande großer Nachholbedarf, je nach Teilbereich befindet sich Deutschland im europäischen Vergleich zwischen Mittelfeld und abgeschlagen auf den hintersten Plätzen.

Aus der derzeitigen Opposition hagelt es Kritik. „Das Gesetz ist eine Minimallösung ohne jegliche digitalpolitische Vision und Ambition“, sagt etwa Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der grünen Bundestagsfraktion. Die Koalition habe bestenfalls versucht, die „europarechtlich zwingenden Vorgaben gerade eben nicht zu unterschreiten“, so von Notz.

Der FDP-Abgeordnete Manuel Höferlin, Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda, sieht den fehlenden Anspruch als „das große Defizit dieses Gesetzes“. Die Koalition habe nicht einmal den Versuch unternommen, den Grundsatz zur Freigabe von Daten in irgendeiner Form zu verankern. „Sondern im Gegenteil wurden aktiv möglichst viele Ausnahmen aufgenommen. Das führt nicht nur den Sinn und Zweck des Gesetzes ad absurdum, sondern macht es weitgehend wirkungslos“, sagt Höferlin.

Keine Ausweitung auf Versicherungen

Tatsächlich gab es bis zuletzt koalitionsinternen Streit darum, ob auch Selbstverwaltungskörperschaften vom Gesetz erfasst werden sollen, also etwa gesetzliche Versicherungen wie Kranken-, Arbeitslosen- oder Rentenversicherungen. Aufgenommen werden sie vorerst nicht, auch hier beließ es die Koalition beim Kompromiss, die Regelung in zwei Jahren zu überprüfen – diesmal wohl aufgrund von Widerstand aus der SPD.

Dabei kann sich Falko Mohrs durchaus eine Ausweitung vorstellen. Allerdings sei es in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, die unterschiedlichen und von verschiedenen mitberatenden Häusern geäußerten „fachpolitischen Bedenken“ auszuräumen. Es habe etwa Sorge um die Kosten gegeben, so Mohrs: „Dies hätte möglicherweise auch eine Erhöhung der Beitragszahlungen zur Folge gehabt, etwa bei der Rentenversicherung oder den gesetzlichen Krankenkassen“.

Das will Anke Domscheit-Berg, netzpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, nicht gelten lassen. Aus ihrer Sicht wollten das Gesundheitsministerium und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einfach kein Open Data. „Dabei wäre es selbstverständlich nicht um identifizierbare personenbezogene Daten gegangen, sondern um aggregierte, anonyme Datensätze, die sicher interessante Erkenntnisse offenbaren könnten, wenn sie maschinenlesbar und offen zur Verfügung stünden“, sagt Domscheit-Berg.

Auch private Unternehmen erfasst

Neu ins Gesetz hinzugekommen sind private Unternehmen der Daseinsvorsorge wie Energieversorger oder solche, die öffentliche Personenverkehrsdienste betreiben – allerdings ebenfalls mit weitreichenden Ausnahmen. Das gilt auch für Forschungsdaten, die öffentlich finanziert wurden. So wie Bibliotheken, Museen und Archive können Forschungseinrichtungen Gebühren für die Daten verlangen.

Henriette Litta, Geschäftsführerin der Open Knowledge Foundation Deutschland, hatte ihre Kritik an den Vorschlägen bereits im Vorfeld angebracht, unter anderem in einem ausführlichen Gastbeitrag bei netzpolitik.org. Enttäuscht zeigt sie sich über den weiterhin fehlenden Rechtsanspruch. So bleibe das Gesetz ein „schwaches Instrument“, sagt Litta.

Ansonsten sieht sie an einigen Stellen durchaus positive Entwicklungen: So müssen nun auch kleinere Bundesbehörden Open-Data-Koordinator:innen bestellen und nicht nur solche mit mehr als 50 Beschäftigten. Es bleibe aber schwammig, welches Mandat diese Personen haben werden, so Litta.

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4 Ergänzungen

  1. Kein Rechtsanspruch: die Verwaltung kann jederzeit jedes auf OpenData basierende Projekt durch passende Aenderungen oder Auslassung von Daten torpedieren. Zum Beispiel, wenn es da einen kommerziellen Anbieter gibt, der gute Kontakte hat…

  2. So ist das eben in der digitalen überwachungskapitalistischen Postdemokratie. Die Bürger:innen/Menschen/Untertanen werden endgültig und in allen Bereichen ihres Lebens und Wesens gläsern und überwacht und zu einer kybernetisch steuerbaren Verfügungsmasse von Privilegierten, Konzernen, Machthabern transformiert. Aber warum sollte das auch für die Privilegierten gelten? Ich wundere mich über alle, die sich darüber wundern.

  3. Ich weiß nicht wie oft ich den Satz „Die SPD konnte sich aber letztlich nicht durchsetzen.“ in der einen oder anderen Form den letzten Jahren schon gelesen habe.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.