Hurra und herzlichen Glückwunsch! FragDenStaat feiert Geburtstag! Seit zehn Jahren kann man über das von der Open Knowledge Foundation Deutschland betriebene Portal ganz einfach Informationsfreiheitsanfragen an staatliche Stellen schicken. Und die müssen sogar antworten – jedenfalls in der Theorie. Falls nicht, kann man immer noch klagen, wie das Team von FragDenStaat nur all zu gern demonstriert.
Für unsere Recherchen bei netzpolitik.org ist FragDenStaat oft ein unerlässliches Werkzeug, mit dem wir nicht nur das Ziel eines transparenten Staates, sondern auch das Verständnis eines offenen Journalismus teilen. Mit sechs persönlichen Würdigungen aus der Redaktion sagen wir: Danke, weiter so!
„Ich fand das Konzept nicht sehr überzeugend“
Im Mai 2011 rief mich Daniel Dietrich an, Mitgründer und Vorstand der Open Knowledge Foundation Deutschland. Ich solle einen Mail-Server aufsetzen, für ein gemeinnütziges Projekt zu einem ominösen „Informationsfreiheitsgesetz“. Damit könne man Behörden nach Dokumenten fragen. Ich fand das Konzept nicht sehr überzeugend. Wenn der Staat Informationen herausgeben will, wird er sie schon veröffentlichen. Behörden lieb zu bitten, erschien mir nicht sehr aussichtsreich.
Ich habe es trotzdem gemacht. Daniel und Stefan waren überzeugt, es wenigstens zu versuchen, auch wenn der erste Beitrag im Blog von FragDenStaat.de zurückhaltend von „kommenden Wochen und Monaten, vielleicht sogar Jahren“ sprach. Meine Arbeit war in ein paar Stunden erledigt. Und ich konnte einen bezahlten Auftrag gut gebrauchen, natürlich mit Freundschaftspreis. (Und Hindernissen wie: „Das einzige Problem, noch haben wir kein Geld auf dem Konto, das wird sich aber sehr bald ändern.“)
Seitdem habe ich FragDenStaat ausgiebig genutzt. Statistisch habe ich alle zwei Wochen eine IFG-Anfrage gestellt. Meine Skepsis war nicht ganz unberechtigt: Die Hälfte wurde abgelehnt. Aber wir konnten auch spannende Dokumente erhalten, zum Beispiel den Staatstrojaner-Vertrag. Und wir haben gelernt, unser Recht einzufordern und durchzusetzen – auch vor Gericht. Noch nie war es so einfach, Bundeskanzleramt oder Bundeskriminalamt zu verklagen und zu gewinnen. Auch wenn es natürlich ein Skandal ist, dass wir Staat und Polizei zwingen müssen, sich an Recht und Gesetz zu halten. (Andre Meister)
„Das ist aber ganz schön viel Arbeit“
Bei einer Informationsfreiheitsanfrage vor etwa fünf Jahren rief mich kurz darauf ein Mitarbeiter der entsprechenden Behörde an, der für Informationsfreiheit zuständig war. „Sind Sie sicher, dass Sie die alle haben wollen?“, hat er gefragt. Ich hatte nach einer Dienstanweisung gefragt – und den Fassungen der Dienstanweisung in früheren Jahren. Ja, natürlich wollte ich die haben. Sonst hätte ich ja nicht gefragt. „Das ist aber ganz schön viel Arbeit, das jetzt alles rauszusuchen“, meinte der Mitarbeiter dann.
Mittlerweile würde das wohl keiner mehr sagen, denn FragDenStaat hat es geschafft, Informationsfreiheitsanfragen so einfach zu machen, dass alle eine Behörde anfragen können, die etwas wissen wollen – ohne Angst vor Behörden- und Paragrafensprech.
Es ist gut, dass sich staatliche Stellen daran gewöhnen, dass sich Menschen für ihre Informationen interessieren. Und dass immer mehr Menschen diese Möglichkeit nutzen. Ich hoffe sehr, dass der etwas genervte und überlastete, dann aber doch kooperative Mitarbeiter von damals mittlerweile ein paar Kolleg:innen bekommen hat. Und Informationsfreiheit nicht nur als nervige Zusatzarbeit, sondern als wichtige Aufgabe angesehen wird, die am Ende nicht nur neugierigen Journalist:innen nützt, sondern uns allen. (Anna Biselli)
„FragDenStaat macht auch einfach gute Laune“
Man muss ja gar nicht unbedingt IFG-Ultra sein, um zu feiern, was für ein großartiges zivilgesellschaftliches Projekt FragDenStaat ist. Ich selbst gehöre wegen meiner Arbeitsweise zum Beispiel eher nicht zu den Heavy Usern. Meine spannendeste Anfrage war eine, bei der ich am Ende keine Informationen erhalten habe. Oder eben doch, nur eine andere als erhofft: Das Verkehrministerium konnte aufgrund von fehlender Veraktung selbst nicht mehr nachvollziehen, wie Minister Dobrindt dazu kam, plötzlich ein neues Eigentumsrecht an Daten zu fordern. (Lieblingszitat aus dem Schriftverkehr mit dem Ministerium: „Ein – nicht vorliegender – Verstoß gegen Veraktungsbestimmungen würde auch nicht dazu führen, dass die Information vorhanden wäre.“)
Ich stelle also selten Anfragen, dafür schreibe ich gerne über die anderen Aktivitäten von FragDenStaat, das nach zehn Jahren so viel mehr ist als das praktische Portal zum Versenden von IFG-Anfragen: In Recherche-Kooperationen deckt das Team Missstände wie illegale Pushbacks durch Frontex auf. Mit Kampagnen wie jenen zum Berliner Volksentscheid Transparenz, zu den Gutachten des Bundestages oder zum Lobbyregister treibt FragDenStaat Politik und Verwaltung vor sich her. Mit strategischen Klagen schafft das Team gegenüber Behörden Fakten, die sich mit Ausreden wie dem Zensurheberrecht vor Transparenz schützen wollen.
Und nicht zuletzt: Mit Aktionen wie der IFG-Meisterschaft, epischen Musikeinlagen und einer guten Portion Hacker-Attitüde macht FragDenStaat auch einfach gute Laune. Danke dafür, viel Erfolg beim Weitermachen! (Ingo Dachwitz)
„Manche Journalist:innen scheuen sich“
Irgendwann muss ja jeder mal anfangen mit IFG-Anfragen, denn sie sind ein wichtiges Instrument im Journalismus. Das Gute bei FragDenStaat ist, dass man als Anfänger an die Hand genommen wird und sehr einfach die erste Anfrage erstellen kann. Doch da geht noch mehr: Die Anfragen werden danach der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, so entsteht ein transparenterer Staat und ein großes Archiv staatlicher Dokumente.
Manche Journalist:innen scheuen sich, FragDenStaat zu nutzen, weil ihre IFG-Anfragen dann öffentlich sind und andere auf das Thema aufmerksam werden könnten oder dann später die komplette Anfrage haben können. Das ist irgendwie ein alter Ansatz von Journalismus, der den Leser:innen etwas vorenthält und sich einen Informationsvorsprung sichern will.
An FragDenStaat mag ich auch die Kampagnen. Sie sind angriffslustig, gewitzt und bringen den Staat immer wieder in Erklärungsnöte. Das Projekt weiß wirklich, wie man politisch Druck ausübt, und das auf intelligente und einleuchtende Weise. (Markus Reuter)
„Etwas Wehmut bleibt“
Man glaubt es kaum, aber das Informationsfreiheitsgesetz ist erst 15 Jahre alt, da bestand netzpolitik.org in seiner jetzigen Form schon seit zwei Jahren. FragDenStaat löst(e) mindestens zwei Probleme auf einmal: Durch die einfache Nutzung über Formularabfragen haben alle Bürger:innen seit zehn Jahren die Möglichkeit, niedrigschwellig IFG-Anfragen zu stellen. Und zugleich popularisierte FragDenStaat diese junge Praxis und sorgt mit zahlreichen Klagen dafür, dass das junge Gesetz vor Gericht auf Herz und Nieren geprüft wird und nicht alle Ablehnungen von Seiten des Staates auch Erfolg haben.
Etwas Wehmut bleibt aber auch nach zehn Jahren FragDenStaat, wobei dafür die Plattform am wenigsten kann: Noch immer ist das Informationsfreiheitsgesetz nicht so stark, wie es sein könnte. Zuviele Ausnahmen und häufig politischer Unwille verkomplizieren die Nutzung und erleichtern es Behörden und Verwaltungen, einfach mal legitimen Transparenzinteressen einen Riegel vorzuschieben. Das muss sich ändern. Dafür ist auch FragDenStaat da. Ich drücke die Daumen, dass das gelingt und der Staat nicht nur in Sonntagsreden gläserner wird. (Markus Beckedahl)
„Keine schlechte Übung in Demut“
Die Wahrheit ist: Man braucht vor allem Geduld. Seit ich FragDenStaat ab 2015 regelmäßig nutze, ist das die Lektion, die ich zuerst und danach immer mal wieder lernen musste. Denn von der Vorstellung, dass man eine Antwort oder gar gleich die gewünschten Papiere ruck-zuck erhält, muss man sich schlicht verabschieden. Auch mit Rückschlägen umzugehen, mit rechtswidrigen Antworten, mit hinhaltenden oder semi-automatischen Schreiben, mit ahnungslosen Sachbearbeitern kleinerer Behörden, mit viel zu langsamen Reaktionen der hinzugezogenen Informationsfreiheitsbeauftragten oder einfach mit Stille mangels irgendeiner Reaktion auf den IFG-Antrag, das lernt man als Nutzer. Es ist vielleicht keine schlechte Übung in Demut.
Dennoch bin und bleibe ich ein Fan der Idee von FragDenStaat. Und ich bewundere den langen Atem, den Mut und auch die Konsequenz, mit der FragDenStaat nicht nur seinen Service aufrechterhalten, sondern ihn mit jedem Jahr verbessert und erweitert hat. Dazu gehört auch, dass durch den beherzten Gang zu den Gerichten in den letzten Jahren fast im Alleingang das gesamte Rechtsgebiet der Informationsfreiheit über die jeweiligen Urteile ausgestaltet wurde.
Und das alles mit einer klaren Sprache für das Anliegen staatlicher Transparenz, auch mit einer gewissen sympathischen Rotzigkeit und mit einer positiven Empörungsenergie, die nicht viele Aktivisten so lange aufrechterhalten und in politische Wirkung umwandeln können. Nicht aufhören! (Constanze Kurz)
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