Eine Debatte um eine Smart-City-Strategie für Berlin gibt es schon lange, aber eine konkrete Strategie gibt es bisher nicht. Im Rahmen des „Modellprojekt Smart City“ des Bundesministerium des Innern hat die Hauptstadt im vergangenen Jahr eine Förderung in Höhe von 17,5 Millionen Euro bewilligt bekommen, um fünf Umsetzungsprojekte auszuprobieren. Das Ziel des Förderprogrammes ist es laut Pressemitteilung, „Strategien und Stadtentwicklungsprojekte voranzubringen, die die Möglichkeiten der Digitalisierung beispielhaft nutzen. Es soll gezeigt werden, wie sich die Qualitäten der europäischen Stadt in das Zeitalter der Digitalisierung übertragen lassen. Die Erkenntnisse sollen in die Breite getragen und allen Kommunen zugänglich gemacht werden. „
In der vergangenen Woche hatte das „Bündnis digitales Berlin“ zu einem Runden Tisch mit Vertreter:innen der Berliner Verwaltung geladen, um über eine Smart-City-Strategie für Berlin zu diskutieren. Dabei stellten Vertreter:innen des Berliner Senates neue Wege vor, wie die Stadtgesellschaft in die zukünftige Ausgestaltung einer Strategie eingebunden werden kann.
Call for Workshops
Kurzfristig wird zu einem Mitgestaltungsprozess im Rahmen von Workshops eingeladen. Bis zu zehn Beteiligungsworkshops mit einer dreistündigen Dauer sind an zivilgesellschaftliche Akteure ausgeschrieben worden, die Mitte März durchgeführt werden sollen. Diese sollen wiederum Vertreter:innen von „mindestens zehn Organisationen, Initiativen oder Perspektiven“ beteiligen.
Dabei soll es um folgende Fragestellungen gehen:
Wie kann die Smart City Berlin zu einem Ort werden, an dem ihre Bewohner:innen langfristig gut leben und gleichzeitig das Wohlergehen aller Menschen und die Gesundheit des gesamten Planeten respektieren? Weil die Smart-City-Strategie den Anspruch hat, eine schwer vorhersehbare Zukunft mitzugestalten, haben alle Beteiligungsformate in der Konzeptphase die folgende Struktur:
- Zukunftsbild entwerfen (Was wäre, wenn …? / Wofür ist eine Smart City wichtig?)
- Spezifische Hindernisse verdeutlichen (Was hält uns ab? / Warum sind wir noch nicht da?)
- Herangehensweisen benennen (Wie können wir es angehen? / Wer & was ist dabei wichtig?)
- Zukünftige Generation mitbedenken (Was würden meine Enkelkinder davon halten?)
Die konkrete Gestaltung der Workshops soll bei den Einreichenden liegen, wobei aber bestimmte Methoden verwendet werden sollen, die in einem obligatorischen Methodentraining vermittelt werden sollen. Eine Aufwandsentschädigung soll es für Dokumentation und Durchführung geben, die „angemessene Vergütung“ soll sich an marktüblichen Tagessätzen für die Durchführung von Workshops im gemeinnützigen Sektor orientieren.
Kurzfristige Workshops sorgen für Kritik
Sportlich ist die kurzfristige Einreichungsphase, Bewerbungen können bis zum 24. Februar 2021 eingereicht werden. Nicht nur diese sorgt für Unmut aus zivilgesellschaftlichen Kreisen. Das Bündnis Digitales Berlin erklärte gegenüber netzpolitik.org, dass man mehr erwarte:
„Wir begrüßen die Öffnung in Richtung der Zivilgesellschaft und die Möglichkeit eigene Partizipationsformate durchzuführen – das ist eine deutliche Verbesserung zur bisherigen Digitalpolitik des Senats. Doch der Aufruf kommt zu spät. Die Workshops sollen bereits Mitte März stattfinden. Dies ist mit ehrenamtlichen Strukturen unter Corona-Bedingungen kaum in einer Weise leistbar, die der Bedeutung des Themas gerecht wird. Der Aufbau des digitalen Stadtraums erfordert grundsätzlich mehr als nur punktuelle Partizipation, deren Ergebnisverwertung unklar bleibt. Hier braucht es institutionalisierte Beteiligungsstrukturen, die Prozesse auch kritisch begleiten können. Zudem sind gleiche Beteiligungschancen für Zivilgesellschaft und Wirtschaft im Rahmen eines Multi-Stakeholder-Ansatzes unerlässlich.“
Neben weiteren interaktiven Workshops sei in dieser Phase eine breite Online-Beteiligung ab Mitte März auf mein.berlin.de geplant, wie das federführende Citylab gegenüber netzpolitik.org erklärte. In einer weiteren Strategieentwicklung würden auch weitere Formate erprobt und angewandt werden, um zivilgesellschaftliche Beteiligung in der Entwicklung der Smart-City-Berlin zu verstetigen. Ein Beteiligungskonzept gibt es als „lebendes Dokument“ zu lesen.
Mehr Strategieprozesse als Strategien
Die Entwicklung einer Smart-City-Strategie ist nur eine von drei parallel laufenden netzpolitischen Strategieprozesse des Landes Berlin, die alle mehr oder weniger parallel ablaufen und bei denen die Abgrenzung etwas unklar ist. Seit Jahren werkelt die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe an einer Digitalisierungsstrategie. Zusammen mit der Unternehmensberatung Ernst & Young hatte man in einem nicht besonders offenen und wenig transparenten Prozess ein Grünbuch entwickelt. Für die Weiterentwicklung zu einem Weißbuch scheint man jetzt auf neue Durchführungspartner zu setzen, es gibt dafür eine aktuelle Ausschreibung für die „Beratung und Durchführung sowie Projektmanagement beim Partizipationsprozess für die Berliner Digitalisierungsstrategie“.
Parallel zur Smart-City-Strategie sitzt wiederum die Staatssekretärin für Informations- und Kommunikationstechnologie in der Berliner Senatsverwaltung an der Entwicklung einer eGovernment-Strategie.
Seit Jahren fordern zivilgesellschaftliche Akteur:innen mehr Mitsprache bei der Entwicklung von Strategien. Die Ausschreibung von Workshops ist ein kleiner Schritt in diese Richtung, doch bisher ist es dem Senat nicht gelungen, das große kreative Potential einer sehr agilen und fachkundigen digitalen Zivilgesellschaft in Berlin zu nutzen und diese besser einzubinden. Eine gute Strategie hat man auch noch nicht entwickelt.
Vielen Dank für diesen Überblick zu den Berliner Smart City-Bestrebungen. Zwei Punkte möchte ich gerne ergänzen:
1. Tatsächlich gibt es bereits eine Smart City Strategie von 2015. Diese wurde mehr oder weniger „über Nacht“ zusammengeschrieben und war m.W. für die Bewerbung auf ein Horizon 2020-Projekt der EU gedacht. Sie ist inhaltlich recht dünn und spielte folglich im politischen Alltag nie eine Rolle. Eine Bürgerbeteiligung gab es damals nicht.
Einzusehen ist die alte Strategie hier: https://www.berlin-partner.de/fileadmin/user_upload/01_chefredaktion/02_pdf/02_navi/21/Strategie_Smart_City_Berlin.pdf
2. Das im Text erwähnte Bündnis heißt korrekt und vollständig „Bündnis digitale Stadt Berlin“.
The critical research agenda on smart cities has become increasingly interested in the political–economic relations between digital technologies and everyday urban life. It is now clear that in the smart city, quotidian activities have become valorized as data, and are produced, extracted and circulated with little, if any, remuneration to those individuals from whom they have been abstracted. Smart-city scholars often call this process ‘digital colonialism’ to highlight the uneven relations of power that enable processes of dispossession and profit generation. In this article we argue that greater conceptual clarity is needed around digital colonialism. Specifically, what is called ‘digital colonialism’ often entails processes more characteristic of neo-colonialism. By teasing out the differences between digital colonialism and digital neo-colonialism, different relations and processes are illuminated, allowing us to theorize the smart city with greater nuance. Here, we focus on the epistemological claims, practices of legibility and repercussions that emerge when focusing attention on the latter. We show that digital neo-colonialism also requires different political strategies of resistance than its colonial counterpart, and we grapple with the multiple ways in which digital technology research has formulated resistance strategies. We advocate for a collective, structural shift in how data and digital technologies are deployed and circulated within the smart city.