Bereits seit Herbst 2018 müssen laut einer EU-Richtlinie mindestens 30 Prozent der Inhalte bei Videostreamingdiensten wie Netflix, Amazon Prime oder Sky Ticket aus Europa stammen. Nun legt die EU-Kommission in Leitlinien erstmals genau fest, wie der Anteil europäischer Inhalte berechnet werden soll.
In ihrem Leitlinienentwurf schlägt die Kommission für Streamingdienste einen Paradigmenwechsel vor. Für analoges Fernsehen galt bisher, dass Quoten für europäische Inhalte nach Sendezeit berechnet wurden – von hundert gesendeten Minuten Programm müssen 30 aus Europa sein.
Das ergibt für Netflix und Co. aber wenig Sinn, sagt die Kommission. „Für On-demand-Dienste ist die Einbindung bestimmter Programme nicht abhängig von der Existenz festgelegter Sendezeiten“, heißt es in dem Dokument, das diese Woche vom französischen Medium Contexte veröffentlicht wurde.
Die Kommission will künftig den Anteil europäischer Inhalte nach der Anzahl der Titel berechnen. Eine Staffel einer Serie gilt dabei als ein Titel, ebenso wie ein einzelner Spielfilm oder eine Dokumentation. Grundlage für die Berechnung ist laut dem Entwurf der Gesamtkatalog aller angebotenen Titel.
Die neue Methode soll verhindern, dass Anbieter nur wenige europäische Serien produzieren, die dafür aber besonders viele oder lange Folgen haben, um damit die Quotenanforderung nach Sendezeit zu erfüllen. Die Berechnung auf Basis der Zahl an Titeln „dürfte die Schaffung eines diversifizierten Angebots europäischer Werke begünstigen“, so der Entwurf.
Streamingdienste bieten bereits einige europäische Inhalte an, allerdings ist bislang unklar, wie groß ihr Anteil insgesamt wirklich ist. Amazon Prime und Netflix antworteten nicht auf eine entsprechende Rückfrage von netzpolitik.org.
Was die EU mit „europäischen Werken“ meint, ist recht schwammig definiert. Der relevante Gesetzestext spricht von Werken, die von in Europa ansässigen Herstellenden geschaffen oder „überwacht und tatsächlich kontrolliert“ werde oder Koproduzierende aus Europa mehr als die Hälfte der Produktionskosten tragen.
Wann die neuen Leitlinien offiziell vorgestellt werden, ist vorerst noch nicht bekannt. Ein Sprecher der EU-Kommission konnte auf unsere Anfrage keinen konkreten Termin nennen.
Kann Disney+ eine solche Auflage mit seinen Eigenproduktionen überhaupt erfüllen?
Gute Frage.
Politik & Behörden definieren in immer stärkerem Maße, was erwünschte und was unerwünschte Inhalte im Internet sind – eine beängstigende Entwicklung. Hier wird es zwar in französischer Tradition mit dem Schutz kultureller Werte begründet, aber letztlich ist es derselbe Eingriff in die Meinungsfreiheit wie beim NetzDG.
Und natürlich werden Anbieter wie Netflix keine Probleme damit haben, die Maßnahme kostengünstig umzusetzen. Einfach ein paar Billigproduktionen einkaufen, die niemand anschaut, schon ist das Problem gelöst. Eben genau wie die Fensterprogramme in den deutschen Privatsendern.
Also: reine Symbolpolitik von Leuten, die zeigen wollen, dass sie was tun.
Wie sollte das ein Eingriff in die Meinungsfreiheit sein, hier wird ja nichtmal irgendwo irgendwas eingeschraenkt.
@netzpolitik.org: Eure Idee der „Ergaenzungen“ hat nicht funktioniert, zuvieles ist so unqualifiziert oder so irreleitend, dass man’s vergessen kann. War ein Versuch wert, aber es wuerde halt schon eine qualifizierte Moderation benoetigen…
Ergänzung muss nicht heißen „besser als der Artikel“, oder „Wahrheit“, oder „wissenschaftlich“, es soll sogar das Wort Humor gesichtet worden sein.
Es könnte durchaus so angesehen werden, dass die Meinungsfreiheit von Netflix und Co. eingeschränkt wird, den Katalog ihrer Wahl festzulegen. Dann ist die Frage, was schwerer wiegen soll: die Meinungsfreiheit oder der Erhalt einer in der globalen Gesellschaft ohnehin dem Untergang geweihten nationalen Kultur.
Du moechtest den Begriff „Meinungsfreiheit“ recherchieren und verstehen, zumal im hier gueltigen Kontext deutscher Gesetzgebung.
Ist zum Beispiel klar wie das mit BBC-Produktionen aussieht? Europäisch heißt in dem Kontext ja vermutlich aus der EU? Zählen hier dann alte BBC-Produktionen dazu?
„europäischen Werke“
Soll dass die ÖR stärken, indem sie ihre Produktionen an Amazon & Netflix lizensieren können? Wozu? Die Produktionen wurden schon durch Beiträge und Fördertöpfe finanziert. Doch dürfen die ÖR „nicht in Konkurrenz zu kommerziellen Video-on-Demand-Angeboten“ treten… (A)
Hier muss komplett neu gedacht werden. Die Einführung von Quoten löst das Problem selbst leider nicht…
Was spricht denn gegen ein europäisches Medienportal (A), in dem alle Angebote gebündelt werden? Vergütungsmodelle gäbe es genug. Netflix, Amazon, Disney… könnten ja auch ihre Eigenproduktionen darüber vertreiben.
Das Netzlix ÖR Serien wie „Der Landarzt“ aufnimmt, braucht keiner (…), die können gut und gerne in der Mediathek angeboten werden.
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Wo sollen denn die ganzen hochwertigen europäischen Produktionen herkommen (die mit den amerikanischen Produktionen mithalten können)?
Da fällt mir spontan der BBC ein, der kontinuierlich gute Serien und Filme produziert, und Produktionen aus Frankreich und Skandinavien. Andere europäische Produzenten haben ein … überschaubares Repertoire das außerhalb ihres Produktionslandes/Hauptzielgruppe kaum Anklang findet.
Die wenigen hochwertigen Filme und Serien, haben Netflix und Amazon schon längst in ihr Angebot (z.B. Tatortreiniger) aufgenommen. Doch sind deutsche Produktionen hauptsächlich Krimis (Tatort), Dramen, Komödien (Fack Ju Göhte), Kinder/Märchenfilme und Dokumentationen.(1, 1a, 3b) „Den deutschen Genrefilm zeichnet aus, dass es ihn in der internationalen wie auch nationalen Wahrnehmung praktisch nicht gibt.“(1b) Ein guter Teil der TV-Produktionen richten sich an die Hauptzielgruppe: „Ältere Zuschauerinnen und Zuschauer haben mit 380 Minuten die höchste durchschnittliche Verweildauer pro Tag“, die eher weniger Netflix&co nutzen werden. (2)
Die deutsche Filmproduktion ist eingefahren und setzt lieber auf bewährte Produktionen. Es fehlt der Anreiz hochwertige Filme und Serien abseits der ausgetretenen Pfade zu produzieren.(3, 3b) Somit wundert es nicht, dass deutsche Produktionen verglichen mit US-Produktionen eher selten auf den Top-Listen landet. Der Export europäischer Produktionen ist auch überschaubar.(3a)
Deutsche Filmproduktionen verlassen sich zu sehr auf Förderungen (und jetzt Quoten), was aber den den Wettbewerb erstickt. (4, 3a S.153) Zudem lässt das öffentliche deutsche Filmfördersystem kaum Platz für „für Düsteres, Abgründiges, für den Horror oder für den spektakulären Weltenneubau der Science Fiction“(5) Somit ist es einfacher nach bekannten Mustern Krimis, Komödien, (…) weiter zu produzieren…
Die europäische und deutsche Filmproduktion braucht grundsätzliche Richtungsänderungen um ernsthafte Alternativen darzustellen. Quoten bringen da nicht viel.
(A) https://www.deutschlandfunk.de/mediathek-inhalte-bei-ard-und-zdf-komplizierte-vorschriften.761.de.html?dram:article_id=365541
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Film
(1a) https://www.moviepilot.de/news/warum-der-deutsche-film-mehr-genrefilme-braucht-110628
(1b) https://genrefilm.net/genrefilm/
(2) https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Kultur/Publikationen/Downloads-Kultur/spartenbericht-film-fernsehen-hoerfunk-5216207199004.pdf?__blob=publicationFile
(3) https://out-takes.de/2017/made-in-germany/
(3a) https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/bedeutung-filmindustrie.pdf?__blob=publicationFile&v=14 S.150
(3b) https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_bedeutender_deutscher_Filme
(4) https://www.moviepilot.de/news/warum-der-deutsche-film-mehr-genrefilme-braucht-110628
(5) https://www.goethe.de/de/kul/flm/20665442.html
Für einen Dienst wie Crunchyroll, der sich auf japanische Anime spezialisiert hat, wird die Erfüllung solcher Auflagen sicher lustig.