Klaus-Dieter Fritsche kennt sich mit Geheimdiensten aus. Doch ausgerechnet Fritsche, der frühere Staatssekretär im Bundesinnnenministerium, setzt sich nun in ein politisches Geheimdienst-Hornissennest, die östereichische BVT-Affäre. Fritsche werde den Österreichern dabei helfen, ihr Bundesamt für Verfassungschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu reformieren, sagte Österreichs Innenminister Herbert Kickl vergangene Woche bei einem gemeinsamen Auftritt in Wien.
Die Bundesregierung in Berlin sieht das als unbedenklich, auch wenn die Affäre um das BVT sogar international Sorgen um den österreichischen Rechtsstaat hervorrief. Das deutsche Bundesinnenministerium hält die Beratungstätigkeit Fritsches in Österreich nicht für ein Problem und kann keine „Beeinträchtigung dienstlicher Interessen“ nach § 105 des Bundesbeamtengesetzes erkennen. Das geht aus einer Antwort an André Hahn von der Linksfraktion hervor. Fritsche hatte demnach die Bundesregierung einen Tag, nachdem er in Wien vor die Presse trat, von seiner Beschäftigung informiert.
BVT: Halb Polizei, halb Geheimdienst
Das BVT ist ein gefährliches Mischwesen, denn es ist ein Geheimdienst mit polizeilichen Befugnissen. Es kann daher, anders als der Bundesverfassungsschutz in Deutschland, Informationen aus seiner Geheimdienstarbeit direkt für polizeiliche Maßnahmen verwenden. Die Machtfülle des BVT macht es zu einem im Missbrauchsfall äußerst gefährlichen Instrument.
Österreichs Innenminister Herbert Kickl möchte den Dienst nun im Zuge einer großangelegten Reform mit mehr Überwachungsbefugnissen ausstatten und um dutzende Mitarbeiter für Nachrichtendienst und Gefahrenabwehr aufstocken. Oppositionspolitiker warnen vor der Schaffung einer „Kickl-Stasi“.
FPÖ-Hardliner Kickl
Kickl gilt als Chefideologe der Rechtsaußenpartei FPÖ. Als Innenminister brachte er sein Ministerium auf einen stramm rechten Kurs. Bereits kurz nach Amtsantritt machte er Schlagzeilen: Anfang 2018 sprach er davon, Asylsuchende „konzentriert an einem Ort zu halten“. Auf Drängen von Kickls Innenministerium verabschiedete das Parlament im Jahr 2018 ein Paket mit Überwachungsmaßnahmen, dass die FPÖ zuvor selbst als „DDR 4.0“ kritisiert hatte. Er treibt zudem die Aufrüstung der Polizei voran und richtete eine Polizei-Reiterstaffel ein.
Binnen weniger Monate installierte Kickl an führenden Stellen im Ministerium Parteianhänger mit Kontakten in die rechtsextreme Szene. Polizeipressestellen wies er an, an missliebige Journalisten möglichst wenig Informationen zu geben.
Kickl machte BVT zur Staatsaffäre
Der Skandal um das BVT begann mit Vorwürfen eines Ex-Mitarbeiters im Sommer 2017. Ein Mitarbeiter warf seinen Kollegen in einem rund 40-seitigen Konvolut Korruption und Amtsmissbrauch vor. Die Behörden in Wien ermitteln seither wegen des Vorwurfs der Weitergabe nordkoreanischer Pässe an den südkoreanischen Geheimdienst. Doch erst die österreichische Wahl im Herbst 2017 und der Amtsantritt von Innenminister Kickl verwandelten den Fall in eine Staatsaffäre.
Auf Druck aus Kickls Büro durchsuchte eine von einem FPÖ-Funktionär geführte Polizeieinheit im Februar 2018 die Räume des BVT und beschlagnahmte zahllose Unterlagen, dazu auch Akten zu unter Beobachtung stehenden rechtsextremen Kreisen. Seither tobt eine juristische Schlacht um den Geheimdienst. Ein Gericht erklärte inzwischen die Hausdurchsuchung als rechtswidrig und hob die Absetzung von BVT-Chef Peter Gridling wieder auf. Wenig später kündigte Kickl eine grundlegende Reform des Geheimdienstes an.
Deutschland vertraut dem BVT weiterhin
Zu Beginn der BVT-Affäre zeigte sich Deutschland besorgt über einen möglichen Missbrauch sensibler Daten aus der internationalen Kooperation der Nachrichtendienste durch den österreichischen Dienst. Doch das Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU) stellte dem BVT dann doch rasch einen Persilschein aus.
Fritsches Beratungstätigkeit ist wohl eine Fortsetzung der guten Beziehungen. Dabei ist er selbst nicht gerade dafür bekannt, das Vertrauen der Öffentlichkeit in Geheimdienste zu stärken. Im NSU-Ausschuss des Bundestages sorgte Fritsche im Jahr 2012 für einen Eklat, weil er das massenhafte Aktenschreddern als individuelles Fehlverhalten abtat, sich über Kritik an den Sicherheitsbehörden empörte und Zwischenfragen der Abgeordneten ablehnte. Damals wie auch später beklagte er, dass Medien geheime Informationen veröffentlichten. Als der NSU mordend durch Deutschland zog, war Fritsche Vizepräsident des Verfassungsschutzes.
Von 2005 bis 2009 war er Koordinator der Nachrichtendienste des Bundes im Bundeskanzleramt, nach ein paar Jahren im Innenministerium wurde er 2014 zum Beauftragten für die Nachrichtendienste des Bundes gemacht. Während des NSA-BND-Untersuchungsausschuss bestritt Fritsche jegliche Verantwortung der Dienstaufsicht im Kanzleramt für rechtswidrige Selektoren der NSA. Die Verantwortung schob er allein den mittleren Ebenen im BND zu. Dass er zur gegebenen Zeit der höchste Kontrolleur des deutschen Auslandsgeheimdienstes war: egal.
Zweifelsohne kennt er sich zumindest in der deutschen Geheimdienstwelt aus wie kaum jemand sonst. Ob das aber dafür sorgt, dass Fritsche bei der Reform des BVT für mehr demokratische Kontrolle, ist fraglich.
Der Linken-Abgeordnete André Hahn stellt sich noch eine weitere Frage: „Was wäre, wenn Herr Fritsche zum Beispiel die Regierung der Russischen Föderation zur Arbeit des FSB oder die USA hinsichtlich der NSA beraten würde? Wäre das womöglich gar ein im Geheimdienstbereich strafrechtlich relevantes Engagement für eine ‚fremde Macht‘?“
Ich möchte ergänzen: „Geheimdienstwelt“!
„Zweifelsohne kennt er sich zumindest in der deutschen aus wie kaum jemand sonst.“
Bei der Ergänzung hat sich meiner Meinung nach ein Fehler eingeschlichen:
„Zweifelsohne kennt er sich zumindest in der deutschen Geheimdienstwelt aus wie kaum jemand sonst. Ob das aber dafür sorgt, dass Fritsche bei der Reform des BVT für mehr demokratische Kontrolle, ist fraglich.“
Mein Vorschlag:
[…] für mehr demokratische Kontrolle ist, ist fraglich.
Schöne Grüße!