Eine „Mobile Digitalwerkstatt“ wollte Nordrhein-Westfalen. Sie sollte von Schule zu Schule reisen und Schüler an die Digitalisierung heranführen. Mit programmierbaren Robotern, Stop-Motion-Filmen und eBook-Workshops tingelt ein umgebauter LKW seit letztem November durchs Land. Soweit, so gut. Doch die Vergabe des Auftrags durch das Bildungsministerium Nordrhein-Westfalen hat in den letzten Wochen für negative Schlagzeilen gesorgt.
Den Auftrag bekam die Firma HABA Digital, eine Ausschreibung gab es aber nicht. Dabei wäre sie vielleicht notwendig gewesen. Das ist nicht der einzige Punkt, der zu Stirnrunzeln führte: Die Gründerin von HABA Digital, Verena Pausder, hatte im August 2017 50.100 Euro an die FDP gespendet. Die NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) wehrt sich gegen den Beigeschmack, den das haben könnte: „Eine Spende einer Privatperson darf nicht generell zum Ausschlusskriterium für die Vergabe eines Auftrags werden“, sagte sie. Pausder sei ihr nur einmal im April 2018 im Zug der Besprechungen zur Vertragsvergabe begegnet.
Offener Brief fordert Transparenz
Ein Artikel im FPD-Magazin „Liberal“ erwähnt aber „viele Gespräche“, die Pausder zusammen mit einer Mitarbeiterin mit dem NRW-Bildungsministerium geführt hätte. „FDP-Bildungsministerin Yvonne Gebauer hat uns dabei sehr unterstützt“, so die Mitarbeiterin.
Mehrere Gruppen, darunter das Bündnis freie Bildung und die Open Knowledge Foundation, fordern nun in einem offenen Brief Aufklärung. „Die Umsetzung des Digitalpaktes lässt einen Wettbewerb entstehen, in dem mehrheitlich die Lösungen von Großkonzernen bevorzugt werden. Das halten wir aus vielerlei Gründen für bedenklich“, so der Brief. Die Unterzeichnenden bemängeln das Fehlen einer Ausschreibung, die Missachtung von Vergaberecht und das Ignorieren von alternativen Anbietern.
Ausschreibung wäre vielleicht nötig gewesen
Laut Bildungsministerium wurde das Projekt nicht öffentlich ausgeschrieben, da es unter den EU-Schwellenwert von 750.000 Euro falle. Der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) liegt aber ein Gutachten vor, laut dem das Projekt diese Schwelle bei einer eventuellen späteren Erweiterung überschreiten könnte. Auch dann hätte es ausgeschrieben werden müssen.
Im Vertrag zwischen Ministerium und HABA Digital ist nun die Möglichkeit einer späteren Leistungserweiterung vereinbart. Der Vertrag ist in teilweise geschwärzter Version auf FragDenStaat.de zugänglich. abgeordnetenwatch.de fasst einige der Erkenntnisse daraus zusammen.
Das Ministerium hätte eigentlich europaweit nach Angeboten suchen müssen. Gesucht wurde aber nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Nachdem bereits diese Angebote den digitalen Kompetenzrahmen Nordrhein-Westfalens nicht erfüllt hatten, habe man die Suche dann nicht mehr ausgedehnt, so Staatssekretär Mathias Richter (FDP). „Alle genannten Beispiele – man muss es deutlich sagen – sind absolut ungeeignet, um auf professionelle Weise Unterstützung für die Grundschulen auf den Weg zu bringen“, sagte er.
Andere Anbieter „absolut ungeeignet“
Ein anderes Projekt, dass mit umgebauten Bussen digitale Bildung vermitteln will, ist Digital2School. Laut Vertreter des Ministeriums hätten aber die Betreiberinnen öffentlich erklärt, die Anforderungen des Ministeriums nicht erfüllen zu können. Digital2School sei in keiner Weise organisiert: „An ein Logo kann ich keinen Auftrag über 600.000 Euro vergeben“, sagte Richter. „So sind die beiden Verantwortlichen bei Digital2School überhaupt nicht in der Lage, ein solches Projekt in Nordrhein-Westfalen landesweit auf den Weg zu bringen.“
Doch Digital2School sind nicht die einzigen Kandidaten. Unter anderem wären noch der „Wriggle Roadcaster“ oder der Turing-Bus der Open Knowledge Foundation in Frage gekommen. Sowohl Digital2School als auch die Open Knowledge Foundation gehören nun zu den Unterzeichnern des offenen Briefs. Sie sagen, dass viele von ihnen „gemeinnützig und ohne Profitinteressen“ an der zeitgemäßen Transformation von Bildung arbeiten: „Wir tun das, weil wir der Auffassung sind, dass Bildung frei sein sollte und weil wir um die Kompetenzen wissen, die das digitalisierte Leben erfordert.“
Staatssekretär Richter sah keinen anderen geeigneten Anbieter: „Bis heute gibt es keinen Hinweis darauf, dass sich jemand gemeldet hätte, der diese Leistung für uns erbringen könnte“, sagte er im März. Laut den auf FragDenStaat zugänglichen E-Mails versuchte die Gründerin von Digital2School Anfang Januar, einen Gesprächstermin bei der Schulministerin zu bekommen. Auf Antwortmails reagierte sie aber bis April anscheinend nicht.
Da setzen sich die freien Demokraten – traditionell – für freien Wettbewerb (mit all den Dingen, welche hierfür erforderlich sind) ein und müssen sich diesbezüglich nun Vorwürfe der Vetternwirtschaft gefallen lassen – dies hat schon mehr als ein “Geschmäckle“!