Der rassistische und durch Verschwörungsideologien befeuerte Terroranschlag von El Paso zeigt einmal mehr, dass das Phänomen des Terrors der Anhänger einer „weißen Vorherrschaft“ von der konservativen US-Regierung politisch heruntergespielt wird. In den USA ist deswegen eine politische Debatte entbrannt, die nicht nur der aggressiven Rhetorik von Präsident Trump eine Mitschuld gibt, sondern auch konkrete Maßnahmen und eine richtige politische Einordnung solcher Anschläge einfordert. Vertreter der Republikaner hatten sich nach El Paso beeilt, den Täter als Psychopathen darzustellen oder die Schuld bei Computerspielen zu suchen. Die Republikaner verhindern seit Langem, dass die Polizei gegen diese Art von Terrorismus angemessen vorgeht.
Auch die US-Bundespolizei FBI steht in der Kritik, keine Kategorie für die „White Supremacy“-Extremisten zu haben. Bislang teilt das FBI die Bedrohungen des inländischen Terrorismus in vier Hauptkategorien ein: rassistisch motivierter gewalttätiger Extremismus, Anti-Regierungs-/Anti-Autoritäts-Extremismus, Tierrechts- und Umweltextremismus sowie Abtreibungsextremismus.
Im Frühling dieses Jahres warnte die Behörde laut Yahoo News in einem Bulletin erstmals vor einem durch Verschwörungstheorien getriebenen Extremismus. Der Bericht erwähnt aber nicht ausdrücklich, dass die meisten Täter aus diesem Feld Rassisten und Anhänger einer weißen Vorherrschaft sind. In einer Anhörung vor dem Justizausschuss Ende Juli räumte FBI-Chef Christopher Wray jedoch ein, dass die meisten Festnahmen wegen inländischem Terrorismus auf „White Supremacy“ zurückgingen.
FBI: Internet verstärkt Verschwörungsextremisten
Das FBI-Dokument aus dem Mai sieht in durch Verschwörungstheorien ausgelöster Gewalt kein gänzlich neues Phänomen. Es habe sich aber geändert, wie sich die Theorien entwickelten und verbreiteten. Der Charakter des Netzes und der Plattformen würde die Vertreter der Theorien befähigen, mehr Material einem größeren Publikum bekannt zu machen. So würden mehr Menschen, die anfällig für die Theorien seien, diesem Material ausgesetzt. Das Internet würde zudem das „Crowd-Sourcing“ einfacher machen, bei dem die Anhänger nach weiteren „Puzzlestücken“ suchten und die Theorien gemeinsam erweiterten.
Das FBI geht in seinem Bulletin davon aus, dass das Phänomen in nächster Zeit weiterhin Stimmung gegen den Staat anheizen, dabei rassistische und religiöse Vorurteile befördern und für politische Spannungen sorgen wird. Hierbei nennt das FBI explizit die US-Präsidentschaftswahlen 2020.
El Paso und der „Große Austausch“
Nun ist mit El Paso ein weiterer Anschlag mit 20 Toten hinzugekommen, der zu diesem Muster passt. Wie schon beim Anschlag im neuseeländischen Christchurch kündigte der Täter von El Paso den Terrorakt auf der Plattform 8chan an und verbreitete dort sein Manifest. Es ist das dritte Mal in diesem Jahr, dass so etwas auf 8chan passiert. Das Imagebord war 2013 als radikalere Variante von 4chan ins Leben gerufen worden. 8chan ist Treffpunkt für eine spezielle rechtsextreme Kultur und ein Klientel, das in Teilen die Glorifizierung der Terroranschläge betreibt.
Der Dienstleister Cloudflare kündigte unterdessen den Rauswurf von 8chan an. Zuvor hatte auch der Gründer von 8chan gefordert, die Seite zu schließen. Er selbst hatte die Seite 2015 verlassen. Cloudflare ist ein Dienst, der Webseiten vor DDos-Angriffen schützt. Das Unternehmen hatte im Jahr 2017 schon die Nazi-Postille „Daily Stormer“ ausgeschlossen.
Wir hatten das Phänomen der weißen Terroristen im März ausführlich in einen weiteren Kontext rechter Agitation und Ideologien eingeordnet – und festgestellt, dass technische Lösungen gegen diese Form von Terrorismus zu kurz greifen. Der Täter von El Paso war Anhänger der Verschwörungsideologie des „Großen Austausches“, ein rassistisches Konstrukt, das von einer „Invasion“ Europas, der USA oder anderer Regionen durch nicht-weiße Menschen ausgeht.
Dieses Konstrukt wird nicht nur von der US-amerikanischen Rechten samt Präsidenten bedient, ihm hängen auch hierzulande die Identitäre Bewegung und Teile der AfD an. Die Verschwörungsterroristen führen die Gedanken dieses rechten und rassistischen Mainstreams nach ihrer Logik konsequent weiter. Der Attentäter von Christchurch hatte sogar der Identitären Bewegung Geld gespendet.
Der effektiven Bekämpfung des White-Supremacy-Terrorismus steht allerdings genau jener rassistische Mainstream entgegen. So gibt es eine starke Verwurzelung der Ideologie in der aktuellen Politik der US-Republikaner. Würde Twitter mit der gleichen Vehemenz gegen diese Ideologie vorgehen wie gegen ISIS und den Dschihadismus, würde es wohl zahlreiche gewählte Vertreter der Republikaner sperren müssen. Der Schlüssel zur Minimierung des rassistischen, weißen Terrors liegt neben schärferen Waffengesetzen also vor Allem im Zurückdrängen der weit verbreiteten Ideologie der „weißen Vorherrschaft“.
Diese Ideologie vom „Große Austausch“ wird u.a auch in der AfD ganz massiv verbreitet. Da ist es dann natürlich klar das sich früher oder später der ein oder andere Reichsbürger dazu berufen fühlt zur Waffe zu greifen. Trump fährt in den USA ja auch einen ganz ähnlichen Stil.
Wenn die Gesellschaft sich nicht endlich gegen den Rechtspopulismus wehrt wird es noch viele Todesopfer geben müssen.
Realitycheck zum Artikel:
Das FBI hat vor Verschwörungstheorien gewarnt. Richtig.
Das FBI hat nicht vor 8ch.net gewarnt.
Das FBI hat nicht vor Pizzagate gewarnt.
Das FBI hat nicht vor Qanon gewarnt.
Dieser Spin kam erst in den Agenturen dazu und wurde hier auch völlig irreführend in die Überschrift übernommen. Warum?