„Eine doppelte Premiere“ – so kündigte Clemens Binniger, Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), die erste öffentliche Anhörung der Präsidenten der Bundesgeheimdienste an. Zum ersten Mal tagte das PKGr öffentlich, zum ersten Mal traten alle drei Präsidenten zusammen auf.
Die geladenen Geheimdienstchefs waren Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, und Christof Gramm, Präsident des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst. Die Befragung dauerte drei Stunden, sie ist eine Folge des geänderten Kontrollgremiumgesetzes.
Erkenntnisreich geht anders
Erkenntnisreich gehört nicht zu den Adjektiven, mit denen man die Anhörung beschreiben würde. In ihren – auch im Volltext veröffentlichten – Eingangsstatements legten die drei Geheimdienstchef den Kurs fest: Sie plädierten dafür, mit gesetzlichen Grundlagen und Mitteln ausgestattet zu werden. Vor allem die notwendige Zusammenarbeit betonten sie, zwischen den deutschen Diensten und mit ausländischen Partnern.
Bruno Kahl benutzte dafür gleich zu Beginn ein plastisches Bild:
Wir arbeiten alle im selben Bergwerk, aber in unterschiedlichen Stollen.
Seitenhiebe auf den NSA-Untersuchungsausschuss
Einen Seitenhieb auf den NSA-Untersuchungsausschuss konnte sich Kahl zu Beginn nicht verkneifen: Der BND wolle sich jetzt wieder ganz auf seine Arbeit konzentrieren. Er setzte damit das Klagen fort, die Dienste seien so mit der Arbeit rund um den Ausschuss beschäftigt, dass sie nicht mehr für die Sicherheit garantieren könnten.
Mit solcher Kritik ging der BfV-Präsident schon zu Zeiten des Untersuchungsausschusses nicht sparsam um. Er beschwerte sich damals bei seiner Befragung über die viele Arbeit, die der Ausschuss dem Inlandsdienst beschere, sodass dieser sich nicht voll darauf konzentrieren könne, Anschläge zu verhindern.
André Hahn fragte hier noch einmal nach und Maaßen wählte diesmal vorsichtigere Worte. Er finde parlamentarische Kontrolle „außerordentlich wichtig“ und setzte nach: „Das meine ich ernst.“ Seine damalige Äußerung habe nur deutlich machen sollen, wie ernst das BfV seine Pflichten nehme, dem Ausschuss Akten vorzulegen. Aber es sei gleichermaßen eine Belastung für das „Tagesgeschäft“ gewesen, mehrere Terroranschläge hätten die Ressourcen zusätzlich belastet.
Wohlwollende Fragen
Der Großteil der Abgeordneten ging auf den Forderungstenor der Präsidenten ein. Sie erkundigten sich primär danach, welche Mittel und Kompetenzen die Dienste noch bräuchten, um ihre Arbeit zu erledigen. Kahl äußerte sich dazu erstaunlich abwiegelnd. Man habe erst einmal „alle Hände voll zu tun, neue gesetzliche Vorgaben umzusetzen,“ und sei damit vermutlich noch nächstes Jahr beschäftigt. Die Stimmung dazu sei positiv, die Belegschaft nehme die Neuerungen dankbar an, eine Umgewöhnung und Aufwand sei es aber schon.
Ein Defizit fiel ihm dann doch noch ein: Bei verschlüsselten Messengerdiensten bestünden Probleme, da müsse der BND die Kommunikation vor der Verschlüsselung abgreifen. Wenn ein Deutscher an der Kommunikation im und ins Ausland beteiligt sei, dürfe der BND das nicht. Er fände Nachbesserungen nach dem Muster des BKA-Gesetzes gut. Im Klartext heißt das: Staatstrojaner für den BND.
In der Zwischenzeit, das enthüllten wir im letzten Jahr, bekommt der BND in den nächsten Jahren 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um verschlüsselte Messenger zu knacken. Aus den Dokumenten ging auch hervor, dass der BND zum damaligen Zeitpunkt nur weniger als zehn von 70 verfügbaren Kommunikationsdiensten knacken konnte.
Die Wunschzettel der Geheimdienste
Mit mehr Stellen hätten alle drei kein Problem. Von etwa zehn Prozent Aufwuchs in den vergangenen Jahren berichteten Kahl und Gramm, Maaßen berichtete von 22.000 Bewerbungen im letzten Jahr. Maaßen forderte auch, den Verfassungsschutz mit einem „vollen Werkzeugkasten“ auszustatten und diese auch nutzen zu dürfen. Das „Spannungsverhältnis von Datenschutz und Schutz vor Terrorismus“ dürfe „nicht dogmatisch“ gesehen werden.
Darauf stieg der Abgeordnete Grötsch ein, fragte explizit nach Maaßens Wünschen und schlug vor: eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung vielleicht? Maaßen sagte, er wolle seinen Wunschzettel zunächst der Bundesregierung vorlegen. Er verriet aber soviel: Er würde gern wissen, wer sich gerade Enthauptungsvideos anschaut, und gern die IP-Adressen derjenigen bekommen, um sie mit Gefährderdatenbanken abzugleichen.
Hacking Back?
Ein immerwährendes Streitthema ist die Frage, ob deutsche Stellen offensive Cyberangriffe durchführen können sollen. Also nicht nur ihre eigenen Systeme verteidigen, sondern ausländische Systeme angreifen. Kahl gab zu bedenken, der BND stehe bereit, aber es müssten erst einmal gesetzliche Grundlagen geschaffen werden.
Maaßen begrüßte die potentielle Möglichkeit, zurück zu hacken. Nicht in dem Sinne, dass ausländische Server zerstört werden. Vielmehr müsse erlaubt sein, deutsche Daten auf ausländischen Servern zu löschen und Rechner zu infizieren. Um sie quasi zu Gegenspionen zu machen: „So etwas muss in der Cyber-Welt möglich sein.“ Gramm hatte dem nicht viel hinzuzufügen und verwies darauf, das liege bei der Bundeswehr eher beim Kommando Cyber- und Informationsraum und nicht beim Militärischen Abschirmdienst.
BND mehr an ZITiS beteiligt als gedacht
Etwas überraschend waren BND-Chef Kahls Ausführungen zu ZITiS, der neuen, zentralen Entschlüsselungsbehörde, die als Dienstleisterin technische Möglichkeiten für Bundes- und Länderbehörden erarbeiten soll – beispielsweise auch zur Entschlüsselung von Kommunikation. Der BND steht nicht in der Liste der offiziell profitierenden Stellen.
Dass ZITiS vom ehemaligen kommissarischen Leiter des Auslandsgeheimdienstes geführt wird, ist bekannt. Kahl gab jedoch Einblicke, dass die Zusammenarbeit noch weiter geht. Der BND habe angeboten, die Institution in nicht-problematischen Bereichen zu unterstützen. Ebenso würde der BND selbst daran beteiligt, falls ZITiS für den Dienst relevante Fortschritte machen sollte. Dennoch habe die Zusammenarbeit Grenzen, wo es um Techniken und Ressourcen geht, bei denen der BND mit ausländischen Partnern zusammenarbeitet.
Keine Klagen zu internationaler Zusammenarbeit
Erstaunlicherweise zeigten sich sowohl BND als auch Verfassungsschutz zufrieden mit der Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten und Behörden. Kahl statuierte, der Austausch von Finished Intelligence – also fertigen Meldungen – und Rohdatentausch geschehe nun viel schneller. Es gelte eher, mit der Flut an Daten zurechtkommen, als um Daten betteln zu müssen.
Maaßen stimmte zu, die Zusammenarbeit sei gut. Er erwähnte explizit die Counter Terrorism Group der EU. Ein Problem sei viel eher, dass andere oft keine umfassenden Informationen hätten. Das sei ein Dilemma, die Dienste bräuchten oft noch Hilfe von der „anderen Seite des Atlantiks“. Einen europäischen Geheimdienst lehnten beide ab.
Brisanz? Fehlanzeige.
Die Aussagen der Geheimdienstchefs gingen kaum über das hinaus, was sie regelmäßig in Äußerungen gegenüber der Presse verlautbaren. Unter diesen Voraussetzungen hätte das PKGr die Befragung auch gut und gerne vor der Wahl durchführen können. Der Termin war im Vorfeld von den PKGr-Mitgliedern der Opposition kritisiert worden. Das Thema dürfe so nicht aus dem Wahlkampf herausgehalten werden.
Dass es überhaupt eine solche Anhörung gibt, ist zu begrüßen. Sie darf aber nicht eine nette Gesprächsrunde bleiben, bei der die Geheimdienstchefs neue Befugnisse und Gelder fordern können. Aufklärung und Information über Geheimdienstaktivitäten kann nicht nur Aufgabe von Untersuchungsausschüssen sein, wenn die Skandale bereits geschehen sind. Sonst werden sie nicht zu einer zusätzlichen Vertrauensmaßnahme gegenüber der Bevölkerung, die Maaßen sich nach eigener Aussage wünscht.
Die Inszenierung als solche ist gelungen. Ein Handwerker beklagt einen schlecht gefüllten Werkzeugkasten. Bruno, der lichtscheue Mineur, gräbt und sprengt unterirdisch. Und ein Grammatiker schweigt unüberhörbar zur „Rechts“-Problematik.
Die Tageskarte wurde eingerissen. So funktioniert Kontrolle. Alles wird gut.
Es geht nicht nur um Terroristen…….es geht auch darum sich für härtere politische Zeiten zu waffnen…….die Superreichen fühlen sich bedroht….und zwar von Links & Rechtspopulisten….sie haben sich mit ihren Vermögen in der Globalisierung und im Neoliberalismus eingerichtet……wer bescheid weiss kann steuern…..bekommen z.B die LINKE mehr zuspruch….kann man entsprechend agieren.
Allein der Auftritt von BfV Präsident Maaßen heute verdeutlicht, dass die parlamentarische Kontrolle der Dienste eine Farce ist.
Maaßen betonte stets den islamistischen Terror, genau den Bereich in dem auch seine Behörde in der Kritik steht.
Beispiel Amri: ein Islamist bekannten mit Kontakten zum IS, der von Waffenkäufen und Attentatsplanungen sprach und regelmäßig Thema im GTAZ war, in dem auch das BfV saß. Maaßen vertrat heute den Standpunkt, seine Behörde sei nicht federführend gewesen sondern die Polizei. Fehler machten nur die Anderen. Das ist schlicht absurd.
Beispiel Albakr: auch hier ist die Rolle des BfV weiterhin ungeklärt. Maaßen verstrickte sich seinerzeit in Widersprüchen:
https://machtelite.wordpress.com/2016/10/14/der-fall-albakr-ein-grossartiger-erfolg-der-deutschen-sicherheitsbehoerden/
Beispiel NSU: das BfV schredderte Akten. V-Leute des BfV hatten Bezüge zum NSU Kerntrio. Maaßen hatte das in der Vergangenheit bestritten und blamierte sich u.a. mit der katastrophalen Arbeit seiner Behörde beim Umgang mit den Handys von BfV V Mann Corelli aka Thomas Richter.
@Anna: Wart ihr persönlich bei der Anhörung anwesend? Gibt es denn ein Protokoll? Interessant finde ich speziell eure Wiedergabe von Bruno Kahl zum Thema Hack-Back, dass der BND für solche Maßnahmen bereit stünde sofern gesetzliche Regelungen geschaffen würden. Das ist meiner Meinung nach eine relative neue und interessante Erkenntnis da es von Seiten des BND bisher eher kaum Vorstöße gab beim Disput über Offensiv-Befugnisse im Cyberspace.
Zum Thema Hack-Back habe ich hier nochmals meine Gedanken (und Kritik) zusammengetragen:
https://cyber-peace.org/2017/10/05/forderung-nach-hack-back-befugnissen-sind-zurueck/
Hej, die Sitzung kann man hier nachschauen: https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7156423#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk=&mod=mediathek
Ich hab die drei Stunden gestern live im Stream mitverfolgt. Hack-Back-Aussagen dürften sich in der letzten halben Stunde befinden.
@Anna: Cool, besten Dank für den Link!
„Maaßen begrüßte die potentielle Möglichkeit, zurück zu hacken. Nicht in dem Sinne, dass ausländische Server zerstört werden. Vielmehr müsse erlaubt sein, deutsche Daten auf ausländischen Servern zu löschen und Rechner zu infizieren. Um sie quasi zu Gegenspionen zu machen: „So etwas muss in der Cyber-Welt möglich sein.““ Ja Jung, prinzipiell wäre das möglich. Dann hacke und infiziere mal die Microsoft – Server, vielleicht auch Amazon, Apple und … . Oder die der NSA, CIA oder sonstwelcher „Datenspeicherer“. Da gibt es massenhaft deutsche Daten. Gigantische Datenmüllhalden. Kaum ein Bundesbürger hätte was dagegen, wenn die gelöscht würden. Sogar Kanzlerinnen live streams sollen aufgezeichnet dabei sein, wie der Sarotti-Mohr für Arme seinerzeit andeutete. Nur, Herr (Noch-) Minister sollte sich nicht wundern, wenn ihm und oder seine mehr oder weniger geheime Truppe dann eine Friedenstaube, das ist eine US-Drohne in Sondermission, einfach mal eine Hellfire rüberschickt. Andere werden da im Angesicht einer eher wehrlosen „Bundeswehr“ auch nicht mit sich maaßen lassen. Zu deutsch, die Herren dürfen ruhig feuchte Träume haben, aber in der Liga spielen sie definitiv nicht mit.
@r3D4
„Nur, Herr (Noch-) Minister…“
Bei Ihrer Lust zum Fabulieren ist Ihnen ein kleiner, aber nicht unwichtiger Lapsus unterlaufen.
Maaßen ist kein Minister,sondern steht dem BfV vor und ist dem Bundesinnenminister T.De Maiziere untergeordnet.
Maaßen zum Minister zu befördern,würde ihm sicherlich schmecken,aber vielleicht klappt das ja unter der Jamaika Koalition,genügend Kompromat hätte er ja sicherlich schon gesammelt,welches die Abgeordneten katholisch machen könnte.
Die Berliner Polizei rückt an mit zwei Einsatzwagen … und sagt mir dann, wir können leider nichts weiter tun. Der Mann hat keinen festen Wohnsitz und einen bulgarischen Pass. Wenn sich die Kripo nicht für ihn interessiert, lassen wir ihn wieder laufen. – Später kurze Recherche im Internet… Bulgarische Pässe sind beliebt beim IS, weil einfach und billig zu haben. So werden Kämpfer nach Europa eingeschleust. – Ein blauer Fleck war zunächst nicht festzustellen, aber ich hatte doch einen, tiefer als erwartet, direkt aufs Knie gezielt der Gute bei seinem Fußtritt. Wie gut, dass Yoga sehr flexibel macht. Lockere Schultern, weich in den Knien gestanden. Nicht zu Boden gegangen. Klaren Kopf behalten. – Reden sie doch mal mit einer Freundin, empfahl mir die Polizistin noch zum Abschied.
Wollt Ihr vielleicht mal etwas Hübsches von anderen dazu sehen:
http://www.sueddeutsche.de/politik/geheimdienste-mehr-kekse-1.3697437
Ich habe es genossen, das heute früh zu lesen.
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Wogegen der Auftritt der drei Geheimdienst-Chefs beim PKGR ja eher Ratlosigkeit bei mir hinterlassen hat: wie soll das nächste PKGR das in Ordnung bringen? In einem Land wie unserem, in dem das Bundesverfassungsgericht, dessen Haupt-Aufgabe es wäre, das Grundgesetz zu verteidigen, versagt (Third-Party-Rule > Art. 10 GG / Selektoren-Einsicht verweigert / an Edward Snowden-Schutz gescheitert durch BGH-Delegation / … ), – da wird nun wohl auch die neue Gewichtung von anderer Regierung und anderer Opposition im Kontrollgremium kaum den Datenschutz schaffen bei unseren geheimen Macht-Missbrauchern.
Wenn die wenigstens nur lesen und an die Regierung mitteilen würden, also „Nachrichtendienste“ wären…
Also nicht mehr BKA, sondern NIAS und PIAS.
https://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-islamismus-und-islamistischer-terrorismus/gemeinsames-terrorismusabwehrzentrum-gtaz
Aehm, räusper, hust, also wie gut, wenn dann im Ernstfall und am helllichten Tag und bei schönstem Sonnenschein gerade mehrere nahkampferprobte Passanten vorbei kommen… und zupacken. Und was Edward Snowden angeht, das Wetter hier in Deutschland ist meistens echt mies. Da tröstet die beste Rechtsprechung nicht drüber weg.