Bundesregierung: Test am Südkreuz wird auf jeden Fall ein Erfolg

Derzeit werden Gesichts- und Verhaltensscanner am Berliner Bahnhof Südkreuz erprobt. Jetzt sagt die Bundesregierung, dass für sie Erkennungsraten von Kameras und Software keine Rolle spielen. Praktisch: Wer sich keine Ziele setzt, kann nur gewinnen.

Der Test mit der Gesichtserkennung wird in jedem Fall ein Erfolg für die Bundesregierung. (Symbolbild) CC-BY-NC-SA 2.0 fahrradfritze

Beim Pilotversuch am Überwachungsbahnhof Südkreuz ist der Bundesregierung egal, wie gut die Kameras die Gesichter der Menschen erkennen werden. Das geht aus den Antworten zu einer kleinen Anfrage hervor, welche die grüne Bundestagsfraktion anlässlich des Versuchs gestellt hatte.

In der Antwort der Bundesregierung heißt es:

Ein erfolgreiches Erprobungsergebnis ist nicht abhängig von konkreten Erkenntnisraten. Aus Sicht des Bundesministeriums des Innern liegt ein erfolgreiches Erprobungsergebnis vor, wenn ein signifikanter Mehrwert für die polizeilichen Aufgaben der Bundespolizei festgestellt werden kann.

Die Frage nach einem Erfolg oder Misserfolg stelle sich gar nicht, denn „der Test wird Erkenntnisse darüber bringen, ob die heute vorhandene Technik unter realen Bedingungen eine Gesichtserkennung im Bahnhofsumfeld bereits ermöglicht. Vor diesem Hintergrund wird der Test in jedem Fall wertvolle Erkenntnisse liefern“.

Fragwürdige Methodik

Mit diesen Aussagen garantiert sich die Bundesregierung in jedem Fall einen Erfolg – selbst wenn die Überwachungskameras und die Software schlechte Erkennungsraten liefern würden. Ein früherer Versuch in Mainz war an schlechten Erkennungsraten gescheitert.

Dabei ist schon die Methodik des Tests fragwürdig, weil bei den Testpersonen kein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung ausgewählt wurde. In Biometrietests wurde immer wieder belegt, dass die Erkennung je nach Geschlecht, Alter und Ethnie unterschiedlich präzise ausfallen kann. Ein Sprecher der Bundespolizei sagte unlängst gegenüber netzpolitik.org: „Eine Spezifizierung, eine Klassifizierung danach haben wir nicht vorgenommen, weil das für uns nicht der springende Punkt war.“

Ganz abgesehen vom Test am Südkreuz, ist der Einsatz von Gesichts- und Verhaltensscannern ein tiefer Grundrechtseingriff. Die Technologie erlaubt es, die Gesichter von Menschen als eine Art Nummernschild für die Identifizierung zu nutzen. Zudem erleichtert sie die Erstellung von Bewegungsprofilen über die Sichtbereiche von mehreren Videokameras hinweg und die Verknüpfung mit anderen über die Person verfügbaren Daten.

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8 Ergänzungen

  1. Wer immer wieder verfassungsfeindliche Gesetzgebung betreibt und wer selbst höchstrichterliche Urteile vorsätzlich ignoriert, dem ist mit Vernunft und guten Argumenten nicht beizukommen.

    Was bleibt ist, die üblichen Verdächtigen von der nächsten Regierung fernzuhalten. Und wem alle Mittel recht sind, die eigene Weltanschauung durchzusetzen, der darf auch mit (fast) allen Mitteln aus dem Amt vertrieben werden.

    1. Diese Leute werden aber immer wieder im Amt bestätigt und im September werden diese Leute und deren Politik (grundgesetzwidrige Gesetze erlassen und durchsetzen) wiederum im Amt bestätigt, das ist die traurige Wahrheit!

  2. Dann gibts künftig hofftentlich Vermummungspartys das ganze Jahr über. Dann werden bei „nie ohne“-Kampagnen eben keine Präser mehr verteilt sondern Anonymousmasken.

  3. Hat eigentlich schon jemand die Schilder aufgespürt, die angeblich Unbeteiligte vor dem Versuch warnen und ihnen die Chance geben, einen Weg an den Kameras vorbei zu nehmen? Ich bin im Laufe der letzten Woche mehrmals am Südkreuz umgestiegen. Bei genauerem Hinsehen konnte ich feststellen, dass ich die ganze Zeit im Erfassungsbereich ungewöhnlich kleiner Kameras war. Was ich nicht sehen konnte, war irgend eine Art von Hinweisschild auf den Versuch.

    1. Wenn Du auf dieses Bild hier guckst
      https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2017/08/suedkreuz-beschilderung.jpg
      siehst Du die Schilder am Eingang der Halle. Von den Türen Richtung Rolltreppen sind danach auch auf dem Boden Aufkleber aufgebracht. Vorne siehst Du die recht große weiße Kamera (mit diesen Tauben-Abwehr-Stacheln), die zum Test gehört.

      Falls Du weder Türschilder noch Aufkleber am Boden noch die weißen Kameras gesehen hast, dann warst Du vielleicht auf der anderen Seite des Bahnhofs.

      Was andere Kameras angeht: Der Bahnhof war schon vor dem aktuellen Testlauf mit mehreren Kameras versehen, die hängen schon länger. Sie sind nur nicht mit einer biometrischen Erkennungssoftware gekoppelt.

      1. Ah, danke für die Aufklärung. Das sind tatsächlich andere Kameras als die, die ich gesehen hab. Durch den Eingang bin ich beim Umsteigen natürlich gar nicht gekommen.

  4. Stimmt schon, aus Sicht des „Veranstalters“ WIRD es so oder so ein Erfolg. Nicht, weil die Ergebnisse zwingend gut sein werden (das kann natürlich als Dreingabe dazukommen), sondern weil wieder ein Bißchen mehr Überwachung im Alltag Einzug gehalten hat. Schrittweise Gewöhnung, um die Akzeptanz zu erhöhen, würde ich vermuten…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.