Netzpolitischer Wochenrückblick KW 33: Besser zu viel als zu wenig

Die netzpolitische Woche zusammengefasst: eine Umfrage zur Moderation von Leserkommentaren zeigt, dass keine festgelegten Regeln bestehen, die netzpolitische Bilanz der Großen Koalition in Berlin fällt eher negativ aus und die Pläne der Bundesregierung zum Staatrojaner werden kritisiert.

Foto: Zitronenkugelfisch Martin Teschner [CC BY-ND 2.0]

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Kommentieren und Partizipieren

Eine Umfrage bei Online-Medien zum Thema Moderation von Leserkommentaren macht deutlich, dass es an festgelegten Moderationskriterien fehlt. Auch der Umgang mit strafrechtlich relevanten Inhalten und Counterspeech werden beleuchtet.

In Berlin stehen nach fünf Jahren die Wahlen zum Abgeordnetenhaus an, Zeit zurückzublicken. Beim netzpolitischen Check des Koalitionsvertrages und den daraus umgesetzten Maßnahmen fällt die Bilanz ernüchternd aus. Für Überwachung wurde reichlich gesorgt, allerdings mangelt es bei der Digitalisierung der Verwaltung.

Auch in den USA ist der Wahlkampf in vollem Gange. Die Präsidentschaftskandidaten setzen dabei auf modernste Technik, so dass das Veröffentlichen eigener Apps schon fast zum Standard gehört. Manche der Politiker setzen sogar auf „Gamification“ und lassen so ihren eigenen Wahlkampf zum Handyspiel werden.

Hybride Bedrohungen und ein „Nein“ zur Totalüberwachung

Die Bundesregierung befürchtet, dass Deutschland Opfer von Desinformation und Propaganda werden könnte und plant ebenso wie EU und NATO Maßnahmen gegen „hybride Bedrohnungen“. Auf EU-Ebene wurde hierzu bereits die „EU Hybrid Fusion Cell“ im EU Intelligence and Situation Centre (INTCEN) eingerichtet, allerdings sind neben der Definition von „hybriden Bedrohungen“ auch noch Fragen des Völkerrechts im Umgang mit diesen Bedrohungen zu klären.

Nach der Kritik des Innenministers melden sich die Landesdatenschutzbeauftragten zu Wort. Der Forderung nach mehr Kameras und Überwachung am Beispiel einer Bombendrohung in einem Dortmunder Einkaufszentrum eignet sich ihrer Meinung nach nicht, um Totalüberwachung zu rechtfertigen. Den Einsatz privater Kameras zur Prävention von Straftaten sehen sie als unzulässig an, und auch der automatisierte Abgleich von Fahndungsdaten mit Überwachungskameras geht aus ihrer Sicht zu weit. Die Bundeskanzlerin begrüßt das vom Innenminister vorgeschlagene Überwachungspaket und fordert mehr Personal und Kompetenzen für alle Sicherheitsbehörden.

Unterdessen haben Ermittlungen im Darknet zu einem Fahndungserfolg in Zusammenhang mit dem Amoklauf von München geführt, so dass der Waffenlieferant, von dem der Täter seine Waffe bezogen hatte, festgenommen werden konnte.

Das hindert die CDU/CSU-Innenminister nicht daran, mit der „Berliner Erklärung“ die massive Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung und noch mehr Überwachung zu fordern.

Aller guten Dinge sind zwei?

Das Bundeskriminalamt plant den Einsatz von gleich zwei neuen Staatstrojanern. „RCIS“ („Remote Communication Interception Software“) ist die selbstprogrammierte Version, die – im Gegensatz zur Online-Durchsuchung – nur zum Abhören laufender Kommunikation (Quellen-TKÜ) zum Einsatz kommt.

Ein weiterer Staatstrojaner wäre die gekaufte Variante „FinSpy“. Während der Bundesrechnungshof an der Wirtschaftlichkeit der Staatstrojaner zweifelt, fordern Politiker die Ausweitung von Trojanereinsätzen. Die Nutzung dieser Software wurde vom Chaos Computer Club in einer Stellungnahme kritisiert, da Sicherheitsrisiken, rechtliche Probleme und Interessenkonflikte entstehen. Außerdem sei eine Begrenzung der Überwachung allein auf laufende Kommunikation nicht fehlerfrei möglich.

Die Reichweite des PRISM-Programms und die Nutzung Stiller SMS

Der neuseeländische Geheimdienst, das Government Communications Security Bureau (GCSB), ist Partner des PRISM-Programms der NSA und hat sich dadurch Informationen über eine Aktivistengruppe besorgt sowie Computer, Telefone und Festplatten beschlagnahmt. Aktuell wird in Neuseeland ein Gesetzentwurf diskutiert, der das Vorgehen des GCSB gegen Inländer legalisieren würde. Währenddessen ist die „Equation Group“, eine Hackergruppe, der einige brisante Attacken zugeschrieben werden, nun anscheinend selbst Opfer eines Hacks geworden. Eine Gruppe, die unter dem Namen „theshadowsbrokers“ agiert, behauptet die Angriffswerkzeuge der „Equation Group“ enttarnt zu haben und starteten eine Bitcoin-Auktion, um diese zu verbreiten.

Währenddessen werden in Deutschland weiterhin viele sogenannte „Stille SMS“ zu Ermittlungszwecken gebraucht. Dies geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Andrej Hunko und Jan Korte (Die Linke) hervor. Außerdem werden Funkzellenabfragen und IMSI-Catcher eingesetzt, und das BKA benutzt sogar ein Bild-Identifizierungssoftware, um gegen die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte vorzugehen. Für Hamburg hat Christiane Schneider (Die Linke) eine ähnliche Anfrage gestellt und herausgefunden, dass auch hier der Einsatz von „Stillen SMS“ groß ist.

Tipps fürs Wochenende

Der WDR hat passend zur Gamescom eine Dokumentation über eSport gezeigt. Zum Nachschauen in der Mediathek hier klicken. Wer lieber etwas lesen möchte, dem sei die neue Studie zur Informationsfreiheit empfohlen.

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