Nutzung des PRISM-Programms: Aktivisten im Visier von Geheimdiensten

Der neuseeländische Fernsehsender TVNZ veröffentlichte heute in Zusammenarbeit mit „The Intercept“ Recherchen über das Vorgehen von Geheimdiensten gegen Aktivisten. Der neuseeländische Geheimdienst darf keine Inländer überwachen, bediente sich aber hintenrum im Rahmen des PRISM-Programms bei der NSA. Die zu Unrecht verdächtigten Überwachungsopfer mussten Hausdurchsuchungen erdulden.

Das im Rahmen der Edward-Snowden-Veröffentlichungen enthüllte PRISM-Programm des US-amerikanischen Geheimdienstes National Security Agency (NSA) produziert nicht nur abstrakte Datenhaufen zur Analyse, sondern kann sich sehr konkret gegen Menschen richten. Davon berichtet der öffentlich-rechtliche Fernsehsender Television New Zealand (TVNZ) heute. Geschildert wird das Vorgehen gegen eine Gruppe von Aktivisten, die sich im Datenschleppnetz der Geheimdienste wiederfanden.

Die „Washington Post“ und „The Guardian“ hatten 2013 das PRISM-Programm offengelegt und dabei fast alle US-amerikanischen Technologiekonzerne als Zulieferer dieser Daten benannt, darunter Facebook, Google und Microsoft. PRISM gibt der NSA Zugriff auf Unmengen von Daten aus sozialen Netzwerken und Diensten, mit direktem Zugang zu den Servern der Konzerne und damit auf Kontaktdaten, Dokumente, E-Mails und Fotos der Nutzer.

Begünstigte des PRISM-Programms der NSA

Der neuseeländische Geheimdienst Government Communications Security Bureau (GCSB) wird mit jährlich rund 41 Million neuseeländischen Dollar (ca. 26 Millionen Euro) ausgestattet und hat folgenden Auftrag:

The Mission of the GCSB is to inform and enhance the decision-making processes of the New Zealand Government in the areas of national security, foreign policy, support to law enforcement, and information assurance.

(Der Auftrag des GCSB ist es, die neuseeländische Regierung in ihrem Entscheidungsprozess in den Bereichen der nationalen Sicherheit, Außenpolitik, Unterstützung der Strafverfolgung und Informationsabsicherung zu informieren und zu unterstützen.)

Darin steht allerdings nichts davon, Aktivisten nachzusteigen. Doch genau das wird dem Partnerdienst des „Five Eyes“-Verbundes nun vorgeworfen. Denn das GCSB ist Begünstigter des PRISM-Programms der NSA. Auf diesem Wege erlangte das GCSB die Facebook- und Gmail-Kommunikation des neuseeländischen Staatsbürgers und Aktivisten Tony Fullman. Dabei liefert die NSA dem neuseeländischen Partnerdienst auch Informationen über Fullmans Einkäufe, die man aus E-Mails mit Kontoauszügen gewonnen hatte.

fullmans bank-informationen
Zahlungsvorgänge, die von der NSA an den GCSB geliefert wurden. Quelle: The Intercept.

Fullman wurde verdächtigt, zu einem Aktivistenteam zu gehören, das angeblich Putschpläne auf den Fidschi-Inseln unterstützt hätte, sich aber tatsächlich dort für Demokratiebestrebungen einsetzte.

Fullman war auf den Fidschi-Inseln geboren worden, aber seit langem neuseeländischer Staatsangehöriger. Das GCSB hat jedoch keine Erlaubnis, Inländer zu überwachen. Man bediente sich also hintenrum der US-amerikanischen Partner, um dennoch gegen eigene Staatsbürger zu ermitteln. Die Vorwürfe gegen Fullman und seine Mitstreiter bewahrheiteten sich jedoch nicht.

Computer, Festplatten, Telefone beschlagnahmt

Ryan Gallagher und Nicky Hager schreiben bei The Intercept über die Folgen für Tony Fullman, der in die geheimdienstlichen Terror-Mühlen geriet:

His passport was revoked, his home was raided, and he was placed on a top-secret National Security Agency surveillance list.

(Sein Reisepass wurde eingezogen, sein Zuhause durchsucht und er wurde auf eine streng geheime Überwachungsliste der National Security Agency (NSA) gesetzt.)

Das war 2012: Computer, Festplatten, Telefone und Papiere von Fullman selbst, Familienmitgliedern und anderen Aktivisten wurden dabei mitgenommen. Seitdem wird er an Flughäfen immer wieder behelligt:

Fullman says he gets pulled out of airline queues for security searches every time he travels, and he has had trouble finding work since news reports following the raids in 2012 linked him to a Fiji assassination plan.

(Fullman sagt, dass er bei Flugreisen jedes Mal aus den Schlangen für eine Sicherheitsdurchsuchung rausgezogen wird und Schwierigkeiten hatte, Arbeit zu finden, seitdem Medien ihn nach den Durchsuchungen im Jahr 2012 in Verbindung zu einem Attentat auf den Fidschi-Inseln gebracht haben.)

Rechtliche Schritte gegen die Repressionen, die als „Anti-Terrormaßnahmen“ zurechtgelogen wurden, erwägt Fullman derzeit. Wichtiger könnten aber noch die politischen Folgen sein, denn der Bericht von TVNZ und „The Intercept“ kommt zu einem politisch brisanten Zeitpunkt: In Neuseeland wird aktuell ein Gesetzentwurf diskutiert, der das Vorgehen des GCSB gegen Inländer legalisieren würde.

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3 Ergänzungen

  1. Das passiert in Deutschland auch jedes Jahr hunderte oder gar tausende Male.
    Eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen [beliebigen Vorwand einfügen], Durchsuchung, Beschlagnahmung von Datenträgern inkl. deren Geräte und jahrelange „Auswertung“. Das heisst, ein Schnüffler geilt sich monatelang an den privaten und intimen Inhalten fremder Menschen auf. Erhofft werden dabei „Zufallsfunde“, entweder im Bereich des Vorwandes, oder auch in anderen Bereichen. Am Ende oftmals Einstellung des Verfahrens entweder mit oder ohne Auflagen.

    Beides zeigt, dass entweder gar kein Fehlverhalten vorhanden war oder das Fehlverhalten so gering ist, dass eine Strafverfolgung nicht sinnvoll ist. Beides rechtfertigt aber nicht den massiven Eingriff einer Durchsuchung oder gar Beschlagnahmung. Gemacht wird es trotzdem, die Gerichte decken es und lassen Beschwerden ins Leere laufen. Die Betroffenen sind enteignet, tragen alle bis dahin angelaufenen Kosten und sind psychisch lebenslang angeschlagen.
    Davon erfährt man dann alle zwei Jahre nachts irgendwann um 1:15 Uhr im ZDF in einer Dokumentation.

    Die Pervertierung des Rechtsstaates. Und wir spielen alle fleissig mit. Aktuell in Mode: Terrorangst.

  2. Das passiert in Deutschland auch jedes Jahr hunderte oder gar tausende Male.
    Eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen [beliebigen Vorwand einfügen], Durchsuchung, Beschlagnahmung von Datenträgern inkl. deren Geräte und jahrelange „Auswertung“. Das heisst, ein Schnüffler geilt sich monatelang an den privaten und intimen Inhalten fremder Menschen auf.

    Nein, das heißt es nicht. Dazu hätten die sog. „Schnüffler“ auch gar keine Zeit. Die Wirklichkeit sieht so aus, dass die Geräte einfach nur herumliegen, bis sie analysiert werden konnten.

    Das Problem ist eindeutig der personellen und technischen Ausstattung geschuldet, die die Auswertung von Datenträgern machen muss. Ein Problem sind auch die stark gewachsenen Kapazitäten von Datenträgern, da dauert eine Analyse eben länger.

    Es fehlen also einerseits Kopierstationen und eben auch Forensiker.

    Hinweis an Verteidiger: Es hilft darauf zu drängen, dass Datenträger aus Geräten ausgebaut werden, damit wenigstens die Geräte zurückgegeben werden können.

    Selbst die Datenträger müssen nicht unbedingt asserviert werden, wenn eine forensische Kopie angefertigt wurde. Dann könnten auch Datenträger zurückgegeben werden.

    Problematisch ist es, wenn die technische Ausstattung nicht so weit reicht, dass Datenträger ohne das beschlagnahmte Gerät ausgelesen werden können.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.