Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtssälen werden ein bisschen erlaubt

In den USA sind Übertragungen von Gerichtsverhandlungen ganz normal, hierzulande sind sie bislang unzulässig. In engem Rahmen sollen Bild- und Tonaufnahmen jetzt erlaubt werden.

Kameras werden in einem gewissen Umfang vor Gericht zugelassen werden. (Symbolbild). Foto: CC-BY 2.0 UNclimatechange

Das Bundeskabinett hat heute ein Gesetz mit dem langen Namen „Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Sprach- und Hörbehinderte (EMöGG)“ beschlossen. Das Gesetz wird Bild- und Tonübertragungen in einem sehr engen Rahmen erlauben – wenn das Gericht selbst zustimmt. Diese Medienöffentlichkeit war seit dem Verbot im Jahre 1964 unzulässig.

Folgendes soll mit dem Gesetz nun erlaubt werden:

  • Entscheidungsverkündungen oberster Gerichtshöfe des Bundes sollen grundsätzlich von Medien übertragen werden können.
  • Bei Verfahren von erheblichem Medieninteresse soll die Einrichtung von Arbeitsräumen für Medienvertreterinnen und -vertreter mit Tonübertragung gesetzlich geregelt werden. Damit können Situationen wie beim NSU-Verfahren vermieden werden.
  • Eine audio-visuelle Dokumentation von Gerichtsverfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung soll ermöglicht werden, wobei die Voraussetzungen und die begrenzte Verwendung noch geregelt werden müssen.

Die Regelung soll neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch für die Arbeits-, die Verwaltungs-, die Finanz- und die Sozialgerichtsbarkeit und in angepasster Form auch für das Bundesverfassungsgericht gelten.

Ferner enthält der Gesetzentwurf Verbesserungen für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen. Vorgesehen sind Erweiterungen hinsichtlich der Beteiligung von Gebärdendolmetschern für hör- und sprachbehinderte Personen: Künftig sollen die Kosten für die Verdolmetschung des gesamten gerichtlichen Verfahren übernommen werden.

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) begründet das Gesetz unter anderem mit dem Wandel der Medien, der vermehrten Verbreitung von Livestreams, Live-Berichterstattung, Blogs und auch mit Twitter. Letzteres nutzten wir im Jahr 2009 um eine Liveberichterstattung aus dem Bundesverfassungsgericht möglich zu machen.

Gegen Kameras und Aufzeichnungen im Gerichtssaal gibt es aber auch gewichtige Gegenargumente. Dazu zählen unter anderem der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beteiligten, eine mögliche Prangerwirkung von Übertragungen, aber auch Bedenken, dass Richter ihre Urteilsverkündigungen auf ihre Medienwirkung hin ausrichten.

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6 Ergänzungen

      1. Bis 1924 gab es in Deutschland noch echte Geschworenengerichte. Seither kommt dem Namen Schwurgericht nur noch eine historische Bedeutung zu. Sachliche Unterschiede zur zuständigen „normalen“ großen Strafkammer des Landgerichts sind damit nicht mehr verbunden. Die Besetzung des Schwurgerichts besteht aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Dabei sind Schöffen keine Geschworenen mehr.

        https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6ffe_(ehrenamtlicher_Richter)

  1. zur anregung der diskussion eine stimme aus dem jahr 1956, herr josef wintrich:

    „In diesem Zusammenhang muß das Problem aufgeworfen werden, wie es mit den Bandaufnahmen von Gerichtsverhandlungen steht. Beim Bundesverfassungsgericht werden die Verhandlungen, soweit dies zweckmäßig erscheint, auf Tonband aufgenommen. Diese Tonbänder werden aber im Panzerschrank des Gerichts verwahrt. Jede Verwendung in der Öffentlichkeit ist ausgeschlossen, es sei denn, mit Zustimmung des Gerichts und aller am Verfahren Beteiligten.

    Nun möchte ich nicht sagen, es bestehe kein legitimes Interesseder Öffentlichkeit daran, daß von Teilen eines Prozesses Tonbandaufnahmen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Aber ich bin der Auffassung, daß niemand, insbesondere nicht der Angeklagte und sein Verteidiger, gezwungen werden kann, zu sprechen, wenn eine Rundfunkübertragung für die Öffentlichkeit vorgesehen ist. An diesem Grundsatz muß meines Erachtens schon im Interesse der Wahrheitsermittlung festgehalten werden. Es ist für die seelische Haltung der am Prozeß Beteiligten ein grundlegender Unterschied, ob eine Tonbandaufnahme für die breiteste Öffentlichkeit bestimmt oder verwertbar ist oder ob sie nur dazu dienen soll, das Ergebnis der mündlichen Verhandlung festzuhalten und damit die Wahrheitsermittlung zu sichern.

    Die Tonbandaufnahme kann nur das gesprochene Wort wiedergeben. Bei dem gesprochenen Wort kommt es aber auf die gesamte Situation an; in der mündlichen Verhandlung hört man den sprechenden nicht nur, sondern man sieht ihn auch von Angesicht zu Angesicht. Vielfach läßt sich erst dann beurteilen, welcher Wahrheitsgehalt seiner Aussage zukommt.

    Es besteht die Gefahr, daß bei Veröffentlichungen von Prozeßausschnitte bestimmte Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen werden. Es wird ein großes Maß von Verantwortung gefordert, wenn solche Prozeßausschnitte im Rundfunk Verbreite: werden. Niemals darf eine solche Wiedergabe der Befriedigung der Sensationsgier, eines bösartigen Instinktes, dienen,

    Persönlich bin ich der Auffassung, daß eine Verwertung von Tonbandaufnahmen, die im Gerichtssaal gemacht werden, nur mit Zustimmung der Betroffenen zulässig sein darf und die Tonbandaufnahme unterbrochen werden muß, wenn der Angeklagte oder sein Verteidiger erklären, sie fühlen sich gestört. Es ist etwas anderes, ob ich vor dem Richter im Gerichtssaal meine Aussage mache oder mein Plädoyer halte, oder ob ich mir bewußt sein muß, das, was ich sage, wird der ganzen Welt bekannt.“

    quelle: https://wiki.freiheitsfoo.de/pmwiki.php?n=Main.Wintrich-Problematik-der-Grundrechte#toc8

  2. Dolmetscher doch bitte nur für die Betroffenen im Prozess
    und nicht für die Zuhörerschaft. Wurde im Artikel nicht klar.
    Laut Medienberichten haben die Gerichte in Deutschland
    zu wenig Geld zur Verfügung.
    Die Dokumentation eines Verfahrens erscheint wichtiger als der Fall selbst zu sein.
    … eine Entwicklung, die ich auch in meiner Firma beobachten muss.
    Die Deutschen lieben offensichtlich Bürokratie …

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.