NSA überwachte französische Staatsspitze

Der französische Staatspräsident François Hollande unter „Freunden“. CC BY 2.0, via flickr/Ash Carter

Der US-Geheimdienst NSA soll jahrelang französische Spitzenpolitiker abgehört haben, die drei letzten Staatspräsidenten François Hollande, Nicolas Sarkozy und Jacques Chirac mit eingeschlossen. Das geht aus Dokumenten hervor, die der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt wurden und die gestern Abend Auszüge daraus veröffentlicht hat. Die Unterlagen decken den Zeitraum von 2004 bis 2014 ab.

Die öffentlich gemachten NSA-Dokumente gehen noch einen Schritt weiter als die Enthüllung, dass das Handy der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel durch den US-Geheimdienst abgehört wurde. So listen die Unterlagen einzelne Selektoren – also Suchbegriffe, die in die Überwachungssysteme eingespeist wurden – in Form diverser Telefonnummern hochrangiger französischer Spitzenpolitiker auf. Betroffen waren neben den Präsidenten unter anderem der frühere sozialistische Wirtschaftsminister und nunmehrige EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici sowie der frühere französische Botschafter in Washington, Pierre Vimont. Im französischen Präsidentenpalast Elysée seien zahlreiche Leitungen, sowohl fixe als auch mobile, angezapft worden, heißt es in französischen Medien.

Daneben liefern die Dokumente aber auch inhaltliche Zusammenfassungen abgehörter Telefongespräche. Nur wenige Tage nach seiner Wahl zum französischen Staatspräsidenten gab François Hollande Ende Mai 2012 seinem Ministerpräsidenten Marc Ayrault grünes Licht, um ein geheimes Treffen zu organisieren, das einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zum Thema hatte. Zusätzlich dazu wollte sich Hollande mit Vetretern der damaligen SPD-Opposition treffen, darunter dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, weil offizielle Gespräche mit Kanzlerin Merkel nur reine „Show“ gewesen seien und keine substanziellen Ergebnisse gebracht hätten. Aus einem weiteren Bericht aus dem Jahr 2010 geht hervor, dass sich der damalige Präsident Nicolas Sarkozy frustriert darüber gezeigt haben soll, mit den USA kein No-Spy-Abkommen abschließen zu können. Dieses sei angeblich in Aussicht gestellt worden.

Die Abhörziele weisen jeweils eine Prioritätsnummer auf – die absolut höchste Priorität 1 erreichte keiner der Überwachten, die Leitungen des Präsidenten oder von Afrika-Beratern schafften es aber immerhin, als Priorität 2 zu gelten. Wie es der NSA im Detail gelungen ist, an die Informationen zu kommen, bleibt zur Zeit unklar. Die meisten der Dokumente tragen als Quellverweis den Zusatz „Unconventional“, die darin enthaltenen Informationen seien also auf „unkonventionellem“ Wege beschafft worden. Das eingangs erwähnte abgefangene Gespräch zum „Grexit“ führt als Quelle „Foreign Satellite“ auf. Es ist denkbar, dass damit die BND-Abhörstation Bad Aibling gemeint ist, die Satellitenkommunikation überwacht und von der NSA dazu benutzt wurde, dem deutschen Geheimdienst illegale Selektoren unterzuschieben. Die nach wie vor nicht veröffentlichten Selektoren sollen sich gegen französische und europäische Interessen gerichtet haben.

Unterdessen hat Hollande den Verteidigungsrat zu einer Sondersitzung einberufen und bezeichnete die Überwachungsmaßnahmen als „inakzeptabel“. „Frankreich wird keinerlei Machenschaften dulden, die seine Sicherheit und den Schutz seiner Interessen in Frage stellen“, heißt es in einer Erklärung des Elysée-Palasts. US-Behörden hätten in der Vergangenheit Versprechungen gemacht, die sie respektieren sollten. Als erste Konsequenz werde am heutigen Nachmittag die US-Botschafterin Jane Hartley einberufen, um die Vorwürfe zu besprechen. Das US National Security Council erklärte, Hollandes Kommunikation im Moment und auch in Zukunft nicht zu überwachen, blieb jedoch ein Dementi über vergangene Abhörmaßnahmen schuldig.

16 Ergänzungen

  1. Es ist traurig, spannend, lustig zu sehen, dass die Franzosen in die gleiche Rhetorik verfallen wie die Deutschen. Wie Deutschland werden die das aber genauso weiter erdulden müssen ob sie wollen oder nicht. Genauso wie sie weiter dulden müssen, dass die Amis mit dem wissen was sie ausspionieren selbstverständlich ihre Interessen durchsetzen und wo möglich sich Vorteile verschaffen werden.
    Z.B. Geheim anberaumte treffen zu verraten um Leute gegeneinander aus zu spielen.

    Und wie sich jetzt an den Inhalten aufgegeilt wird. Wer hat über wen gelästert usw. Das zugrunde liegende Problem der Überwachung interessiert keinen mehr. Gerade von den betroffenen Politikern nicht. Ich glaube die haben das schon akzeptiert. Die merken das es die eigene Bevölkerung nicht stört und so lange man sich mit dem Amis gut stellt kann man weiter schön am Trog sitzen. Ist doch alles in Ordnung.

    1. Ich hätte jetzt eher drauf getippt dass Assange die Dokumente schon länger hatte und nun taktisch klug eingesetzt hat

  2. Die Unterlagen decken den Zeitraum von 2004 bis 2014 ab.???

    Die Unterlagen sollen den Zeitraum von 2004 bis 2012 abdecken.

    Aber warum spielt man dies in Frankreich jetzt plötzlich so hoch? Ist doch nur Augenwischerei gegenüber der Bevölkerung. Also wenn die das wirklich nicht gewußt haben sollten, was ich nicht glaube, dann gehört deren Geheimdienst geschlossen.
    Genauso wie in Deutschland. Spioniert wurde schon immer unter den Staatsführer. Neu ist nur die globale Überwachung aller. Und das ist die Sauerei.

    1. Das läuft genauso ab wie bei uns, ein bisschen Empörung….. Obama lässt sich drauf ein nicht den Präsidenten abzuhören….bei uns konnte er sich gerade noch dazu hinreissen lassen bundespräsident UND Kanzlerin nicht abzuhoeren…..der Rest der Politiker bleibt im Programm drin. Obwohl die Franzosen wahrscheinlich gelernt haben und nicht von NoSpy Abkommen anfangen zu faseln.

      Bemerkenswert finde ich aber das die USA nicht abstreiten das sie die Praxis zumindest in der Vergangenheit durhgeführt haben…weder bei Merkel noch bei Hollande & Co hat man sich hingestellt und erklärt die Dokumente wären gefälscht, es war alles Blödsinn

      1. Die grand nation wollte mal dem Reich und der grande nation zeigen, wer hier was kann.
        Ist natürlich übermütig und man wird sich bei TIPP wieder ärgern, weil man hier überheblich war.

  3. Manchmal beschleicht mich ja der absurde Verdacht, daß die VDS in Europa nur ein weiterer Baustein für die Vorbereitungen auf den Ernstfall sind (Ukrainekonflikt und was da noch so kommt im Kampf um die globale Vorherrschaft) und letztlich von den USA veranlaßt wurde.

    Warum sollten sich die Regierungsparteien sonst so unbeliebt machen mit einer offensichtlich nutzlosen Maßnahme?

    Die VDS ist ein hervorragendes Instrument, um die Bevölkerung auf Linie zu halten, denn es kann im Falle eines Falles niemand Widerstand gegen die Staatsgewalt (oder auch nur Militätdienst) leisten,
    weil alle Kontakte und etwaige Aufenthaltsorte im Fluchtfall bekannt wären. Niemand leistet Widerstand, wenn er ausgeliefert ist.

    Das Kräfteverhältnis zwischen den EU-Staaten und USA wird ja durch die Geheimdienstskandale in Deutschland und jetzt in Frankreich ziemlich deutlich sichtbar, und Widerstand durch unsere Regierungen ist nicht wirklich in Sicht.
    Nur die USA haben ein Interesse am Ukrainekonflikt, für Europa wird das ein Krieg im eigenen Haus, es sterben Europäer, keine Amerikaner.

    1. Vor allem kamen sich Europa und Russland gefährlich nahe, das galt es zu verhindern, großer Erfolg.

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