Stefan Krempl berichtet auf heise online: Normenkontrollrat legt sich bei der Vorratsdatenspeicherung quer. Hier ist das Originaldokument (nur echt mit Zertifikats-Fehler): Bundesrats-Drucksache 249/15 vom 28. Mai 2015.
Die „Zusammenfassende Stellungnahme“ in Volltext:
In der vorliegenden Fassung entspricht der Entwurf nicht den Anforderungen der [Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien] einer Gesetzesvorlage an die Bundesregierung:
Die Darstellung des Erfüllungsaufwandes fehlt für die Wirtschaft völlig und für die Verwaltung in wesentlichen Teilen. Dieser Mangel ist umso gravierender, als der Normenkontrollrat durch eigene Erhebungen Anhaltspunkte für Kosten der Telekommunikationswirtschaft von bis zu rund 600 Millionen Euro gefunden hat; ferner deshalb, weil das Regelungsvorhaben Entschädigung für den Fall vorsieht, dass Investitionen und gegebenenfalls gesteigerte Betriebskosten „für einzelne Unternehmen erdrosselnde Wirkung haben könnten“.
Nicht nachzuvollziehen ist auch, weshalb das BMJV eine Evaluierung ausschließt, ohne diese Abweichung von dem Konzept des [Staatssekretärsausschusses] zu begründen.
Der Normenkontrollrat hat gegen die Gesetzesvorlage erhebliche Bedenken, weil sie den Erfüllungsaufwand des Regelungsvorhabens nicht darstellt, obwohl zumindest eine Schätzung möglich wäre.
Der Nationale Normenkontrollrat ist laut Wikipedia „ein Gremium zum Bürokratieabbau in Deutschland“. Er hat laut Gesetz „die Aufgabe, die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen auf den Gebieten des Bürokratieabbaus und der besseren Rechtsetzung zu unterstützen.“
Die hohen Kosten für Provider kritisiert auch eco (Verband der deutschen Internetwirtschaft):
Die Kosten dafür könnten sich nach einer ersten Schätzung von eco auf rund 600 Millionen Euro für die gesamte Branche belaufen.
Dieses Problem sehen wir auch, betrachten es jedoch als nachrangig. Die Vorratsdatenspeicherung ist auch dann abzulehnen, wenn sie von unseren Steuergeldern (statt unseren Provider-Verträgen) bezahlt wird. Das Grundproblem ist die anlasslose Massenüberwachung der kompletten Bevölkerung mit negativen Auswirkungen auf demokratische Grundfreiheiten – ohne nachgewiesene Notwendigkeit zur Strafverfolgung.
GENAU DAS (daß die Erfüllungsaufwände ein Witz sind) habe ich übrigens schon im März gesagt:
https://twitter.com/FranKee_HH/status/577483077389254657
:-)
Wenn man als Dummchen mal fragen darf: Was heißt „Evaluierung“ in Bezug auf einen Gesetzentwurf und was heißt es wenn das Justizministerium diese blockiert?
In der Regel müssen Gesetze, die Kosten verursachen – nach bestimmten Fristen – evaluiert werden. Es soll überprüft werden, ob die „angegeben Kosten“ im Gesetzestext stimmig sind, oder nicht. In aller erster Linie „bekämpft“ der Normenkontrollrat also „ausufernde Bürokratie“. Oder einfach: Stimmt meine Kosten-Nutzen-Rechnung?
In diesem Fall ist das natürlich besonders schön, wenn man weder die genauen Kosten für Privatwirtschaft noch für die Verwaltung kennt und sich dieser Evaluierung entledigt. Dann kann nämlich keiner überprüfen, ob die „geschätzten“ Zahlen realistisch waren.
Zusatz: „[…]“ und was heißt es wenn das Justizministerium diese blockiert?“
Man schreibt in den Entwurf einfach rein, dass man keine Evaluierung braucht. ;) Liest sich dann so:
„Eine Befristung der Regelungen ist nicht sachgerecht. Eine Evaluierung ist entbehrlich; […]“
@ Markus Beckedahl
Habt Ihr schon mal daran gedacht, dass hier die Mitglieder des Normenkontrollrats eine couragierte Aktion durchziehen? Sowas nennt man Side-Channel-Attacks. Das eigentlich unbedeutende und machtlose Gremium namens Normenkontrollrat nutzt den eigenen begrenzten Zuständigkeitsbereich, um die VDS zu kritisieren.
Den wunden Punkt Geld und Finanzen solltet Ihr bei der Kritik an Überwacung häufiger heranziehen. Das Geld, das ständig für mehr Massenüberwachung verschleudert wird, könnte man an anderen Stellen sinnvoller für echte Sicherheit ausgeben.
Man müsste mal klären, was eine Notwendigkeit zur Strafverfolgung genau sein soll, aber auch wenn diese besteht, wäre immer noch eine Abwägung zu treffen.