Die Financial Times hat vor kurzem in einem Bericht einige Beispiele zusammengefasst, wie in der US-Arbeitswelt Überwachungsmethoden zum Einsatz kommen. Das behauptete Prinzip ist dabei immer dasselbe: Überwachung -> mehr Produktivität.
„Wir finden jede Woche neue Dinge, die wir tracken“, sagt einer der Gründer eines Anbieters solcher Methoden, und verspricht bis zu 5% Produktivitätssteigerung in bis zu zwei Dritteln der Jobs. Weil die Technik so günstig ist, pflanzt ein Anbieter Sensoren in Büromöbel und Gebäude. Eine andere Firma bestückt Namensschildchen mit Sensoren, mit denen mitgeschnitten wird, wie sich Angestellte im Büro bewegen, mit wem sie sprechen und ob ihre Stimme dabei freundlich klingt oder nicht. Die „Bank of America“ hat das wohl ausprobiert und herausgefunden, dass man Angestellten erlauben sollte, gemeinsam Pausen zu machen, weil das die Produktivität erhöht. Wie merkbefreit ein Management sein muss, dass für diese Erkenntnis die Dienstleistung eines Tracking-Anbieters benötigt, ist dann nochmal eine andere Frage… Aber gut, immerhin ist das Stresslevel in den Stimmen der Mitarbeiter jetzt 19% niedriger, auch das weiß man nun.
In Europa hatten wir die Debatte vor allem um das Jahr 2008, als windige Unternehmen wie die Supermarktkette Lidl Kameras auf das Personal richtete. Mittlerweile ist das alles fortschrittlicher, nennt sich dank besserer Auswertungsmöglichkeiten Quantification, und der Lifestyle- und Gewöhnungsgrad ist auch deutlich höher als bei den ollen Lidl-Kameras, weil die exakte Vermessung der Freizeit mittlerweile eine ziemliche Massenbewegung ist.
Der Kommissionsentwurf für die europäische Datenschutzgrundverordnung sah übrigens vor, dass Einwilligungen zur Datenverarbeitung im Falle eines „erheblichen Ungleichgewichts“ zwischen der betroffenen Person und dem für die Verarbeituung Verwantwortlichen keine gültige Grundlage für die Verarbeitung sind (Art. 7, Absatz 4). Die Formulierung wurde u.a. auch mit Fällen begründet, in denen Arbeitnehmer den Überwachungsmätzchen sozial inkompetenter Führungskräfte zustimmen müssten, um ihren Job zu behalten. Im weiterverhandelten Parlamentstext steht an der Stelle jetzt:
Die Erfüllung eines Vertrages oder die Erbringung einer Dienstleistung darf nicht von der Einwilligung in eine Verarbeitung von Daten abhängig gemacht werden, die für die Erfüllung des Vertrages oder die Erbringung der Dienstleistung nicht im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b erforderlich ist.
Artikel 82 sieht jeweils die Möglichkeit einer nationalstaatlichen Regelung des Arbeitnehmerdatenschutzes gemäß der in der Verordnung verankerten Kriterien vor, was man in Deutschland schon seit längerem hätte haben können, wenn die bisherigen Regelungsversuche nicht weitgehend untauglich gewesen wären. Was weiter draus wird, werden wir sehen, falls sich die Mitgliedstaaten rund um Merkel-Deutschland irgendwann mal dazu durchringen, mit dem Thema weiterzumachen.
toller artikel und wichtig dazu!
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urbanaid
Das hier beschriebene „Produktivitätsverständnis“ ist eine merkwürdige Mischung aus Technikorientierung und Erbsenzählen. Erfolgreicher ist die kommunikative Begegnung mit den Mitarbeitern. Führungskräfte müssen zuerst führen, nicht messen und auswerten.