Steuerung des US-Drohnenkriegs via Ramstein – Bundesregierung findet das nicht schlimm und verzichtet auf Stellungnahme aus den USA

Die US-Basis Ramstein in Rheinland-Pfalz. Laut Medienberichten dienst sie auch als digitaler Knoten für den US-Drohnenkrieg in Asien und Afrika (Bild: Wikipedia).
Die US-Basis Ramstein in Rheinland-Pfalz. Laut Medienberichten dienst sie auch als digitaler Knoten für den US-Drohnenkrieg in Asien und Afrika (Bild: Wikipedia).

Das Kabinett von Angela Merkel (CDU) will entgegen früherer Beteuerungen keine weitere Stellungnahme aus den USA dazu anfordern, ob und inwiefern die US-Basis in Ramstein als digitales Drehkreuz für den Drohnenkrieg genutzt wird. Dies teilte die Staatssekretärin Stefanie Hubig in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion mit. Das Dokument wurde heute auf der Webseite des Bundestages eingestellt.

Hintergrund waren Berichte der Süddeutschen Zeitung, die zusammen mit dem NDR und dem WDR zur Nutzung von US-Basen in Deutschland für „gezielte Tötungen“ in Asien oder Afrika recherchiert hatten. Bereits vergangenen Sommer berichteten die Journalisten, dass in Ramstein eine Relaisstation für die Kommunikation und Steuerung von Drohnen errichtet wurde. Die Bundesregierung bestritt die Meldungen und berief sich dabei auf eine Aussage des US-Präsidenten:

Die amerikanische Regierung hat gegenüber der Bundesregierung auf Nachfrage bestätigt, dass von US-Einrichtungen in Deutschland bewaffnete Drohneneinsätze weder geflogen noch befehligt werden.

Das hatte allerdings niemand behauptet: Weder die Journalisten noch Abgeordnete gingen davon aus, dass aus Rheinland-Pfalz Drohnen auf dem Weg nach Pakistan oder Somalia abheben würden. Trotzdem wurde das Obama-Mantra von der Bundesregierung immer dann wiederholt, wenn im Bundestag von der Rolle Ramsteins für den Drohnenkrieg die Rede war.

Aus Forderung zur Stellungnahme wird „vertraulicher Dialog“ mit der US-Regierung

Im April konnte das Rechercheteam den früheren Drohnenpiloten Brandon Bryant zu einer Aussage bewegen. Er erklärte, der „gesamte Drohnen-Krieg des US-Militärs“ sei ohne Deutschland „nicht möglich”. Immer würden ihre Daten über Ramstein fließen, egal wo die Drohnen im Einsatz seien. In der genannten Kleinen Anfrage hatten die Abgeordneten also erneut nachgefragt, erhielten aber wieder die übliche Antwort:

Die amerikanische Regierung hat der Bundesregierung versichert, dass Einsätze bewaffneter unbemannter Flugzeuge der US-Streitkräfte nicht aus Deutschland befehligt oder geflogen werden. Diese Aussage wird auch in der Medienberichterstattung zu den angeführten Äußerungen nicht bestritten.

Die Bundesregierung lügt nun sogar die Aussage des Ex-Drohnenpiloten in ihrem Sinne um. Brandon Bryant habe sich „dahingehend geäußert, dass die unbemannten Flugzeuge der US-Streitkräfte aus den USA gesteuert worden seien“. Also bestehe „kein Widerspruch zur Aussage von Präsident Obama“, denn dieser habe ja versichert dass der Drohnenkrieg nicht aus Deutschland befehligt wird. Die Angelegenheit scheint aus Sicht der deutschen Regierung damit erledigt.

Heise hatte Anfang April berichtet, die Bundesregierung werde von den USA eine Stellungnahme zu den Berichten über Ramstein als Relaisstation verlangen. Davon will jedoch niemand mehr etwas wissen. In der Antwort ist nur noch die Rede davon, man stehe dazu in einem „vertraulichen Dialog“ mit der US-Regierung.

Bundesanwaltschaft ermittelt ins Leere

Es bleibt nun lediglich ein sogenannter „Prüfvorgang“ der Bundesanwaltschaft zur möglichen Beteiligung von US-Basen am Drohnenkrieg in Afrika und Asien. Solche „Prüf-“ oder „Beobachtungsvorgänge“ sollen ausloten, inwiefern ein Straftatbestand vorliegen könnte und führt unter Umständen zu einem Ermittlungsverfahren. Besonderen Eifer legt die oberste deutsche Strafverfolgungsbehörde dabei nicht an den Tag. Es kann als sicher gelten, dass auch dieser Prüfvorgang eingestellt wird. Denn wieder wird unter falschen Vorzeichen ermittelt: Es geht nicht um die Nutzung von Ramstein als Hub für den US-Drohnenkrieg oder die Funktion als Relaisstation zwischen den USA und Pakistan oder Somalia.

Stattdessen untersucht die Bundesanwaltschaft den Vorwurf einer „Steuerung US-amerikanischer Drohnenangriffe durch in Deutschland stationierte Angehörige der US-Streitkräfte von Ramstein und/oder Stuttgart aus“. Wieder wird also ins Leere zu einem Vorwurf ermittelt, der ganz anders vorgetragen wurde. Dementsprechend hat auch das Bundeskriminalamt noch keinen Ermittlungsauftrag erhalten.

Die Bundesanwaltschaft hatte zu zwei in Pakistan getöteten deutschen Staatsangehörigen tatsächlich Ermittlungsverfahren eingeleitet. Beide wurden letztes Jahr eingestellt, ein Tatverdacht für Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch oder dem Strafgesetzbuch habe sich nicht erhärtet. Weitere fünf Beobachtungsvorgänge haben nicht einmal zur Einleitung von Ermittlungsverfahren geführt.

Einsatz von Kampfdrohnen ist laut Generalbundesanwalt eine „zulässige Kriegslist“

In einem Fall ist die Begründung zur Einstellung von Ermittlungen öffentlich gemacht geworden. Im Falle des aus Nordrhein-Westfalen stammende Bünyamin E. hieß es, seine Tötung ohne Gerichtsbeschluss sei „völkerrechtlich zulässig und damit strafrechtlich gerechtfertigt“. Die Begründung raubt jede Hoffnung auf ein deutsches Veto gegen den US-Drohnenkrieg: Ohne einen Beweis zu erbringen heißt es, Bünyamin E. sei ein Angehöriger „organisierter bewaffneter Gruppen“ gewesen. Seine Tötung mit einer Rakete sei also in Ordnung gewesen. Die eingesetzte Waffengattung sei dabei unerheblich.

Eine Ächtung bestimmter Waffen, etwa in Bezug auf Drohnen, existiere nicht. Einsätze von Kampfdrohnen seien laut dem Generalbundesanwalt auch keine „Heimtücke“. Das Ausnutzen des „gegnerischen Überraschungsmoments“ sieht der oberste deutsche Strafverfolger sogar als eine „zulässige Kriegslist“.

12 Ergänzungen

  1. „zulässige Kriegslist“? Welcher Krieg denn bitte? Welches Land hat denn Pakistan den Krieg erklärt? Gerade deshalb ist es ja völkerrechtswidrig, weil es dort gar keinen Krieg gibt. So sieht es aus wie ein heimtückischer Mord, zu dem Deutschland wohl mit Handyinformationen beigetragen hat.

  2. Das ist doch nichts neues. Wir erinnern uns: Jugoslawienkrieg, alle mglichen Leute sagten: illegal. „Unsinn“, tönen Medien und Politik unisono (Grüne zuvorderst), „Pazifisten, Spinner, Verantwortung“. Und wenn wer klagt, wird Verfahren eingestellt oder irgendwelche Winkelzüge oder sowas wie hier. Jahre später tritt dann ein Schröder auf, und erzählt ebenbei, der Krieg, der war ja gegen das Völkerrecht. Dann war er das aber doch damals auch schon, und nicht heute. Dann hatten also CDU, SPD, Grüne Unrecht, haben illegal Krieg geführt, und die Linke hatte recht. Das ist dann ja nur eine Frage der Logik. Es gibt in Deutschland und anderen Ländern aber etwas namens „Staatsräson“, heute kommt es auch gerne als diffuse „Sicherheitsinteressen“ daher, das heißt in dem Fall dann, irgendein eigentlich wohl eher illegales Gemauschel meist mit den USA wird irgendwie gedeckt, schöngeredet, ihm wird einlegales Deckmntelchen umgehängt, und wers kritisiert, ist antiamerikanisch oder Verschwörungstheoretiker oder hysterisch, o.ä. Sogar die NSA-Sache wollten sie ja anfangs so drehen.

    Beim Irakkrieg liefs hier dann mal anders, aber da hat man dafür in Polen, GB etc. wohl ähnlich „argumentiert“. Hinterher tuts dann allen immer sehr leid und das konnte man ja nicht ahnen, usw.

  3. Tja, da kommt es mal wieder sehr genau darauf an, was gesagt oder auch nicht gesagt wird.

    Zitat aus dem Artikel: ‚…berief sich dabei auf eine Aussage des US-Präsidenten: „…nicht aus Deutschland befehligt oder geflogen werden.“ ‚

    Das ist soweit ich das sehe 100% die Wahrheit, weil Ramstein eine (wie auch im Artikel erwähnt) Relaisstation ist. Das heißt, die Drohnen werden von Amerika aus befehligt und geflogen; Ramstein ist nur dazu da, die Signale weiter zu leiten.

    1. Ja genau, es entspricht der Wahrheit was Obama sagt und die Bundesregierung stoisch herunterbetet. Aber der Vorwurf war ein ganz anderer: Dass nämlich die US-Armee auf den Basen Anlagen zur breitbandigen Kommunikation errichtet hat.

      Um die Drohnen zu fliegen braucht es große digitale Datenströme (vor allem wenn mehrere gleichzeitig operieren). Diese werden nach dem was bislang bekannt ist aus den USA via Kabel nach Europa übertragen. In Ramstein entstand eine Relaisstation, die alle Daten per Satellit in die jeweiligen Länder weiterreicht.

      Es geht also nicht darum, dass die Army auf ihrem Gelände einen Router einstöpselt. Ich erinnere an die Aussage von Bryant: Ohne Ramstein könnte der US-Drohnenkrieg nicht auf diese Weise geführt werden.

  4. Ich verfolge die Diskussion, aber verstehe sie nicht. Natürlich kann und sollte über den Einsatz von Kampfdrohnen diskutiert werden. Aber was die Amerikaner auf der Air Force Base in Ramstein machen, ist ihre Sache, denn es ist schließlich amerikanischer Boden. Ich kann daher die Aufregung zwar nachvollziehen, verstehe aber die Vorwürfe nicht.

  5. Hier wird aus einem einfachen technischen Sachverhalt ein politischer Skandal (oder was auch immer) gemacht. Ramstein dient dem Amis als Relaisstation [1] für ihre Satelliten und sie routen die Daten durch. Ramstein ist genauso verantwortlich für die Handlungen der Drohnenpiloten, wie es ein Provider für die Handlungen seiner Kunden ist. Ich finde es komisch gegen Störerhaftung und für Providerpriveleg zu sein und hier andere Maßstab anzulegen.

    [1] http://de.wikipedia.org/wiki/Relaisstation

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.