Letzte Woche stand das Gelände der Kulturbrauerei in Berlin ganz im Zeichen der „Offenheit“ und des freien Wissens. Die Auftakt-Keynotes vom ersten Tag des Open Knowledge Festival 2014 haben wir schon zusammengefasst. Der zweite Tag begann wieder mit zwei zentralen Vorträgen, einerseits eine Rede von Neelie Kroes (EU-Kommissarin für die Digitale Agenda), anderseits eine Präsentation von Eric Hysen von Google, dort Technical Program Manager für „Civic Innovation“.
Eine offene Umarmung
Kroes‘ Rede kann als ein eher unspezifischer Rundumschlag gesehen werden (hier das Skript). Sie streifte alle Themen kurz, von Transparenz über Netzneutralität bis zu Open Education und dem unvermeidlichen Big Data. Meist blieb es bei der Nennung der Schlagwörter ohne konkrete Thesen oder Vorschläge zu formulieren. Sie wollte die Gelegenheit nutzen, um der versammelten Open Knowledge Community schmeicheln, was ihr auch ganz gut gelang: Zum Schluss gab es sogar vereinzelt stehende Ovationen. Dass Kroes nur wenige inhaltliche Punkte ansprach ist zum aktuellen Zeitpunkt auch verständlich, denn die noch amtierende Vizepräsidentin der EU Kommission arbeitet momentan auf Abruf. Die Zusammensetzung der neuen Kommission Juncker wird gerade ausgeschachert und noch weiß niemand genau welche Rolle für wen vorgesehen ist.
Besonders betonte Kroes, dass sie sich eine große Beteiligung an der öffentlichen Konsultation der EU-Kommission zum Thema Wissenschaft 2.0 wünscht. Die Konsultationsphase läuft bis Ende September und soll die Grundlage für eine offenere und partizipationsfreudigere Wissenschaftspolitik legen. Hier findet man den Fragebogen und alle Informationen, wie man sich beteiligen kann.
Kroes nahm ihre Keynote auch zum Anlass, am selben Tag neue Leitlinien für die Lizensierung von Behördendaten zu veröffentlichen. Diese sollen die schleppende Umsetzung der sogenannten PSI-Richtlinie (Richtlinie 2003/98/EG über die „Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors“) unterstützen. Die EU-Kommission empfiehlt den Mitgliedsstaaten in dem Leitfaden entweder gar keine oder eine möglichst freie und offene Lizensierung, damit das Potenzial der öffentlichen Daten für alle Möglichkeiten der Weiterverarbeitung optimal ausgeschöpft werden kann. Öffentlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel Bibliotheken, Museen oder Archiven, wird auch empfohlen keine Gebühren für digitale Dokumente zu erheben. Der Leitfaden greift die Ergebnisse der Open-Data-Konsultation aus dem letzten Jahr auf.
Straßen für offene Daten
Mehr Substanz bot die zweite Keynote von Eric Hysen: gut vorbereitet und mit einer schicken Präsentation im Gepäck, formulierte er drei zentrale Punkte zum Thema Open Data (Vortragstext hier). Seine Kernthese: offene Daten haben ein riesiges Potenzial, aber wir schöpfen es noch nicht aus, weil die nötige öffentliche Infrastruktur fehlt. Aus Googles Perspektive gelte es demnach Folgendes zu realisieren:
- Daten müssen nicht nur offen, sondern auch klar strukturiert, lizensiert und regelmäßig aktualisiert werden. „Offen alleine genügt nicht“, brachte er sein Anliegen auf den Punkt.
- Datensätze müssen miteinander verknüpfbar sein. Bisher sei die Programmierung von Schnittstellen oft viel zu kompliziert.
- Für die nachhaltige Weiterentwicklung und -verarbeitung von offenen Daten müssen „Ökosysteme“ geschaffen werden. Die x-te Hackerkonferenz zu organisieren, ermöglicht kein nachhaltiges Arbeiten.
Der Vortrag, wie auch der zuvor, drehte sich um die Erschließung von Geschäftsmodellen auf Basis offener Daten. Die konkreten Forderungen waren durchdacht und auch durchaus berechtigt. Wenn sich Open Data weiter verbreiten soll, scheint es sinnvoll, dass sich auch die Strukturen weiter professionalisieren. Hysen wählte dafür die Analogie zum Straßenverkehr: wenn es hochentwickelte Kutschen gibt, aber keine Straßen, auf denen sie fahren können, bleibt der tatsächliche Nutzen der Kutsche hinter ihrem potenziellen Nutzen weit zurück. Wir brauchen also mehr Straßen, mit klaren Regeln und Standards, für offene Daten.
Dass das Unternehmen Google daran ein gesteigertes Interesse hat liegt auf der Hand. Aber auch kleine Initiativen könnten leichter arbeiten, wenn alle Behörden zum Beispiel klar lizensierte, offene Datenbanken bereitstellen würden, anstatt einzelner PDF-Dokumente. Die Fundamentalkritik aus der FAZ halte ich so gesehen für überzogen.
Google sponsert bereitwillige alle möglichen Konferenzen und Initiativen – klar ist das geschickte Unternehmenskommunikation. Aber sie schließen damit auch eine Finanzierungslücke, weil öffentliche Gelder für viele der Projekte nicht zur Verfügung stehen. Mein Eindruck vor Ort war jedenfalls, dass sich die anwesenden Aktivistinnen und Aktivisten aus der ganzen Welt eine kritische Distanz bewahren. Das wurde auch in vielen der anwendungsorientierten Workshops deutlich. Außerdem richten sich Hysens Forderungen gar nicht ausschließlich an die Open Data Community, sondern an alle Akteure, gerade auch die öffentlichen bzw. staatlichen. Denn sie sollen schließlich den Großteil der offenen Daten liefern. Keiner der Beteiligten wird alleine eine allgemeine Infrastruktur für offene Daten etablieren können. Wir müssen aber aufpassen, dass der stärkste Spieler im Raum die anderen nicht vereinnahmt.
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