Nigeria: Elektronischer Personalausweis ist gleichzeitig Führerschein, Krankenkarte und Mastercard-Kreditkarte

In Deutschland haben wir in den vergangenen Jahren gegen alle möglichen Themen zu Passdokumenten gekämpft wie: biometrische Daten, elektronische Signaturen, einheitliche Identifikationsnummern, die Kombination von offiziellen Datenbanken und die Vermischung von hoheitlichen und kommerziellen Interessen. Mit einem ungläubigen Stirnrunzeln haben wir daher im letzten Jahr die Meldung aufgenommen, dass Nigerias Personalausweise künftig eine Kreditkarte von Mastercard enthalten sollen.

Jetzt ist es tatsächlich umgesetzt. Am Donnerstag nahm Nigerias Präsident Goodluck Jonathan die erste nationale eID-Karte entgegen, hergestellt von der Nigerian Identity Management Commission (NIMC) zusammen mit der Kreditkartengesellschaft Mastercard:

To receive the eID card, Nigerians aged 16 and above need to register at one of the hundreds of NIMC enrollment centers nationwide. The enrollment process involves the recording of an individual’s demographic data and biometric data (capture of 10 fingerprints, facial picture and Iris) to authenticate the cardholder and ensure that there are no duplicates on the system. Upon registration, NIMC issues each Nigerian with a unique National Identification Number (NIN), followed by the national eID card.

Diese staatlichen Dienste sollen damit möglich gemacht werden:

NIMC is working with several government agencies to integrate and harmonize all identity databases including the Driver’s License, Voter Registration, Health Insurance, Tax, SIM and the National Pension Commission (PENCOM) into a single, shared services platform.

Aber natürlich hat auch Mastercard mehr davon als das Firmenlogo auf jeder Karte: Die Personalausweise funktionieren gleichzeitig als Kreditkarte. Daniel Monehin, MasterCard-Sprecher:

This is a memorable occasion for MasterCard as we witness the start of a financial inclusion program that is unprecedented in scale and scope. Combining an identity card with MasterCard’s prepaid payment capability creates a game changer as it breaks down one of the most significant barriers to financial inclusion – proof of identity – while simultaneously enabling Nigerians to access the global economy.

Doch nicht allen gefällt das, wie Inga Hinnenkamp auf DRadio Wissen berichtet:

Doch die Bürger sind nicht begeistert. Vor allem auch, weil die Regierung für die Super-ID eine Kooperation mit Mastercard geschlossen hat.

Die Menschen in Nigeria fürchten, dass das US-Unternehmen Mastercard somit auch Zugriff auf sensible Daten erhält. Außerdem darf Mastercard sein Firmenlogo auf die ID drucken. Auch das sorgt für Ärger.

11 Ergänzungen

  1. corporate nigeria. das einzige Dokument der direkten Verhältnisbeschreibung eines Bürgers zu dem ihm assoziierten Staat, wird nicht nur durch massenhafte Datenerfassung zu einem Dokument, dass 100%ige Identifikationssicherheit vortäuscht und damit dem Missbrauch jedes Tor aufsperrt), es wird auch in seiner Allumfastheit (und der per Verordnung festgestellten Unfälschbarkeit) zu einem Repressionsinstrument in einem Land dessen Gesetzgebung religiöser Willkür weit offen steht. Ohne sich jederzeit der Erkennbarkeit und Individualisierung auszusetzen, andernfalls sich auf ein Schattenleben einzustellen, ist damit eine Existenz in diesem Land nicht mehr vorstellbar, sobald der Umgang mit dem Dokument auf beiden Seiten erst eingeübt ist. Das dann auch noch ein Privatunternehmen und der Staat die Möglichkeit erhalten große Teile der Finanzströme zu erfassen macht das Bild komplett.

  2. Kann mensch nicht einfach die MasterCard Funktion ignorieren und nicht nutzen? Obwohl, das erfordert dann wieder viel Aufklärung gegen die Bequemlichkeit und schlägt wohl in die gleiche Scharte wie die Bequemlichkeit Emails nicht zu verschlüsseln…

  3. Aus rein praktischen Erwägungen ist das doch eine coole Sache: statt wie bisher drei Karten nur noch eine. Die Daten sind ja ohnehin da und kombinierte Karten (etwa ADAC-Mitgliedsausweis, der gleichzeitig eine VISA/Mastercard ist) gibt ja auch schon. Und wer die Mastercard nicht nutzen will, muss dies ja auch nicht tun.

  4. Die kritischen Kommentare zur integrierten Kredit Karte sind verständlich, doch vergessen wir hier bei aller Aufregung den wesentlichen Punkt: In Negeria (ähnlich bei den anderen Afrikanischen Ländern) besitzen die meisten Menschen gar kein Konto und können die Kreditkarte de facto nicht nutzen. Nicht umsonst sind Micro Payment Systems wie M-Pesa dort so erfolgreich (Mobilfunk basiert, Zahlung via SMS…)

  5. Ich bin entzückt. Endlich erkennt mal jemand die Möglichkeiten und Chancen, die eine Kombination verschiedenster Funktionen in einer Karte bietet und schon geht in Deutschland mal wieder die Welt unter. Ganz ehrlich: man muss es ja nicht nutzen. Ich bin es so leid, ein Duzend Plastikkarten haben zu müssen, weil der ewige Kampf der Bedenkenträger jedem Fortschrittsgedanken im Wege steht. Warum kann man in Deutschland nicht einfach mal Chancen erkennen anstatt ein Haar in der Suppe zu suchen? Es könnte jedem freigestellt sein, eine Kombikarte oder ein Kartensammelalbum zu nutzen. Wie wäre es denn mal mit Wahlfreiheit? Dann kann jeder selbst entscheiden. Ich befürchte nur, weder die Überwachungsfanatiker noch die Anonymitätsfanatiker können sich so viel Freiheit des Einzelnen vorstellen.

    1. Übersende doch bitte Deine gesamte Krankengeschichte sowie alle Behördengeschichten Deines Lebens umgehend freiwillig an mastercard, damit Du glücklich wirst, anschließend Deine gesamte Krankenakte und Einkaufsgeschichte an Deine Regierung und dann noch alle Behördengeschichten und Einkäufe an Deine Krankenkasse, zuletzt noch alles an alle Geheimdienste. Am besten in dreifacher Ausführung, damit es auch wirklich ankommt. Dann kriegst Du eine Plastikkarte, die sogar für dich denkt. Ja, sie wird Dir gar sagen, wen Du besser nicht heiraten solltest, was Du bestimmt gerne kaufen möchtest usw.. Die ganze Mühsal der Kopfarbeit fällt endlich weg! Und jetzt shoppen gehen und dabei dank toller Rabattkärtchen so richtig schön schnäppchenmäßig sparen! Yeah!

      — Sarcasm off

      Dein „Haar in der Suppe suchen“-Vorwurf, nur weil Du zu faul bist mit Deinen ganzen großteils freiwillig gewählten Plastikkarten klarzukommen, würde ich als „Freiheit gegen Linsengericht eintauschen“ bezeichnen. Als normaler Mensch reichen übrigens 3 Karten (Ausweis, Bankkarte, Krankenkassenkarte). Auf die dritte kann man sogar verzichten, auch wenn es etwas nerven kann, die erste muss man nur besitzen, nicht andauernd bei sich tragen, die zweite braucht man auch nicht ständig, wenn man sie nur zum Geldabheben benutzt. Ergo muss man von den drei wichtigen Karten keine andauernd mit rumschleppen.

      Deine anderen 5 Karten sind folglich irgend ein Werbemüll, wie Payback („Rache“) oder so ein Bauernfangschund. Schmeiß die einfach weg, die sind eh Humbug und machen so blöd wie täglich eine Stunde RTL. :-D

  6. So so… Da experimentiert man also mit den Nigerianern um zu schauen wie gross der Widerstand ist, wenn Regierungen mit Unternehmen gemeinsame Sache machen. Das finde ich gelinde gesagt zum Kotzen. Auch der Tenor des dem Artikel angehängten Audiobeitrages ist mehr als werbeträchtig.

    Es sollte eigentlich an der Zeit sein, dass Regierungen sich von den Unternehmen distanzieren und endlich wieder das tun, was sie eigentlich nur vor den Wahlen tun (und auch da nur verbal) – sich um die Belange des Volkes kümmern und endlich positive Veränderungen einläuten die nicht wieder einmal eine zusätzliche Macht an Finanzorganisationen weitergibt.

    Es ist doch wirklich ekelerregend.

  7. Find ich gut. Leider sind solche Kombinationen immer schnellschüsse. Besser wäre es, wenn man mal die Technologie ernsthaft evaluieren würde. Derzeitiger Stand der Technik erlaubt es auf einer Karte viele Funktionen zu vereinen und die Daten dennoch getrennt zu halten.
    Einziges Problem: Wessen Logo kommt auf die Karte.
    BTW: eKarten beinhalten i.d.R. keine Daten, sondern elektronische IDs, womit man den Benutzer den lokalen Daten zuordnen kann, und kryptographische Dinge, um die Kommunikation abzusichern.
    In Österreich z.B. gibt es viele, die glauben, dass auf unseren eCards (Sozialversicherungskarte) medizinische Daten gespeichert sind. Stimmt natürlich nicht!
    Vieles ist panikmache. Wer allerings sorglos mit seiner Karte umgeht ….

  8. @Andre Meister
    Bald kommt der Eperso in Kooperation mit Herstellern von Ikea,Pfizer,Abführmittelherstellern,Brauselieferanten,Pizza Lieferanten,Mac Donalds..jeder der löhnt kann sich auf dem Eperso verewigen,und alle haben Zugriff auf die persönlichen Daten,das nennt man dann „Smart living“
    Es wäre interessant zu wissen ob Otto Schily ,der Vater der „biometrischen Daten“,der die Sache in die Wege geleitet hat .noch irgendwelche Verbindungen zu „Byometric Systems“ und Co. hat, weshalb er sich deswegen u.a. eine Klage wegen Befangenheit seitens der Schriftstellerin Juli Zeh und dem Leipziger Anwalt Frank Selbmann eingefangen hat?
    Nach Verrichtung der Dinge ist Schily aus dem Aufsichtsrat ausgetreten,
    „Ein Schelm wer Böses dabei denkt“.
    Ist Schily noch in Sachen Biometrie unterwegs,“Safe ID Solutions“ wo Schily im Aufsichtsrat saß ,war ja eine Sache für den Staatsanwalt ,oder erntet er nur noch die Früchte seiner Arbeit in der freien Wirtschaft „Denn in der Politik verarmt man“.
    Siehe auch Der Spiegel vom 10.09.2012 „Der Türöffner“.

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