Lesen leicht gemacht: EuGH entscheidet über die Zukunft von elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken

Foto: Moyan_Brenn, (CC BY-ND 2.0)

-Es gibt auch einen Eintrag von Leonhard zu der Entscheidung-

In Bibliotheken ist häufig gerade genau das Buch weg, das man so dringend für die Hausarbeit oder zur Vorbereitung auf die nächste Klausur braucht. Umso besser, wenn die Bibliothek eine digitale Kopie des Buches hat und man schnell die relevanten Seiten ausdrucken oder auf den USB Stick ziehen kann. Der EuGH hat heute über die Digitalisierung von Büchern und deren Zugänglichkeit an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken entschieden (Urteil Volltext). Nach der Entscheidung des EuGH können die Bibliotheken die Bücher digitalisieren und die Nutzer*innen sie an elektronischen Leseplätzen lesen. Die digitale Version ausdrucken oder auf dem USB Stick mit nach Hause nehmen, das geht aber nach EU-Recht nicht ohne weiteres.

Der Deutsche Rechtsstreit

Der EuGH hatte über Urheberrechtsfragen im Rahmen eines deutschen Rechtsstreits zu entscheiden. Der Rechtsstreit entbrannte zwischen der TU Darmstadt und dem Ulmer Verlag. Die Bibliothek der TU Darmstadt hatte eine analoge Version des Buches „Einführung in die neuere Geschichte“ des Ulmer Verlages in ihrem Bestand. Die Bibliothek digitalisierte dieses Buch, ohne die Zustimmung des Verlages, und stellte das Buch in digitaler Form an bestimmten elektronischen Leseplätzen zur Verfügung. Die Nutzer*innen der Bibliothek konnten das digitalisierte Werk dann an diesen Leseplätzen ausdrucken und auf ihren USB Sticks oder anderen Medien abspeichern. Der Verlag hatte der Bibliothek angeboten, das Buch als ebook vom Verlag zu erwerben. Die Bibliothek war darauf nicht eingegangen und berief sich auf eine Ausnahme, die das deutsche Urheberrecht öffentlich zugänglichen Bibliotheken zugesteht. Bibliotheken dürfen nach dem deutschen Urheberrecht (§52b UrhG) an eigens eingerichteten elektronischen Leseplätzen Werke in elektronischer Form für die Nutzer*innen zugänglich machen.

Der Ulmer Verlag wehrte sich zum einen gegen die Digitalisierung des Geschichtsbuches und das Zurverfügungstellen an den elektronischen Leseplätzen der Bibliothek der TU Darmstadt. Zum anderen wehrte sich der Verlag gegen das Ausdrucken und Abspeichern auf einem anderen Medium durch die Nutzer*innen. Der Fall gelangte zum BGH. Der BGH wollte vom EuGH in einem Vorlageverfahren wissen, ob die Regelung im deutschen Urheberrecht, die die Digitalisierung von Büchern den Bibliotheken erlaubt, gegen EU-Recht verstößt. Außerdem wollte der BGH wissen, ob nach EU-Recht das Ausdrucken und Abspeichern der digitalisierten Bücher durch die Nutzer*innen erlaubt ist.

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH entschied, dass die Digitalisierung von Büchern und das Zugänglichmachen dieser an elektronischen Leseplätzen, so wie von der TU Darmstadt vorgenommen, erlaubt ist. Das ist von der EU Urheberrechtslinie gedeckt (Art. 5 Abs. 3 n der Richtlinie 2001/29). Die Digitalisierung ist auch dann in Ordnung, wenn der Verlag anbietet, das Buch als ebook an die Bibliothek zu verkaufen. Die Bibliothek muss nicht auf das Angebot eingehen.

Allerdings wies der EuGH in seiner Entscheidung darauf hin, dass das Ausdrucken und Speichern der digitalisierten Bücher eine neue Vervielfältigung darstellt. Da diese von den Nutzer*innen der Bibliothek vorgenommen wird und nicht von der Bibliothek, gilt die Ausnahme im EU-Recht für die Digitalisierung durch öffentlichen Einrichtungen nicht auch für das Ausdrucken und Abspeichern. Nach Ansicht des EuGH steht es den EU-Mitgliedsstaaten jedoch frei, auch den Nutzer*innen der Bibliotheken das Ausdrucken und Speichern der digitalisierten Bücher zu erlauben. Dazu müssten die Vorgaben des EU-Urheberrechts beachtet werden, vor allem müsste den Verlagen ein Ausgleich bezahlt werden. (Leonhard’s Einschätzung zur deutschen Privatkopieschranke könnt ihr hier lesen)

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

Eine Ergänzung

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.